Ein dingliches Vorkaufsrecht kann nicht für mehrere Berechtigte als Gesamtgläubiger im Sinne von § 428 BGB bestellt werden.

Ist ein dingliches Vorkaufsrecht mit einer solchen Gesamtberechtigung im Grundbuch eingetragen, ist in der Regel davon auszugehen, dass das Recht in dem zulässigen Umfang gewollt war und damit entstanden ist. Wurde ein dingliches Vorkaufsrecht mit einer Gesamtberechtigung gemäß § 428 BGB in das Grundbuch eingetragen, ist nur der das Gemeinschaftsverhältnis bezeichnende Teil der Eintragung inhaltlich unzulässig.
Kein Vorkaufsrecht für Gesamtgläubiger[↑]
Ein dinglichen Vorkaufsrecht (§ 1094 BGB) kann nicht wirksam für mehrere Berechtigte als Gesamtgläubiger im Sinne von § 428 BGB bestellt werden. Das ist allerdings streitig.
Nach Auffassung einiger Instanzgerichte1 und einer im Schrifttum verbreiteten Ansicht soll es zulässig sein, ein dingliches Vorkaufsrecht mit einer Gesamtberechtigung gemäß § 428 BGB zu bestellen2. Die Rechtsfolgen eines Vorkaufsrechts „jedes Berechtigten für sich“3 sollen darin bestehen, dass mit dessen Ausübung nur ein Kaufverhältnis (§ 1098 Abs. 1 Satz 1, § 464 Abs. 2 BGB) zwischen dem Vorkaufsverpflichteten und einem der Gesamtberechtigten entsteht4. Werde das Vorkaufsrecht mehrfach durch die Berechtigten – jeweils für sich – ausgeübt, soll der durch die Ausübung des Vorkaufsrechts begründete Kaufvertrag allein zwischen dem zuerst das Vorkaufsrecht ausübenden Berechtigten und dem Vorkaufsverpflichteten zustande kommen5. Teilweise wird demgegenüber angenommen, aus der mehrfachen Vorkaufsrechtsausübung entstünden mehrere Auflassungsansprüche; erst die Erfüllung eines dieser Ansprüche gegenüber einem der Gesamtberechtigten wirke für den Vorkaufsverpflichteten schuldbefreiend6.
Nach anderer Auffassung ist die Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts für mehrere Berechtigte mit einer Gesamtberechtigung gemäß § 428 BGB nicht zulässig7. Begründet wird das u.a. damit, dass mit dem Vorkaufsrecht für mehrere Berechtigte in § 472 Satz 1 BGB ein einheitliches Recht gemeint sei, das die Berechtigten – wie das Recht zur Forderung einer unteilbaren Leistung im Sinne des § 432 Abs. 1 Satz 1 BGB – nur gemeinschaftlich ausüben könnten, was sich mit einer Berechtigung im Sinne des § 428 BGB nicht vertrage. Wenn mehrere Personen unabhängig voneinander zum Vorkauf berechtigt sein sollten, läge kein Fall des § 472 BGB vor. Sollten mehrere selbständige Vorkaufsrechte nebeneinander bestehen, müssten diese auch so bestellt und getrennt voneinander eingetragen werden8. Teilweise wird darauf abgestellt, dass es mit § 472 BGB nicht vereinbar sei, wenn der Grundstückseigentümer als Vorkaufsverpflichteter nach § 428 BGB auswählen könne, an welchen der Vorkaufsberechtigten er leiste9.
Die besseren Gründe sprechen für die letztgenannte Auffassung. Ein dingliches Vorkaufsrecht kann nicht für mehrere Berechtigte als Gesamtgläubiger im Sinne von § 428 BGB bestellt werden.
Das dingliche Vorkaufsrecht nach § 1094 BGB ist ein eigenständiges Sachenrecht und von einem durch eine Vormerkung gesicherten schuldrechtlichen Vorkaufsrecht zu unterscheiden10. Sein Inhalt bestimmt sich aufgrund der Verweisung in § 1098 Abs. 1 Satz 1 BGB nach den Vorschriften des schuldrechtlichen Vorkaufsrechts (§§ 463 bis 473 BGB). Diese sind bei dem dinglichen Vorkaufsrecht grundsätzlich zwingend11.
Eine Gesamtberechtigung mehrerer Vorkaufsberechtigter nach § 428 BGB stellt eine unzulässige Abweichung von § 472 BGB dar. Nach dieser Vorschrift haben die Vorkaufsberechtigten das Vorkaufsrecht nicht nur im Ganzen, sondern auch gemeinschaftlich auszuüben. Zwischen mehreren Vorkaufsberechtigten besteht eine besondere, durch § 472 Satz 2 BGB näher ausgestaltete gesamthandartige Berechtigung. Nur wenn das Recht der anderen Berechtigten erloschen ist oder nicht ausgeübt wird, ist der verbleibende Berechtigte berechtigt, das Vorkaufsrecht allein auszuüben; ansonsten hat die Ausübung gemeinschaftlich zu erfolgen12. Bei einer Berechtigung im Sinne des § 428 BGB könnte dagegen jeder Vorkaufsberechtigte ohne Rücksicht auf die Berechtigung des anderen das Vorkaufsrecht im Ganzen für sich allein ausüben. Das widerspricht der in § 472 BGB bestimmten gemeinschaftlichen Berechtigung und ist daher unwirksam13.
