Mit der Haftung eines Automobilherstellers nach § 826 BGB gegenüber dem Käufer des Fahrzeugs in einem sogenannten Dieselfall, konkret mit der Frage der Deliktszinsen, hatte sich aktuell der Bundesgerichtshof zu befassen:

Dem zugrunde lag ein Fall aus Brandenburg: Der Autokäufer nimmt die beklagte Herstellerin des von ihm am 28.10.2011 von einem Dritten zu einem Kaufpreis von 33.700 € erworbenen Pkw VW Tiguan Sport & Style 2, 0 l TDI 103 KW (140 PS) auf Schadensersatz in Anspruch. In dem Fahrzeug ist ein Dieselmotor der Baureihe EA189 verbaut, dessen Software bewirkte, dass beim Durchfahren des sogenannten Neuen Europäischen Fahrzyklus auf dem Prüfstand ein anderer Betriebsmodus als im normalen Fahrbetrieb aktiv wurde. Im auf dem Prüfstand aktiven Betriebsmodus („Betriebsmodus 1“) kam es aufgrund einer höheren Abgasrückführung zur Verringerung der Stickoxidemissionen, wohingegen die Abgasrückführung im normalen Straßenbetrieb („Betriebsmodus 0“) geringer und die Stickoxidemissionen damit höher waren. Im Februar 2016 wurde der Autokäufer von der Autoherstellerin über das Vorhandensein der dargestellten Software informiert, ließ in der Folgezeit das von der Autoherstellerin diesbezüglich angebotene Software-Update aufspielen und nahm den Verkäufer des Fahrzeugs unter dem Gesichtspunkt eines Mangels der Kaufsache erfolglos gerichtlich in Anspruch. In der Meinung, gegen die Autoherstellerin als Herstellerin des Fahrzeugs einen Anspruch auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung zu haben, hat der Autokäufer die Autoherstellerin mit dieser am 5.04.2018 zugestellter Klage auf Ersatz des Kaufpreises in Höhe von 33.700 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.10.2011 Zugum-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs, Ersatz der Aufwendungen für die erfolglose Inanspruchnahme des Verkäufers, Feststellung, dass sich die Autoherstellerin mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet und Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Anspruch genommen.
Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht hat der Klage insoweit stattgegeben, als es die Autoherstellerin unter Anrechnung von Nutzungsvorteilen zur Zahlung von 20.978, 79 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.01.2018 Zugum-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs und Freistellung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten verurteilt und den Annahmeverzug festgestellt hat; die weitergehende Klage hat es abgewiesen1. Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat das Urteil des Landgerichts auf die Berufung beider Parteien unter Zurückweisung der weitergehenden Berufungen dahingehend abgeändert, dass es die Autoherstellerin zur Zahlung von 17.999, 04 € nebst Zinsen in Höhe von vier Prozent jährlich vom 29.10.2011 bis zum 4.04.2018 sowie weiteren Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.04.2018 Zugum-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs und Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen hat ((Bbg. OLG, Urteil vom 07.07.2020 – 6 U 127/18)). Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat hinsichtlich der im Revisionsverfahren alleine noch streitgegenständlichen Zinsen in Höhe von vier Prozent jährlich aus 17.999, 04 € für die Zeit vom 29.10.2011 bis zum 4.04.2018 im Wesentlichen ausgeführt, der dahingehende Anspruch des Autokäufers folge aus §§ 849, 246 BGB. Die Norm erfasse jeden Sachverlust durch ein Delikt. Auch die freiwillige Zahlung des Kaufpreises durch den Autokäufer sei vom Anwendungsbereich des § 849 BGB gedeckt. Die Entziehung einer Sache im Sinne des § 849 BGB liege nämlich auch dann vor, wenn es sich um jegliche Form von Geld handle und der Geschädigte durch die unerlaubte Handlung bestimmt werde, dieses wegzugeben. Der Anwendung des § 849 BGB stehe dabei nicht entgegen, dass der Fahrzeugerwerber einen möglicherweise gleichwertigen Pkw erhalte.
Mit der vom Brandenburgischen Oberlandesgericht zugelassenen Revision wendet sich die Autoherstellerin gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von (Delikts) Zinsen für die Zeit vom 29.10.2011 bis zum 4.04.2018 und erhielt jetzt vom Bundesgerichtshof Recht:
Die Erwägungen des Brandenburgischen Oberlandesgeridchts halten in Bezug auf den alleine noch streitgegenständlichen Zinsanspruch für die Zeit vom 29.10.2011 bis zum 4.04.2018 revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Nach ständiger, freilich erst nach Erlass des Berufungsurteils ergangener höchstrichterlicher Rechtsprechung können Deliktszinsen nach § 849 BGB nicht verlangt werden, wenn der Geschädigte – wie hier – für die Hingabe seines Geldes im Wege des Leistungsaustauschs eine in tatsächlicher Hinsicht voll nutzbare Gegenleistung erhält; in diesem Fall kompensiert die tatsächliche Nutzbarkeit der Gegenleistung die Nutzungsmöglichkeit des Geldes2.
Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Insbesondere steht dem Autokäufer der ihm vom Brandenburgischen Oberlandesgericht für den Zeitraum vom 29.10.2011 bis zum 4.04.2018 zugesprochene Zinsanspruch nicht aus § 288 Abs. 1 BGB zu. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Brandenburgischen Oberlandesgeridchts hat der Autokäufer von der Autoherstellerin stets die Erstattung des gesamten Kaufpreises in Höhe von 33.700 € verlangt, ohne sich darauf die von ihm gezogenen Nutzungen im Wege des Vorteilsausgleichs anrechnen zu lassen, und die Übergabe und Übereignung des Pkws hiervon abhängig gemacht; Schuldnerverzug scheidet unter diesen Umständen aus3.
Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV oder eine Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs ist, so der Bundesgerichtshof weiter, nicht veranlasst. (Primäres oder sekundäres) Unionsrecht, das trotz fehlenden Verzuges die Verzinsung des Schadensersatzanspruchs des Autokäufers gebieten könnte, ist – auch unter Berücksichtigung des sogenannten „Effektivitätsgrundsatzes“ – nicht ersichtlich („acte claire“).
Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. Oktober 2022 – VI ZR 1034/20
- LG Potsdam, Urteil vom 04.07.2018 – 8 O 55/18[↩]
- BGH, Urteile vom 30.07.2020 – VI ZR 354/19, BGHZ 226, 322 Rn. 17 ff.; – VI ZR 397/19, NJW 2020, 2806 Rn.20 ff.; vom 09.03.2021 – VI ZR 13/20, VersR 2021, 849 Rn. 12; vom 06.07.2021 – VI ZR 1146/20, VersR 2021, 1510 Rn. 11; vom 02.11.2021 – VI ZR 731/20, NJW 2022, 472 Rn. 7; vom 21.12.2021 – VI ZR 455/20, NJW 2022, 1093 Rn. 9; – VI ZR 212/20, VersR 2022, 393 Rn. 11[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 86[↩]