Die Wahl des WEG-Verwalters – bei mehreren Bewerbern

Werden mehrere Bewerber um das Amt des Verwalters zur Wahl gestellt, muss über jeden Kandidaten abgestimmt werden, sofern nicht ein Bewerber die absolute Mehrheit erreicht und die Wohnungseigentümer nur eine JaStimme abgeben können.

Die Wahl des WEG-Verwalters – bei mehreren Bewerbern

Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 WEG beschließen die Wohnungseigentümer über die Bestellung und Abberufung des Verwalters mit Stimmenmehrheit, die sich hier nach Miteigentumsanteilen bestimmt1. Ob die danach erforderliche Mehrheit erreicht worden ist, muss in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt werden. Die Festlegung der Verfahrensweise bei Abstimmungen obliegt, sofern durch die Gemeinschaftsordnung oder durch einfachen Geschäftsordnungsbeschluss der Wohnungseigentümer keine Festlegung erfolgt ist, dem Versammlungsleiter. Dieser kann nach pflichtgemäßem Ermessen den Abstimmungsmodus, insbesondere die Reihenfolge der Abstimmungsfragen, festlegen2. Innerhalb dieses Ermessens kann er auch darüber bestimmen, welches Wahlverfahren durchgeführt werden soll, wenn es mehrere Bewerber um ein Amt gibt. In Betracht kommt insoweit etwa, dass jeder Wohnungseigentümer bei einer nacheinander erfolgenden Abstimmung über die einzelnen Bewerber insgesamt nur eine JaStimme vergeben kann. Möglich ist allerdings auch, dass die Wohnungseigentümer von ihrem Stimmrecht in jedem Wahlgang unabhängig von ihrem vorangegangenen Stimmverhalten Gebrauch machen können3.

Im hier entschiedenen Fall hat der Versammlungsleiter die Kandidaten beginnend mit der bisherigen Verwalterin nacheinander zur Abstimmung gestellt. Dies liegt innerhalb des ihm zustehenden Ermessens. Fehlerhaft ist allerdings, dass er die Abstimmung nach dem ersten Wahlgang abgebrochen hat.

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Werden mehrere Bewerber um das Amt des Verwalters zur Wahl gestellt, muss über jeden Kandidaten abgestimmt werden, sofern nicht ein Bewerber die absolute Mehrheit erreicht und die Wohnungseigentümer nur eine JaStimme abgeben können. Liegt diese Ausnahme nicht vor, darf die Abstimmung über die weiteren Bewerber nicht abgebrochen werden, weil dann nicht festgestellt werden kann, ob die erforderliche Mehrheit erreicht ist.

Richtig ist zwar, dass bei der Bestimmung der Mehrheit im Sinne von § 25 Abs. 1, § 26 Abs. 1 Satz 1 WEG allein entscheidend ist, ob die abgegebenen JaStimmen die NeinStimmen überwiegen. Enthaltungen sind nicht mitzuzählen. Wer sich der Stimme enthält, will aus welchen Motiven auch immer weder ein zustimmendes noch ein ablehnendes Votum, sondern seine Unentschiedenheit bekunden. Er will auf die Beschlussfassung nicht anders einwirken, als wenn er der Versammlung ferngeblieben wäre oder sich vor der Abstimmung entfernt hätte. Der objektive Erklärungswert der Stimmenthaltung gebietet es, wenn gesetzlich nichts Anderes geregelt ist, diese bei der Errechnung der Stimmenmehrheit nicht mitzuzählen. So bleibt das Abstimmungsergebnis derjenigen, die sich zustimmend oder ablehnend zu einem Antrag geäußert haben, maßgebend4.

Stehen mehrere Bewerber zur Wahl, ist die Abstimmung über jeden einzelnen aber nur ein Teilakt eines als eine Einheit zu betrachtenden Verfahrens. In aller Regel kann erst nach Durchführung aller Wahlgänge festgestellt werden, ob ein und welcher der Bewerber die erforderliche Mehrheit erhalten hat. Die relative Mehrheit für einen Bewerber ist nicht ausreichend, wenn mehr als zwei Kandidaten zur Wahl stehen5.

