Über die Einsichtnahme in einen spruchkörperinternen Geschäftsverteilungsplan hat der Präsident oder aufsichtführende Richter des jeweiligen Gerichts zu entscheiden. Die Einsichtnahme setzt nicht die Darlegung eines besonderen Interesses voraus.
Über das Ersuchen auf Übersendung eines Ausdrucks oder einer Kopie des Geschäftsverteilungsplans ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.
Zwar fehlt es an einer gesetzlichen Bestimmung, die ausdrücklich anordnet, wer über die Gewährung von Einsicht in einen spruchkörperinternen Geschäftsverteilungsplan zu entscheiden hat. Aber § 21e Abs. 9 Halbsatz 1 GVG weist dem Präsidenten (oder aufsichtsführenden Richter) die Befugnis zu, die Geschäftsstelle zu bestimmen, in der der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts zur Einsichtnahme aufzulegen ist. Angesichts dieser die Festlegung des Ortes der Einsichtnahme betreffenden Kompetenzzuweisung ist mangels einer anderweitigen Zuständigkeitsregelung der Präsident (oder aufsichtsführende Richter) auch zur Entscheidung über die Gewährung von Einsicht in den Geschäftsverteilungsplan des Gerichts berufen1. Nichts anderes gilt für die Einsichtnahme in einen spruchkörperinternen Geschäftsverteilungsplan2. Wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat, ist § 21e Abs. 9 Halbsatz 1 GVG nach dem Wortlaut des insofern maßgeblichen § 21g Abs. 7 GVG insoweit ohne inhaltliche Änderung entsprechend anzuwenden. Eine Zuständigkeit des Vorsitzenden des jeweiligen Spru chkörpers lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen3.
Anspruchsgrundlage für die Einsicht in den senatsinternen Geschäftsverteilungsplan sind die §§ 21g Abs. 7, 21e Abs. 9 Halbsatz 1 GVG. Diese Vorschriften ordnen nicht nur an, dass Geschäftsverteilungspläne aufzulegen sind, sondern bestimmen darüber hinaus, dass die Auflegung „zur Einsichtnahme“ erfolgt. Wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat, folgt aus dieser Festlegung des Zwecks der Auflegungspflicht, dass Einsicht in Geschäftsverteilungspläne zu gewähren ist, es sich insofern also nicht um eine Ermessensentscheidung handelt.
Das Recht auf Einsichtnahme in einen spruchkörperinternen Geschäftsverteilungsplan besteht auch für denjenigen, der nicht an einem Verfahren beteiligt ist, das bei dem Spruchkörper anhängig ist4.
Hierfür spricht bereits der Wortlaut der §§ 21g Abs. 7, 21e Abs. 9 Halbsatz 1 GVG, der nicht vorsieht, dass die Einsichtnahme an die Darlegung eines besonderen Interesses geknüpft wäre. Die genannten Vorschriften sind insofern anders gefasst als andere gesetzliche Bestimmungen, die Einsichtsrechte gewähren und das Erfordernis der Darlegung oder Glaubhaftmachung eines näher bezeichneten Interesses ausdrücklich nennen (vgl. etwa § 299 Abs. 2 ZPO, § 13 Abs. 2 Satz 1 FamFG, § 475 Abs. 1 und 2 StPO). Auch die Gesetzesbegründungen zu § 21g Abs. 7 GVG und § 21e Abs. 9 GVG enthalten keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber den Anspruch auf Einsichtnahme in Geschäftsverteilungspläne nur unter der genannten Voraussetzung zubilligen wollte5.
Diese steht insbesondere auch in Einklang mit dem Sinn und Zweck des § 21g GVG. Wie der Bundesgerichtshof zu § 21g Abs. 2 GVG in der bis zum 29.12 1999 geltenden Fassung ausgeführt hat, sind die gesetzlichen Vorgaben zur Aufstellung spruchkörperinterner Geschäftsverteilungspläne Teil des Regelwerks, welches das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in eine nach allen Seiten unabhängige, unparteiische und von sachfremden Einflüssen freie Rechtsprechung sichert6. § 21g GVG ist im Lichte der Verfassung, namentlich der Gewährleistung des gesetzlichen Richters in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, zu betrachten7; mit der verfassungsrechtlichen Garantie des gesetzlichen Richters soll die Unabhängigkeit der Rechtsprechung gewahrt und das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden8. § 21g GVG betrifft danach nicht nur Rechtsuchende, sondern auch die Öffentlichkeit. Das legt es nahe, das Einsichtsrecht nach §§ 21g Abs. 7, 21e Abs. 9 Halbsatz 1 GVG als ein „Jedermannrecht“ zu verstehen, was für den unmittelbar aus § 21e Abs. 9 Halbsatz 1 GVG resultierenden Anspruch auf Einsichtnahme in den Geschäftsverteilungsplan des Gerichts auch der allgemeinen Ansicht entspricht9.