Gegen die Zulässigkeit einer Gesamtberechtigung nach § 428 BGB spricht zudem, dass bei mehrfacher Ausübung des Vorkaufsrechts durch einzelne Berechtigte mehrere Kaufverträge entstünden. Denn durch jede Erklärung käme nach § 464 Abs. 2 BGB ein Kauf zwischen dem das Vorkaufsrecht ausübenden Berechtigen und dem Verpflichteten zustande. Erfüllen könnte der Verpflichtete aber nur einen der Verträge.
Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass die erste Ausübung des Vorkaufsrechts durch einen der Berechtigten die anderen Vorkaufsrechte zum Erlöschen bringe14. Das Prioritätsprinzip gilt bei einer Gesamtgläubigerschaft nach § 428 BGB gerade nicht. Sie ist vielmehr dadurch gekennzeichnet, dass jedem Gesamtgläubiger ein eigener Anspruch auf die ganze Leistung zusteht15, der Schuldner jedoch nach seinem Belieben ohne Rücksicht auf das Verhältnis der Gesamtgläubiger untereinander an einen jeden von ihnen mit schuldbefreiender Wirkung leisten kann16. Davon abgesehen, erwiese sich das Prioritätsprinzip, etwa bei einem Zugang der Ausübungserklärungen am selben Tage mit gleicher Post, häufig als nicht durchführbar.
Keine Löschung des für Gesamtgläubiger eingetragenen Vorkaufsrechts[↑]
Das Vorkaufsrecht ist nicht deshalb zu löschen, weil es nicht mit einer Gesamtberechtigung nach § 428 BGB hätte eingetragen werden dürfen.
Die Voraussetzungen für eine Löschung wegen inhaltlicher Unzulässigkeit gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO liegen nicht vor.
Wurde ein dingliches Vorkaufsrecht mit einer Gesamtberechtigung gemäß § 428 BGB in das Grundbuch eingetragen, ist nur der das Gemeinschaftsverhältnis bezeichnende Teil der Eintragung inhaltlich unzulässig. Durch die inhaltliche Unzulässigkeit eines Teiles der Grundbucheintragung wird die Zulässigkeit und Wirksamkeit der restlichen Eintragung nicht berührt, wenn diese für sich den wesentlichen Erfordernissen genügt17. Das ist hier der Fall, weil sich der Inhalt des dinglichen Vorkaufsrechts auf Grund der Verweisung in § 1098 Abs. 1 Satz 1 BGB unmittelbar aus § 472 BGB ergibt und es daher keiner Eintragung der gemeinschaftlichen Berechtigung nach § 47 Abs. 1 GBO bedarf18.
Auch eine Löschung gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 GBO wegen nachgewiesener Unrichtigkeit des Grundbuchs scheidet aus.
Allerdings liegt eine Divergenz zwischen dem bewilligten Vorkaufsrecht mit einer Gesamtberechtigung nach § 428 BGB und dem vor, was zulässigerweise in das Grundbuch eingetragen werden und entstehen konnte. Ein Vorkaufsrecht mit einer (nur) gemeinschaftliche Berechtigung im Sinne des § 472 BGB bleibt in Bezug auf die Berechtigung zu seiner Ausübung hinter dem Gewollten zurück. Liegt eine solche partielle Inkongruenz zwischen der Einigung und der Eintragung vor, ist anhand von § 139 BGB zu ermitteln, ob die Rechtsänderung, auch so wie sie eingetragen ist, von der Einigung gedeckt ist. In der Regel ist allerdings davon auszugehen, dass sich die Einigung auch auf die hinter ihr zurückbleibende Eintragung erstreckt19.
