Die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren hemmt die Verjährung nur, wenn der Schuldner aufgrund der Bezeichnung des Anspruchs im Mahnbescheid erkennen kann, woraus der Gläubiger seinen Anspruch herleitet.

Die im Mahnbescheid nicht hinreichende Individualisierung des Anspruchs kann nachgeholt werden. Die Nachholung der Individualisierung hemmt die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB zwar nicht rückwirkend, aber ab dem Zeitpunkt ihrer Vornahme.
Für die nachträgliche Individualisierung des Anspruchs im Mahnverfahren ist ebenso wie für die Individualisierung im Mahnbescheid ausschließlich auf den Erkenntnishorizont des Schuldners abzustellen. Dementsprechend ist es ohne Bedeutung, ob die Individualisierung des Anspruchs durch an das Gericht gerichteten Schriftsatz oder außerhalb des Gerichtsverfahrens erfolgt.
Nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB hemmt die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren die Verjährung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der auch das Oberlandesgericht Bamberg ausgeht, setzt die Hemmung der Verjährung voraus, dass der im Mahnbescheid bezeichnete Anspruch durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen unterschieden und abgegrenzt werden kann. Der im Mahnbescheid bezeichnete Anspruch muss deshalb einerseits Grundlage eines Vollstreckungstitels sein können und andererseits dem Schuldner die Beurteilung ermöglichen, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will oder nicht. Damit der Schuldner beurteilen kann, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will oder nicht, muss er im Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheids erkennen können, woraus der Gläubiger seinen Anspruch herleitet. Wann dieser Anforderung genüge getan ist, kann nicht allgemein und abstrakt festgelegt werden; vielmehr hängen Art und Umfang der erforderlichen Angaben im Einzelfall von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab1. Maßgeblich für diese Individualisierung der Forderung im Mahnbescheid ist ausschließlich der Erkenntnishorizont des Schuldners2.
Des Weiteren entspricht es der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die im Mahnbescheid nicht hinreichende Individualisierung des Anspruchs des Schuldners nachgeholt werden kann. Die Nachholung der Individualisierung hemmt die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB zwar nicht rückwirkend, aber ab dem Zeitpunkt ihrer Vornahme. War zu diesem Zeitpunkt der mit dem Mahnbescheid geltend gemachte Anspruch noch nicht verjährt, wird mit der Nachholung der Individualisierung während des Mahnverfahrens die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gehemmt. Für die nachträgliche Individualisierung des Anspruchs im Mahnverfahren ist deshalb ebenso wie für die Individualisierung im Mahnbescheid ausschließlich auf den Erkenntnishorizont des Schuldners abzustellen. Dementsprechend ist es ohne Bedeutung, ob die Individualisierung des Anspruchs durch an das Gericht gerichteten Schriftsatz oder außerhalb des Gerichtsverfahrens erfolgt3.
Soweit vertreten wird, diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei zu überprüfen, und zwar insbesondere deshalb, weil die Bestimmung des Streitgegenstandes, der den Umfang der materiellen Rechtskraft eines Vollstreckungstitels definiere, nicht durch ein außergerichtliches Schreiben erfolgen könne, folgt der Bundesgerichtshof dem nicht. Wie ausgeführt setzt die für die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB notwendige Kennzeichnung des Anspruchs neben dessen Individualisierung aus dem Erkenntnishorizont des Schuldners zusätzlich voraus, dass der Anspruch objektiv Grundlage eines Vollstreckungstitels sein kann. Nur letztere Voraussetzung dient der Festlegung des Streitgegenstands.
Auf dieser Grundlage hat das Oberlandesgericht Bamberg im hier entschiedenen Fall zu Unrecht eine Individualisierung des im Mahnbescheid bezeichneten Anspruchs in unverjährter Zeit verneint4. Spätestens mit der Zustellung des Schreibens der anwaltlichen Vertreter der Gläubigerin vom 21.08.2014 am 29.08.2014 konnte der Schuldner erkennen, woraus die Gläubigerin den im Mahnbescheid bezeichneten Anspruch herleitete.
Soweit das Oberlandesgericht Bamberg unter Hinweis auf das Versäumnisurteil des Bundesgerichtshofs vom 19.11.20195 meint, die Individualisierung könne generell nicht mehr verjährungshemmend nachgeholt werden, ist das unzutreffend. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat an der genannten Stelle im Rahmen eines Hinweises zum weiteren Verfahren („Segelanweisung“) auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Bezug genommen, dass die Individualisierung und damit die Hemmung der Verjährung nicht rückwirkend nachgeholt werden kann, da der Gläubiger dem Schuldner in nicht verjährter Zeit seinen Rechtsverfolgungswillen so klar machen muss, dass dieser sich darauf einrichten kann, auch nach Ablauf der (ursprünglichen) Verjährungszeit in Anspruch genommen zu werden6. Diese Begründung ermöglicht gerade die Nachholung der Individualisierung in – wie hier – unverjährter Zeit, indem dem Schuldner der Rechtsverfolgungswille des Gläubigers rechtzeitig verdeutlicht wird.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg konnte daher keinen Bestand haben und war vom Bundesgerichthof aufzuheben. Der Bundesgerichtshof konnte in der Sache nicht selbst entscheiden, da diese nicht zur Endentscheidung reif ist. Die Sache war deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht Bamberg zurückzuverweisen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. Juni 2023 – VII ZR 594/21
- BGH, Beschluss vom 17.06.2020 – VII ZR 111/19 Rn.19 m.w.N., BauR 2020, 1679 = NZBau 2020, 573[↩]
- BGH, Urteil vom 14.07.2022 – VII ZR 255/21 Rn. 27 m.w.N., BauR 2022, 1683 = NZBau 2022, 589[↩]
- BGH, Urteil vom 14.07.2022 – VII ZR 255/21 Rn. 28, BauR 2022, 1683 = NZBau 2022, 589[↩]
- OLG Bamberg, Urteil vom 20.05.2021 – 3 U 392/20[↩]
- BGH, Urteil vom 19.11.2019 – II ZR 233/18 Rn. 34, 36, MDR 2020, 297[↩]
- BGH, Urteil vom 18.06.2015 – III ZR 198/14 Rn. 17 f., BGHZ 206, 41; Urteil vom 13.10.2015 – II ZR 281/14 Rn. 16, NJW 2016, 1083[↩]
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