Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters – und kein Beschwerderecht des Insolvenzverwalters

Beschließt die Gläubigerversammlung, dass ein Sonderinsolvenzverwalter zur Prüfung und Durchsetzung eines Anspruchs gegen den Insolvenzverwalter eingesetzt werden soll, ist der Insolvenzverwalter nicht berechtigt, die Aufhebung dieses Beschlusses zu beantragen.

Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters – und kein Beschwerderecht des Insolvenzverwalters

Nach § 78 Abs. 1 InsO ist neben absonderungsberechtigten Gläubigern und nicht nachrangigen Insolvenzgläubigern auch der Insolvenzverwalter berechtigt, noch in der Gläubigerversammlung die Aufhebung eines Beschlusses derselben zu beantragen. Auf einen solchen Antrag hat das Insolvenzgericht den Beschluss aufzuheben, wenn der Beschluss dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger widerspricht. Der Anwendungsbereich dieser Regelung ist im Wege der teleologischen Reduktion dahin zu beschränken, dass das Antragsrecht des Insolvenzverwalters entfällt, wenn der Beschluss der Gläubigerversammlung darauf gerichtet ist, einen Sonderinsolvenzverwalter einzusetzen mit der Aufgabe, einen Anspruch der Gläubiger gegen den Insolvenzverwalter auf Ersatz eines Gesamtschadens zu prüfen und gegebenenfalls durchzusetzen.

Die teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs einer Norm setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus1.

Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters ist in der Insolvenzordnung nicht geregelt. Der Gesetzgeber verzichtete im Gesetzgebungsverfahren auf eine zunächst vorgesehene diesbezügliche Bestimmung (§ 77 RegE-InsO), weil die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung für möglich erachtet wurde2. Damit hat der Gesetzgeber die nähere Bestimmung der Voraussetzungen und des Verfahrens der Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters sowie seiner Rechtsstellung der Rechtsprechung überlassen. Ungeregelt blieb auch, inwieweit die allgemeinen Vorschriften, wie etwa die Norm des § 78 Abs. 1 InsO, anwendbar sein sollten.

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Die danach bestehende Regelungslücke ist nach Sinn und Zweck des Regelungszusammenhangs in möglichst enger Anlehnung an das geltende Recht3 in der Weise zu schließen, dass das in § 78 Abs. 1 InsO vorgesehene Antragsrecht des Insolvenzverwalters ausgeschlossen ist, wenn die Gläubigerversammlung beschließt, die Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters zur Prüfung und Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs gegen den Insolvenzverwalter zu beantragen.

Nach der im Regierungsentwurf zur Insolvenzordnung noch enthaltenen Regelung wäre der Insolvenzverwalter nicht berechtigt gewesen, gegen die Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters mit der Aufgabe, Schadensersatzansprüche gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen, Beschwerde einzulegen. Der Bundesgerichtshof hat ein Beschwerderecht des Insolvenzverwalters in solchen Fällen auch für das geltende Recht verneint4. Dies dient dem Interesse der Verfahrensbeteiligten an einer baldigen Klärung der gegen den Insolvenzverwalter behaupteten Ansprüche, die wegen der bestehenden Interessenkollision nicht vom Insolvenzverwalter selbst, sondern nur durch einen neuen Verwalter oder einen Sonderinsolvenzverwalter geltend gemacht werden können (§ 92 Satz 2 InsO), sowie einer zügigen Abwicklung des Insolvenzverfahrens5. Diese Gründe stehen auch einem Antragsrecht des Insolvenzverwalters nach § 78 Abs. 1 InsO entgegen, wenn die Gläubigerversammlung beschlossen hat, die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters zur Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen den Insolvenzverwalter zu fordern.

Der Zweck der Regelung in § 78 Abs. 1 InsO verlangt in diesem Fall ein Antragsrecht des Insolvenzverwalters nicht. Das dort normierte Recht, die Aufhebung eines Beschlusses der Gläubigerversammlung zu beantragen, soll das gemeinsame Interesse der Insolvenzgläubiger schützen und dem Missbrauch einer Mehrheit in der Gläubigerversammlung entgegenwirken. Das Antragsrecht des Insolvenzverwalters im Besonderen soll die Interessen der nicht erschienenen Gläubiger wahren6; im Übrigen hat der Insolvenzverwalter die gesetzeskonforme Abwicklung des Insolvenzverfahrens zu gewährleisten7. Fordert die Gläubigerversammlung die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters, der einen Gesamtschaden gegen den Insolvenzverwalter geltend machen soll, liegt dies regelmäßig im gemeinsamen Interesse aller Insolvenzgläubiger, auch der abwesenden, denn die erfolgreiche Durchsetzung eines solchen Anspruchs kommt allen Insolvenzgläubigern zugute. Im Übrigen obliegt die Entscheidung über den Antrag der Gläubigerversammlung auf Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters letztlich dem Insolvenzgericht. Sollte die beabsichtigte Rechtsverfolgung gegen den Insolvenzverwalter ausnahmsweise masseschädlich oder gar gesetzeswidrig sein, kann dies vom Insolvenzgericht bei seiner Entscheidung berücksichtigt werden.

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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20. Februar 2014 – IX ZB 16/13

  1. BGH, Urteil vom 13.11.2001 – X ZR 134/00, BGHZ 149, 165, 174; Beschluss vom 20.01.2005 – IX ZB 134/04, NJW 2005, 1508, 1510; Urteil vom 26.11.2008 – VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 22; vom 21.12 2011 – VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 31[]
  2. BT-Drs. 12/2443, S.20; 12/7302, S. 162[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 21.12 2011, aaO Rn. 37; BVerfGE 35, 263, 279; 88, 145, 166 f; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., S. 210 f[]
  4. BGH, Beschluss vom 01.02.2007 – IX ZB 45/05, NZI 2007, 237[]
  5. BGH, Beschluss vom 01.02.2007, aaO Rn. 10[]
  6. BT-Drs. 12/2443, S. 134 zu § 89 RegE-InsO[]
  7. MünchKomm-InsO/Ehricke, 3. Aufl., § 78 Rn. 4; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 78 Rn. 6; Pape, ZInsO 2000, 469, 475[]