Ist das später angerufene Gericht nach Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen [1] ausschließlich zuständig, darf es das Verfahren nicht nach Art. 27 Abs. 1 EuGVVO aussetzen [2].

Mit Beschluss vom 18.09.2013 [3] hat der Bundesgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob Art. 27 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen [4] dahin auszulegen ist, dass das später angerufene Gericht, das nach Art. 22 Nr. 1 EuGVVO ausschließlich zuständig ist, gleichwohl das Verfahren aussetzen muss, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts, zu dessen Gunsten keine ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 22 EuGVVO besteht, abschließend geklärt ist. Nachdem der Unionsgerichtshof diese Frage in einem anderen Verfahren verneint hat [5], hat der Bundesgerichtshof sein Vorabentscheidungsersuchen nicht aufrechterhalten.
Der Begriff „desselben Anspruchs“ ist im Rahmen der EuGVVO autonom und weit auszulegen, um einander widersprechende Urteile i.S.v. Art. 34 Nr. 3 EuGVVO zu vermeiden. Maßgeblich ist, ob der Kernpunkt beider Streitigkeiten derselbe ist [6].
So liegt es auch im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall: Die Klage in Italien richtet sich unter anderem auf die Feststellung, dass keine Verpflichtung zur Duldung der Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld bestehe. Mit der vorliegenden Klage soll eben diese Duldung erreicht werden. Dass es im italienischen Verfahren noch um weitere Feststellungen geht, ist für die Identität des Streitgegenstands unerheblich. Kernpunkt ist jeweils die Frage, ob die Klägerin aus der Grundschuld vorgehen darf; jedenfalls ist der Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits vollständig vom italienischen Verfahren abgedeckt. Im Übrigen beschränkt sich der Gegenstand der Klage in Italien nicht auf die Einbeziehung der SRL.
Die Identität der Prozeßparteien ist unabhängig von der jeweiligen Parteistellung. Zudem ist es unschädlich, wenn in einem Verfahren zusätzlich Dritte beteiligt sind. Das hat lediglich zur Folge, dass sich die Rechtsfolgen des Art. 27 EuGVVO auf diejenigen Parteien beschränken, zwischen denen mehrere Verfahren anhängig sind [7].
Schließlich kann von einer Aussetzung nach Art. 27 Abs. 1 EuGVVO grundsätzlich nicht unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs abgesehen werden [8].
Dies gilt jedoch dann nicht, wenn das später angerufene Gericht nach Art. 22 Nr. 1 EuGVVO ausschließlich zuständig ist [9].
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13. August 2014 – V ZB 163/12
- ABl. EG 2001 Nr. L 12/1 – EuGVVO[↩]
- Umsetzung von EuGH, Urteil vom 03.04.2014 – C438/12 – Weber, Rn. 54 ff.[↩]
- BGH, Beschluss vom 18.09.2013 – V ZB 163/12, WM 2013, 2160 ff.[↩]
- ABl. EG 2001 Nr. L 12/1[↩]
- EuGH, Urteil vom 03.04.2014 – C438/12 [Weber], NJW 2014, 1871 ff.[↩]
- vgl. nur EuGH, 144/86 Gubisch, Slg 1987, 4861 = NJW 1989, 665 Rn. 11, 16, 18 f.; BGH, Beschluss vom 18.09.2013 – V ZB 163/12, WM 2013, 2160 Rn. 7 mwN[↩]
- vgl. EuGH, C406/92 Tatry, Slg 1994, I5439 = ZIP 1995, 943 Rn. 31, 33; BGH, Beschluss vom 18.09.2013 – V ZB 163/12, aaO, Rn. 9[↩]
- BGH, Beschluss vom 18.09.2013 – V ZB 163/12, aaO, Rn. 11 mwN; vgl. auch EuGH, Urteil vom 03.04.2014 – C438/12 Weber, Rn. 59 f.[↩]
- EuGH, Urteil vom 03.04.2014 – C438/12 Weber, Rn. 54 ff.[↩]