Halter von Elektrokleinstfahrzeugen (sog. E-Scooter) trifft nach Ansicht des Amtsgerichts Frankfurt am Main keine Verpflichtung zur verschuldensunabhängigen Haftung nach § 7 StVG.

In dem hier entschiedenen Fall nahm der Geschädigte die Haftpflichtversicherung des Halters eines sogenannten E-Scooters anlässlich der Beschädigung seines im öffentlichen Raum abgestellten Kraftfahrzeugs in Anspruch, nachdem der für die Beschädigung verantwortliche Schädiger nicht hat ermittelt werden können. Nach der vom Geschädigten vertretenen Ansicht sei die Anwendung der für die Kraftfahrzeughalter geltenden verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung in entsprechender Heranziehung von § 7 StVG geboten. Beim E-Scooter handle es sich trotz seiner Geschwindigkeitsbegrenzung um ein besonders verkehrsgefährdendes Fahrzeug. Es sei insoweit unbillig, den Geschädigten ausschließlich auf die Inanspruchnahme des Schädigers zu verweisen.
Das Amtsgericht Frankfurt am Main lehnte jedoch die analoge Anwendung der Gefährdungshaftung nach § 7 StVG ab. Eine derartige Haftung sei nach dem Wortlaut von § 8 Nr. 1 StVG ausdrücklich ausgeschlossen, nachdem es sich beim E-Scooter um ein Kraftfahrzeug handelt, das auf ebener Strecke mit keiner höheren Geschwindigkeit als 20 km/h fahren kann (Elektrokleinstfahrzeug im Sinne von § 1 eKFV – Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr). Diese Privilegierung sei dem Gesetzgeber bei der Verabschiedung der eKFV bekannt gewesen, ohne dass der Gesetzgeber am Haftungsausschluss habe etwas ändern wollte.
Der Geschädigte hat keinen Anspruch auf Zahlung von EUR 2.915, 38 gegen die Haftpflichtversicherung. Ein Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 und S. 4 VVG.
Eine Haftung aus § 7 Abs. StVG ist hier gemäß § 8 Nr. 1 StVG ausgeschlossen.
Nach § 8 Nr. 1 StVG ist die in § 7 Abs. 1 StVG normierte verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung dann ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein Kraftfahrzeug verursacht wurde, das auf ebener Strecke mit keiner höheren Geschwindigkeit als 20 km/h fahren kann. Grundsätzlich hat der Halter, der sich auf diese Ausnahmevorschrift beruft, hat den Tatbestand des § 8 StVG zu beweisen1. Er muss darlegen und beweisen, dass das Kraftfahrzeug zum Unfallzeitpunkt nicht mehr als 20 km/h fahren konnte.
Hier ist jedoch unstreitig, dass der bei der Haftpflichtversicherung haftpflichtversicherte E-Scooter nicht mehr als 20 km/h fahren kann.
Der E-Scooter verfügte über eine Zulassung nach der Elektrokleinstfahrzeug-Verordnung (eKFV), die zum Zeitpunkt des Unfallereignisses auch bereits in Kraft und somit anwendbar war. Gemäß § 1 eKFV sind Elektrokleinstfahrzeuge im Sinne der Verordnung, Kraftfahrzeuge mit elektrischem Antrieb und einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht weniger als 6 km/h und nicht mehr als 20 km/h2.
Der eindeutige Wortlaut des § 8 Nr. 1 StVG steht einer verschuldensunabhängigen Haftung entgegen3.
Die Vorschrift des § 8 StVG war dem Gesetzgeber bei Verabschiedung der eKFV bereits bekannt und hätte bei Bedarf bereits zu diesem Zeitpunkt eine Änderung hätte vornehmen können. Insbesondere ist die Regelung, obwohl von derartigen Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr heute eher größere als geringere Gefahren ausgehen4, durch das 2. SchadÄndG nicht aufgehoben oder geändert worden.
Der Geschädigte hat aus demselben Grund auch keinen Anspruch aus § 18 I StVG. Auch insoweit steht § 8 Nr. 1 StVG einer Haftung entgegen5. Zumal in der vorliegenden Konstellation niemand den E-Scooter zum Zeitpunkt des Unfalls gefahren hat.
Ein Anspruch des Geschädigten folgt schließlich nicht aus § 823 Abs. 1 BGB. Voraussetzung dafür wäre, dass das Unfallereignis zumindest teilweise auf ein mindestens fahrlässiges Verhalten des Fahrers zurückzuführen wäre. Dies scheidet bei einer alleinigen Geltendmachung gegenüber der Haftpflichtversicherung aus.
Amtsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 22. April 2021 – 29 C 2811/20 (44)
- BGHZ 136, 69 = NZV 1997, 390[↩]
- Jahnke in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl.2020, § 1 eKFV Rn. 10, 11[↩]
- Vgl. LG Münster vom 09.03.2020 – 8 O 272/19[↩]
- Medicus DAR 2000, 442; Greger/Zwickel, HaftungsR § 19 Rn. 4[↩]
- vgl. BGH NJW 1997, 2517[↩]
Bildnachweis:
- E-Scooter: icsilviu