Von dem Einsichtsrecht gemäß §§ 21g Abs. 7, 21e Abs. 9 Halbsatz 1 GVG ist jedoch nicht die (kostenpflichtige) Übersendung eines Ausdrucks des spruchkörperinternen Geschäftsverteilungsplans umfasst. Nach dem Gesetzestext ist der Zugang zu Geschäftsverteilungsplänen dadurch eröffnet, dass sie auf der Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsichtnahme aufliegen (§ 21e Abs. 9 Halbsatz 1 GVG). Weitere Zugangsarten (vgl. hierzu § 1 Abs. 2 IFG, § 3 Abs. 2 UIG, § 6 Abs. 1 VIG) nennt das Gesetz nicht. Es bestehen keine Anhaltpunkte dafür, dass die §§ 21g Abs. 7, 21e Abs. 9 Halbsatz 1 GVG einen über ihren Wortlaut hinausgehenden Anspruch gewähren; insbesondere sind die Gesetzesbegründungen insofern unergiebig5. Die vom Oberlandesgericht Düsseldorf10 für seinen gegenteiligen Standpunkt angeführten Regelungen in § 299 Abs. 1 ZPO und § 13 Abs. 3 Satz 1 FamFG betreffen Akteneinsichtsrechte und lassen schon aufgrund ihres andersartigen Regelungsgegenstandes keine Rückschlüsse auf die Reichweite des Zugangsrechts nach den §§ 21g Abs. 7, 21e Abs. 9 Halbsatz 1 GVG zu11. Dasselbe gilt für die von der Rechtsbeschwerdeerwiderung herangezogene, die schriftliche oder elektronische Bestätigung eines mündlichen Verwaltungsaktes regelnde Vorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 2 VwVfG. Auch die praktischen Erwägungen, die das Oberlandesgericht angestellt hat, vermögen seine vom Gesetzeswortlaut abweichende Rechtsauffassung nicht zu rechtfertigen. Dem entspricht es, dass ein Anspruch auf Übersendung einer Kopie von Geschäftsverteilungsplänen in Rechtsprechung und Literatur nahezu einhellig abgelehnt wird12.
Ein weitergehender Anspruch auf Übersendung der Pläne folgt nicht aus § 4 Abs. 1 IFG NRW.
Ob ein derartiger Anspruch besteht, unterliegt im Streitfall der Prüfungskompetenz des Bundesgerichtshofs. Zum einen ist im Rechtsbeschwerdeverfahren gemäß § 29 Abs. 3 EGGVG, § 72 Abs. 1 FamFG auch die Verletzung von Landesrecht überprüfbar13. Zum anderen steht die primäre Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Überprüfung ebenfalls nicht entgegen, da das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden hat. Insoweit ist dem entscheidenden Gericht regelmäßig eine rechtswegüberschreitende Sachkompetenz eröffnet, soweit der zu ihm beschrittene Rechtsweg auch nur für einen Klagegrund zulässig ist14.
Ein Anspruch des Antragstellers gemäß § 4 Abs. 1 IFG NRW ist jedoch zu verneinen.
Dabei kann es dahinstehen, ob die Aufstellung von Geschäftsverteilungsplänen und spruchkörperinternen Mitwirkungsgrundsätzen der Gerichte eine Verwaltungsaufgabe im Sinne des § 2 Abs. 2 IFG NRW darstellt und der Anwendungsbereich des Gesetzes damit überhaupt eröffnet ist15. Denn unabhängig hiervon stellen die §§ 21g Abs. 7, 21e Abs. 9 Halbsatz 1 GVG jedenfalls abschließende bereichsspezifische Sonderregelungen dar, die gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW den Vorschriften des IFG NRW vorgehen16, wie sich daraus ergibt, dass diese Bestimmungen speziell den Umfang sowie die Art und Weise des Zugangs zu gerichtsinternen Geschäftsverteilungsplänen und Mitwirkungsgrundsätzen der Spruchkörper zum Gegenstand haben.