So verhält es sich auch hier. Ist ein dingliches Vorkaufsrecht mit einer Gesamtberechtigung nach § 428 BGB im Grundbuch eingetragen, ist in der Regel davon auszugehen, dass das Recht mit dem zulässigen Inhalt gewollt war und damit entstanden ist. Denn ein Vorkaufsrecht mit einer gemeinschaftlichen Berechtigung im Sinne des § 472 BGB bleibt in seinen Wirkungen nicht wesentlich hinter dem bewilligten zurück. Der Kern des Rechts besteht in der Möglichkeit, das Grundstück zu erwerben, wenn es an einen Dritten verkauft wird; er wird nicht dadurch verändert, dass die Vorkaufsberechtigten es grundsätzlich gemeinschaftlich ausüben müssen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13. Oktober 2016 – V ZB 98/15
- OLG Frankfurt, DNotZ 1986, 239; OLG Stuttgart, NJW-RR 2009, 952; LG Köln, MittRhNotK 1977, 192[↩]
- so Erman/L. Böttcher, BGB, 14. Aufl., § 428 Rn. 15; Hertel in Lambert-Lang/Tropf/Frenz, Handbuch der Grundstückspraxis, 2. Aufl., Teil 2 Rn. 505; Demharter, MittBayNot 1998, 16, 17; MünchKomm-BGB/Westermann, 7. Aufl., § 1094 Rn. 8; Palandt/Herrler, BGB, 76. Aufl., § 1094 Rn. 3; Reetz in Hügel, GBO, 3. Aufl., § 47 Rn. 6 und in NK-BGB, 4. Aufl., § 1094 Rn. 29; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 1406; Staudinger/Looschelders, BGB [2012], § 428 Rn. 119; Wegmann in Bauer/v. Oefele, GBO, 3. Aufl., § 47 Rn. 108 und in BeckOK-BGB, 39. Edition, § 1094 Rn. 11[↩]
- MünchKomm-BGB/Westermann, aaO[↩]
- Wegmann in Bauer/v. Oefele, GBO, aaO[↩]
- OLG Stuttgart, NJW-RR 2009, 952, 953 unter Bezugnahme auf Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 513 Rn. 4; ebenso Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, S. 253[↩]
- Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, aaO[↩]
- R. Böttcher, RpflStud 2011, 208, 210; ders. in Lemke, Immobilienrecht, 2. Aufl., § 47 Rn.19; Haegele, BWNotZ 1969, 117, 130; KEHE/Keller, Grundbuchrecht, 7. Aufl., § 47 GBO Rn. 12, 13; RGRK-BGB/Rothe, 12. Aufl., § 1094 Rn. 9[↩]
- vgl. KG, DNotZ 1929, 736; Planck/Strecker, BGB, 5. Aufl., § 1098 Anm. 2k; RGRK-BGB/Rothe, 12. Aufl., aaO; Weber, DNotZ 1953, 264, 265; KEHE/Keller, aaO; zu den Voraussetzungen für eine Bestellung selbständiger, ranggleicher Vorkaufsrechte: BGH, Urteil vom 11.07.2014 – V ZR 18/13, BGHZ 202, 77 Rn. 22 mwN[↩]
- R. Böttcher, RpflStud 2011, 208, 210; ders. in Lemke, Immobilienrecht, 2. Aufl., § 47 Rn.19[↩]
- BGH, Urteil vom 22.05.1970 – V ZR 80/69, WM 1970, 1024, 1025; Urteil vom 22.11.2013 – V ZR 161/12, NJW 2014, 622 Rn. 10[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 23.04.1954 – V ZR 145/52, BGHZ 13, 133, 139; Urteil vom 28.06.1968 – V ZR 129/67, WM 1968, 1087, 1088; Staudinger/Schermaier, BGB [2017], § 1098 Rn. 5; MünchKomm-BGB/Westermann, 7. Aufl., § 1098 Rn. 1; Erman/Grziwotz, BGB, 14. Aufl., § 1098 Rn. 1[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 11.09.1997 – V ZB 11/97, BGHZ 136, 327, 330 [zu § 513 BGB aF]; Urteil vom 13.03.2009 – V ZR 157/08, NJW-RR 2009, 1172 Rn. 22; Soergel/Wertenbruch, BGB, 13. Aufl., § 472 Rn. 1[↩]
- BGH, Urteil vom 13.03.2009 – V ZR 157/08, aaO; Erman/Grunewald, BGB, 14. Aufl., § 472 Rn. 1[↩]
- so aber Bauer/v. Oefele/Wegmann, GBO, 3. Aufl., § 47 Rn. 108; Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, S. 252; Staudinger/Looschelders, BGB [2012], § 428 Rn. 119[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 04.03.1959 – V ZR 181/57, BGHZ 29, 363, 364 f.; Beschluss vom 21. De- zember 1966 – V ZB 24/66, BGHZ 46, 253, 257; Beschluss vom 03.05.2012 – V ZB 112/11, FamRZ 2012, 1213 Rn. 13[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 13.07.1972 – III ZR 107/69, BGHZ 59, 187, 191; Urteil vom 11.07.1979 – VIII ZR 215/78, NJW 1979, 2038, 2039[↩]
- BGH, Urteil vom 20.05.1966 – V ZR 182/63, NJW 1966, 1656, 1657; Urteil vom 28.06.1968 – V ZR 129/67, WM 1968, 1087, 1088; Demharter, GBO, 30. Aufl., § 53 Rn. 58; Meikel/Schneider, GBO, 11. Aufl., § 53 Rn. 352[↩]
- BayObLGZ 1958, 196, 203; KG, DNotZ 1929, 736, 737[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 06.11.2014 – V ZB 131/13, NJW-RR 2015, 208 Rn. 26 mwN[↩]