Die zur Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts gemäß § 873 BGB erforderliche Einigung muss, anders als das Verpflichtungsgeschäft, nicht notariell beurkundet werden. Der Bundesgerichtshof hat damit seine bisherige entgegenstehende Rechtsprechung1 aufgegeben.

Das dingliche Vorkaufsrecht im Sinne von § 1094 BGB ist ein eigenständiges Sachenrecht2. Es entsteht gemäß § 873 BGB durch Einigung und Eintragung in das Grundbuch. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Dass die Einigung nicht notariell beurkundet worden ist, ist unschädlich.
Der notariellen Beurkundung bedarf gemäß dem im hier entschiedenen (Alt)Fall noch anwendbaren § 313 Satz 1 BGB aF (nunmehr § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB) ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben. Nach allgemeiner Ansicht erfasst dies auch die schuldrechtliche Vereinbarung über die Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts, da hierdurch zugleich die Verpflichtung begründet wird, das Eigentum an dem Grundstück unter bestimmten Umständen an den Vertragspartner zu übertragen3. Wird ein Vertrag, der eine solche Verpflichtung begründet, nicht notariell beurkundet, ist er gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig. In analoger Anwendung von § 313 Satz 2 BGB aF (nunmehr § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB) kann der Formmangel jedoch durch Einigung und Eintragung des dinglichen Vorkaufsrechts in das Grundbuch geheilt werden4.
Uneinheitlich wird die Frage beurteilt, ob auch die dingliche Einigung über die Belastung eines Grundstücks mit einem Vorkaufsrecht gemäß § 1094 BGB notariell beurkundet werden muss. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in einem Urteil vom 07.11.19905 ohne nähere Begründung die Auffassung vertreten, die Formvorschrift des § 313 Satz 1 BGB aF erstrecke sich auf eine solche Einigung. Dem haben sich Rechtsprechung6 und Literatur teilweise angeschlossen7. Überwiegend wird die Einigung jedoch im Anschluss an die Rechtsprechung des Reichsgerichts als formfrei angesehen8.
Richtigerweise muss die gemäß § 873 BGB zur Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts erforderliche Einigung, anders als das darauf bezogene Verpflichtungsgeschäft, nicht notariell beurkundet werden. Soweit der XII. Zivilsenat dies in seinem Urteil vom 07.11.19905 anders gesehen hat, hat er auf Nachfrage mitgeteilt, hieran nicht festzuhalten.
Im Ausgangspunkt ist nach dem Grundsatz der Formfreiheit davon auszugehen, dass eine besondere Form nur dann eingehalten werden muss, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorschreibt. Eine solche Bestimmung enthält das Gesetz für die Einigung gemäß § 873 BGB nicht9. Nur grundbuchrechtlich soll die für die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderliche Eintragungsbewilligung durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden (§ 29 Abs. 1 Satz 1 GBO).
Aus § 313 Satz 1 BGB aF bzw. § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB lässt sich ein auf das Erfüllungsgeschäft bezogenes Formerfordernis nicht herleiten.
Die Vorschrift regelt nach Wortlaut und systematischer Stellung nur das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft. Ihre analoge Anwendung scheidet schon in Ermangelung einer planwidrigen Regelungslücke aus10, weil das Erfüllungsgeschäft nach dem das deutsche Recht beherrschenden Trennungsprinzip bewusst eigenen Regeln unterworfen wird. Das Argument, die dingliche Einigung enthalte zugleich die obligatorische Verpflichtung zu der späteren Eigentumsübertragung, hat bereits das Reichsgericht mit der zutreffenden Überlegung verworfen, dass die Einigung – anders als das Verpflichtungsgeschäft – nur auf die Entstehung des dinglichen Rechtsverhältnisses (also des Vorkaufsrechts) gerichtet sei11. Da der Inhalt der Einigung sich im Einigsein über die vereinbarte dingliche Rechtsänderung erschöpft, fehlt ihr jede verpflichtende Wirkung zu einem Tun oder Unterlassen12.
Die Formbedürftigkeit der Einigung widerspräche zudem der in § 925 Abs. 1 BGB enthaltenen Regelung für die Auflassung, die als Einigung im Sinne von § 873 BGB auf die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück gerichtet ist. Da selbst die Auflassung nicht notariell beurkundet, sondern (nur) vor der zuständigen Stelle erklärt werden muss13, gilt dies erst recht für eine Einigung im Sinne von § 873 BGB, die nicht § 925 BGB unterfällt.