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Bei einem Wahlverfahren, in dem den Wohnungseigentümern je Wahlgang ein Stimmrecht zusteht, das unabhängig von ihrem vorangegangenen Stimmverhalten ausgeübt werden kann, können auch die nachfolgenden Kandidaten in den einzelnen Wahlgängen mehr Jaals NeinStimmen auf sich vereinigen. Dabei ist es sogar möglich, dass zwei oder mehr Bewerber die Stimmen aller Wohnungseigentümer erhalten. Das Wahlverfahren, bei dem den Wohnungseigentümern mehrere Stimmen zustehen, eröffnet nämlich gerade die Möglichkeit, dass ein Wohnungseigentümer nach einer persönlichen Präferenzordnung abstimmt, etwa einen Bewerber bevorzugt, aber auch andere für annehmbar hält. Wird über den von ihm bevorzugten Bewerber erst später abgestimmt, muss gewährleistet sein, dass er auch insoweit sein Stimmrecht ausüben und seine Stimme für den Erstpräferierten abgeben kann. Bei einem solchen Verfahren ist der Willensbildungsprozess der Wohnungseigentümer bei der Auswahl der Bewerber um das Amt des Verwalters nach dem ersten Wahlgang noch nicht abgeschlossen, weil die Stimmrechtsausübung bei dem weiteren Fortgang des Wahlverfahrens Auswirkungen auf das Endergebnis haben kann. Dies erfordert es, ausnahmslos über alle zur Wahl stehenden Bewerber abzustimmen. Soweit vertreten wird, dass bereits der zuerst aufgerufene Bewerber zum Verwalter bestellt sei, wenn auf ihn mehr Jaals NeinStimmen entfallen, und das weitere Abstimmungen in diesem Fall nicht veranlasst seien6, kann dem nicht zugestimmt werden.

Wird ein Wahlverfahren festgelegt, bei dem jedem Wohnungseigentümer nur eine JaStimme zur Verfügung steht, müssen grundsätzlich ebenfalls alle Bewerber zur Abstimmung gestellt werden. Hier tritt die Einheitlichkeit des Wahlvorgangs bei dem Aufruf der einzelnen Bewerber und der jeweiligen Stimmabgabe noch stärker hervor, weshalb in der Literatur teilweise von einer „gleichzeitigen“ Abstimmung über die Bewerber gesprochen wird7. Zwar können diejenigen Wohnungseigentümer, die dem ersten Bewerber ihre JaStimme gegeben haben, nicht nochmals für einen Bewerber stimmen. Den Wohnungseigentümern, die demgegenüber entweder mit „Nein“ gestimmt oder sich enthalten haben, verbleibt aber noch die Möglichkeit, ihre JaStimme für einen anderen Bewerber abzugeben. Dies erfordert die Durchführung der Abstimmung auch über die anderen Bewerber. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein Bewerber in einem Wahlgang bereits die absolute Mehrheit erzielt hat und weitere Wahlgänge folglich an dem Ergebnis nichts mehr ändern können.

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Nach diesen Maßstäben steht im hier entschiedenen Fall nach der Abstimmung über den ersten Beschlussantrag nicht fest, dass die bisherige Verwalterin mit der erforderlichen Stimmenmehrheit wiederbestellt worden ist. Dabei kann offenbleiben, ob der Versammlungsleiter hier ein Wahlverfahren festgelegt hat, bei dem jedem Wohnungseigentümer nur eine JaStimme zustand. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die bisherige Verwalterin nicht die absolute Mehrheit der Miteigentumsanteile der Wohnungseigentümer auf sich vereinigt, so dass der Abbruch der Abstimmung über die weiteren Bewerber in jedem Fall unzulässig war. Damit ist der Beschluss über die Wiederbestellung der bisherigen Verwalterin nicht ordnungsgemäß zustande gekommen.

Ist der Beschluss zur Wahl des Verwalters für ungültig zu erklären, trifft dies auch für den sodann gefassten Beschluss zu, nach dem mit dem Verwalter ein neuer Verwaltervertrag geschlossen werden soll. Dieser ebenfalls angefochtene Beschluss setzt die Gültigkeit des Beschlusses über die Wahl des Verwalters voraus.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. Januar 2019 – V ZR 324/17

  1. vgl. dazu BGH, Urteil vom 28.10.2011 – V ZR 253/10, BGHZ 191, 245 Rn. 7 ff.[]
  2. Bärmann/Merle, WEG, 14. Aufl., § 23 Rn. 38; Merle, WE 1987, 138, 139[]
  3. vgl. BeckOGK BGB/Greiner [1.05.2019], WEG § 26 Rn. 59 f.[]
  4. BGH, Beschluss vom 08.12 1988 – V ZB 3/88, BGHZ 106, 179, 183 f.[]
  5. vgl. nur BayObLG, NZM 2003, 444; BeckOGK BGB/Greiner [1.05.2019], § 26 WEG Rn. 56 f.; Jennißen in Jennißen, WEG, 5. Aufl., § 26 Rn. 31; Niedenführ in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 12. Aufl., § 26 Rn. 16; Staudinger/Jacoby, BGB [2018], § 26 WEG Rn. 40; Spielbauer/Then, WEG, 3. Aufl., § 26 Rn. 10; Deckert, ZMR 2008, 585, 586 f.; Elzer, ZMR 2014, 104, 105[]
  6. BeckOGK BGB/Greiner [1.05.2019], WEG § 26 Rn. 61; vgl. auch Bärmann/Becker, WEG, 14. Aufl., § 26 Rn. 49; Staudinger/Jacoby, BGB [2018], § 26 WEG Rn. 40; OLG Düsseldorf, ZMR 1991, 32; OLG Köln, ZWE 2000, 488, 489[]
  7. vgl. etwa BeckOGK BGB/Greiner [1.05.2019], WEG § 26 Rn. 57, 60[]
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