Die Wohnung über dem Vermieter

Der Bundesgerichtshof hat heute die Voraussetzungen der Kündigung eines Mietverhältnisses über eine Wohnung in einem vom Vermieter selbst bewohnten Gebäude präzisiert.

Die Wohnung über dem Vermieter

Die Beklagten in dem jetzt vom Bundesgerichtshof entschiedenen Rechtsstreit sind Mieter einer Wohnung der Klägerin im hessischen Friedberg. Der Mietvertrag wurde im Jahr 2004 noch mit dem Voreigentümer des Hauses geschlossen, in dessen Obergeschoss sich die Wohnung der Beklagten befindet. Zu diesem Zeitpunkt war neben der Wohnung im Erdgeschoss auch eine Einliegerwohnung im Kellergeschoss des Hauses, bestehend aus einem Wohn-/Schlafraum mit Küchenzeile und Bad, an Dritte vermietet. Als die Klägerin das Haus im Jahr 2006 erwarb, bestand das Mietverhältnis über die Kellerräume nicht mehr. Die Klägerin bezog zusammen mit ihrem Ehemann die Wohnung im Erdgeschoss und nutzt die Räumlichkeiten im Keller als zusätzliche Räume (Besucherzimmer, Bügel- und Arbeitszimmer).

Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis gestützt auf § 573a Abs. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift kann der Vermieter ein Mietverhältnis über eine Wohnung in einem vom Vermieter selbst bewohnten Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen kann der Vermieter auch ohne den ansonsten nach § 573 BGB erforderlichen Kündigungsgrund kündigen.

Die von der Vermieterin erhobene Räumungsklage wurde vom erstinstanzlich damit befassten Amtsgericht Friedberg abgewiesen1. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin wurde vom Landgericht Gießen ebenfalls zurückgewiesen2. Und auch der Bundesgerichshof gab den Mietern Recht und wies die gegen das Berufungsurteil des Landgerichts Gießen gerichtete Revision zurück:

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Für die Beurteilung, ob in einem Gebäude mehr als zwei Wohnungen vorhanden sind, ist die Verkehrsanschauung maßgebend. Unter einer Wohnung wird gemeinhin ein selbständiger, räumlich und wirtschaftlich abgegrenzter Bereich verstanden, der eine eigenständige Haushaltsführung ermöglicht. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllen die Räumlichkeiten im Keller des Wohnhauses der Klägerin diese Anforderungen, denn neben einem 42 qm großen Wohn-/Schlafraum verfügen sie über eine Küchenzeile und ein Tageslichtbad mit Toilette.

Die Tatsache der Existenz von drei Wohnungen in dem Wohnhaus der Klägerin hat sich nicht dadurch geändert, dass die Klägerin die im Keller befindlichen Räume in ihren Wohnbereich integriert hat, indem sie die Einliegerwohnung seit dem Erwerb des Hauses im Jahr 2006 als Besucher-, Bügel- und Arbeitszimmer nutzt. Denn durch diese Erweiterung des Wohnbereichs der Klägerin hat sich der einmal gegebene Wohnungsbestand nicht reduziert.

Das Landgericht hat sich, so der Bundesgerichtshof, zur Begründung seiner abweichenden Auffassung zu Unrecht auf das BGH-Urteil vom 25. Juni 20083 gestützt. Die in dieser Entscheidung vom Bundesgerichtshof gebilligte tatrichterliche Beurteilung, die Aufteilung einander ergänzender Räume auf zwei Stockwerke hindere nicht die Annahme einer (einzigen) Wohnung, beruhte auf anderen tatsächlichen Gegebenheiten. Die betreffenden Räume im Dachgeschoss jenes Gebäudes stellten – anders als die Einliegerwohnung im Haus der jetzigen Klägerin – keine eigenständige Wohnung dar.

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Da die Einliegerwohnung vom Einzug der Beklagten bis zum Ausspruch der Kündigung eine eigenständige Wohnung war, waren die Voraussetzungen einer erleichterten Kündigung nach § 573a Abs. 1 BGB zu keiner Zeit erfüllt. Daher bedurfte die in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum umstrittene Frage, ob es hinsichtlich des Wohnungsbestandes auf den Zeitpunkt des Beginns des Mietverhältnisses oder den Zeitpunkt der Kündigung ankommt, keiner Entscheidung.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. November 2010 – VIII ZR 90/10

  1. AG Friedberg, Urteil vom 07.08.2009 – 2 C 529/09[]
  2. LG Gießen, Urteil vom 24.02.2010 – 1 S 239/09[]
  3. BGH, Urteil vom 25.06.2008 – VIII ZR 307/07[]

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