Öffnet der Fahrer eines am rechten Fahrbahnrand geparkten Fahrzeugs unachtsam die Autotür in den Verkehrsraum des fließenden Verkehrs hinein, dann begründet das ein erhebliches Verschulden, hinter dem die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs im fließenden Verkehr regelmäßig zurücktritt.

ach § 17 Abs. 1 StVG hängt bei einer Schadensverursachung durch mehrere Kraftfahrzeuge die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Fahrzeug verursacht worden ist. Diese Abwägung ergibt hier, dass die Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs den Unfall so überwiegend fahrlässig verursacht hat, dass im Verhältnis dazu die Betriebsgefahr des Fahrzeuges des Beklagten Ziff.1 kein anspruchsminderndes Eigengewicht hat.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs tritt die einfache Betriebsgefahr regelmäßig hinter einem erheblichen Verschulden der Gegenseite zurück1. Gerade bei dem plötzlichen Öffnen der Fahrertür eines parkenden Pkws unter Verstoß gegen § 14 StVO ist nach ganz herrschender Ansicht, welcher das Landgericht folgt, von einem solchen schweren Verschulden auszugehen, weil das Fließen des Verkehrs nur dann gewährleistet ist, wenn sich die mit angemessener Geschwindigkeit und regelgerechtem Abstand Vorbeifahrenden darauf verlassen können, dass nicht unerwartet eine Fahrzeugtür in den Fahrbereich hinein geöffnet wird2.
Im vorliegenden Fall liegt auch keine erhöhte Betriebsgefahr vor, welche ausnahmsweise nicht zurücktreten würde. Darauf, dass an der Unfallstelle regelmäßig und auch zum Unfallzeitpunkt starker Parksuchverkehr geherrscht habe, kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen. Denn aus diesem Vortrag würde sich auch dann, wenn er unstreitig wäre, weder ein vermindertes Verschulden der Klägerseite noch eine erhöhte Betriebsgefahr auf der Beklagtenseite ergeben. Auch bei regem Parksuchverkehr muss ein Aussteigender mit großer Vorsicht vorgehen und ein Fahrender darf sich darauf verlassen, dass nicht unvermittelt eine Türe geöffnet wird.
Dass der Vorbeifahrende anhand eines aufleuchtenden Innen- oder Kontrolllichts an der Tür des parkenden Pkws die Absicht der Fahrerin des parkenden Fahrzeugs vorab hätte erkennen können, ist vorliegend gerade nicht festgestellt, weswegen auch insoweit die Betriebsgefahr nicht erhöht ist. Und schließlich führte auch der Umstand – wenn er denn tatsächlich so gegeben gewesen wäre, dass sich die Beifahrerin auf dem Gehweg neben dem klägerischen Fahrzeug befand, nicht zu einem anderen Ergebnis. Zum einen steht schon gar nicht fest, ob der Vorbeifahrende diese Beifahrerin in der herrschenden Dunkelheit sehen konnte und gesehen hat. Zum anderen ist das Landgericht Stuttgart der Ansicht, dass Personen auf dem Gehweg vorbeifahrenden Fahrzeugen keinen Anlass geben, einen größeren Abstand als 0, 5 m zu parkenden Fahrzeugen einzuhalten oder besonders langsam (deutlich unter 30 km/h) zu fahren. Personen auf dem Gehweg sind ein ständiges und keineswegs zu besonderer Vorsicht Anlass gebendes Phänomen. Eine Vermutung, dass Personen auf dem Gehweg bedeuten, dass demnächst jemand aus dem Fahrzeug steigen werde, neben dem sie sich befinden, gibt es nicht.
Landgericht Stuttgart, Urteil vom 22. April 2015 – 13 S 172/14
- vgl. BGH Urteil vom 27.05.2014 – VI ZR 279/13[↩]
- vgl. beispielhaft LG Saarbrücken Beschluss vom 28.01.2010 – 13 S 228/09; KG Beschluss vom 06.03.2008 – 12 U 59/07; LG Limburg Urteil vom 09.10.2009 – 4 O 341/08; OLG Hamburg Beschluss vom 11.06.2004 – 14 U 35/04; OLG Stuttgart Urteil vom 07. 04.2010 – 3 U 216/09[↩]