Unvereinbar wäre die Formbedürftigkeit schließlich mit der in § 313 Satz 2 BGB aF bzw. § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB vorgesehenen Heilung des formunwirksamen Verpflichtungsgeschäfts. Hierzu käme es nur unter besonderen Umständen, wenn auch die Einigung der notariellen Beurkundung bedürfte. Der Zweck der Heilungsvorschrift, das bislang unwirksame Kausalgeschäft aufgrund der Erfüllung seinem ganzen Inhalt nach wirksam werden zu lassen14, würde verfehlt, wenn die Verfügung denselben Formanforderungen wie das Verpflichtungsgeschäft unterworfen würde und dessen Erfüllung infolgedessen nicht eintreten könnte.
Im vorliegenden Fall konnte der Bundesgerichtshof freilich die Unwirksamkeit des Vorkaufsrechts gemäß § 2113 Abs. 1 BGB offen lassen; ob diese Verfügungsbeschränkung auch für einen Testamentsvollstrecker gilt, der nur für die Vorerbschaft eingesetzt ist, ist zwar streitig15, aber nicht entscheidungserheblich, da die Berechtigten das Vorkaufsrecht gemäß § 2368 Abs. 3 aF BGB (nunmehr § 2368 Satz 2 BGB) i.V.m. § 2366 BGB jedenfalls gutgläubig erworben haben, da eine solche Beschränkung der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers weder aus dem Testamentsvollstreckerzeugnis (vgl. § 2368 Abs. 1 Satz 2 BGB aF, nunmehr § 354 Abs. 2 FamFG) noch aus dem Grundbuch hervorging.
Der Bundesgerichtshof wollte die Bestellung des Vorkaufsrechts auch nicht als unwirksame unentgeltliche Verfügung im Sinne von § 2205 Satz 3 BGB ansehen.
Schließlich verneint der Bundesgerichtshof einen Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung. Der für die Bestellung des dinglichen Vorkaufsrechts erforderliche Rechtsgrund liegt in der darauf bezogenen schuldrechtlichen Vereinbarung. Zwar war der Kaufvertrag aufgrund der nicht beurkundeten Nebenabreden gemäß § 139 BGB zunächst insgesamt formunwirksam; dieser Mangel ist jedoch durch die erfolgte Einigung und den Vollzug der Abreden in den jeweiligen Grundbüchern gemäß § 313 Satz 2 BGB aF geheilt worden.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. April 2016 – V ZR 73/15
- siehe hierzu BGH, Urteil vom 07.11.1990 – XII ZR 11/89, NJW-RR 1991, 205, 206[↩]
- BGH, Urteil vom 22.11.2013 – V ZR 161/12, NJW 2014, 622 Rn.10[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 17.05.1967 – V ZR 96/64, DNotZ 1968, 93; RGZ 72, 385, 392 f.; 110, 327, 333; 148, 105, 108 f.; Staudinger/R. Schumacher, BGB [2012], § 311b Abs. 1 Rn. 24[↩]
- BGH, Urteil vom 17.05.1967 – V ZR 96/64, DNotZ 1968, 93 f.[↩]
- BGH, Urteil vom 07.11.1990 – XII ZR 11/89, NJW-RR 1991, 205, 206[↩][↩]
- OLG Rostock, OLGR 2000, 245, 246 f.[↩]
- vgl. MünchKomm-BGB/Kanzleiter, 7. Aufl., § 311b Rn. 34 Fn. 100; Erman/Grziwotz, BGB, 14. Aufl., § 1094 Rn. 5; BeckOGK/Omlor BGB [Stand 8.01.2016], § 1094 Rn. 50[↩]
- RGZ 110, 327, 335; 125, 261, 262 f.; Staudinger/R. Schumacher, BGB [2012], § 311b Rn. 24; Staudinger/Gursky, BGB [2012], § 873 Rn. 50; Staudinger/Schermaier, BGB [2009], § 1094 Rn. 23; MünchKomm-BGB/Westermann, 7. Aufl., § 1094 Rn. 7; NK-BGB-Reetz, 3. Aufl., § 1094 Rn. 36; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 1094 Rn. 7; Palandt/Bassenge, BGB, 75. Aufl., § 1094 Rn. 5[↩]
- vgl. Staudinger/Gursky, BGB [2012], § 873 Rn. 50[↩]
- unzutreffend daher BeckOGK/Omlor BGB [Stand 8.01.2016], § 1094 Rn. 50.1[↩]
- RGZ 125, 261, 262 f.[↩]
- vgl. Mot. III 172; Staudinger/Gursky, BGB [2012], § 873 Rn. 59[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 05.12 1956 – V ZR 61/56, BGHZ 22, 312, 315 ff.; Urteil vom 25.10.1991 – V ZR 196/90, NJW 1992, 1101, 1102; RGZ 99, 65, 67 ff.; 132, 406, 408[↩]
- vgl. hierzu eingehend BGH, Urteil vom 08.10.2004 – V ZR 178/03, BGHZ 160, 368, 372 f.[↩]
- vgl. hierzu Palandt/Weidlich, BGB, 75. Aufl., § 2205 Rn. 24 mwN[↩]