Das bedeutet allerdings nicht, dass die Übersendung eines Ausdrucks oder einer Kopie eines spruchkörperinternen Geschäftsverteilungsplans unzulässig wäre. Wenn der nach §§ 21g Abs. 7, 21e Abs. 9 Halbsatz 1 GVG Einsichtsberechtigte um eine vom Gesetz nicht vorgesehene Art des Zugangs zu einem Geschäftsverteilungsplan ersucht, ist hierüber nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden17. Dabei ist es denkbar, dass dem Einsichtsberechtigten nach den Grundsätzen der Ermessensreduzierung auf null oder der Selbstbindung der Verwaltung18 sogar ein Anspruch darauf zusteht, dass ihm der Geschäftsverteilungsplan in der begehrten, von §§ 21g Abs. 7, 21e Abs. 9 Halbsatz 1 GVG nicht vorgesehenen Art zugänglich gemacht wird. Hierfür ist im Streitfall allerdings nichts ersichtlich.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25. September 2019 – IV AR(VZ) 2/18
- vgl. OLG Düsseldorf MDR 1979, 1043; Kissel/Mayer, GVG 9. Aufl. § 21e Rn. 76[↩]
- vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 25.03.2019 – 14 VA 2/19[↩]
- vgl. PG/Grimm/Remus, ZPO 10. Aufl. § 21g GVG Rn. 28; a.A. Remus, Präsidialverfassung und gesetzlicher Richter 2008 S. 164[↩]
- vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 25.03.2019 – 14 VA 2/19 ; OLG Brandenburg, Beschluss vom 28.02.2019 – 2 VAs 2/19; OLG Frankfurt NStZ-RR 2006, 208; a.A. Kissel/Mayer, GVG 9. Aufl. § 21g Rn. 40; MünchKomm-StPO/Schuster, 2018 § 21g GVG Rn. 16; wohl auch OLG Zweibrücken, Beschluss vom 09.04.2019 – 6 VA 1/19[↩]
- vgl. BT-Drs. 14/1875 S. 13 li. Sp.; VI/2903 S. 5 li. Sp.; VI/557 S. 23 li. Sp.[↩][↩]
- vgl. BGH, Beschluss von 5.05.1994 – VGS 1/93, VGS 2/93, VGS 3/93, VGS 4/93, BGHZ 126, 63[↩]
- vgl. BGH aaO[↩]
- BVerfGE 148, 69 Rn. 47; BVerfGE 95, 322; jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. StGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.11.2015 – 1 VB 12/15; BayVGH, Beschluss vom 19.03.2010 – 22 ZB 09.3157; SunderPlassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO 252. Lieferung 05.2019 § 4 FGO Rn. 95; Kissel/Mayer, GVG 9. Aufl. § 21e Rn. 75; Breidling in LöweRosenberg, StPO 26. Aufl. § 21e GVG Rn. 82; PG/Grimm/Remus, ZPO 10. Aufl. § 21e GVG Rn. 97; Rathmann in Saenger, ZPO 8. Aufl. § 21e GVG Rn. 10; Lückemann in Zöller, ZPO 32. Aufl. § 21e GVG Rn. 35[↩]
- OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.11.2018 – I-3 Va 5/18[↩]
- ebenso OLG Schleswig, Beschluss vom 16.07.2019 – 10 VA 3/19; OLG Hamburg, Beschluss vom 26.06.2019 – 2 VA 5/19; OLG Stuttgart, Beschluss vom 25.03.2019 – 14 VA 2/19[↩]
- OLG Schleswig, Beschluss vom 16.07.2019 – 10 VA 3/19; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 16.07.2019 – 6 VA 1/19; OLG Koblenz, Beschluss vom 27.06.2019 – 12 VA 1/19; OLG Hamburg, Beschluss vom 26.06.2019 – 2 VA 5/19; OLG Oldenburg, Beschluss vom 18.03.2019 – 4 VA 4/19; OLG Brandenburg, Beschluss vom 28.02.2019 – 2 VAs 2/19; OLG Hamm, Beschluss vom 21.08.2018 – 15 VA 30/18; OLG Jena NStZ-RR 2015, 23; OLG Frankfurt NStZ-RR 2006, 208; siehe ferner zu § 21e Abs. 9 GVG: StGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.11.2015 – 1 VB 12/15; Kissel/Mayer, GVG 9. Aufl. § 21e Rn. 75; MünchKomm-StPO/Schuster, 2018 § 21e GVG Rn. 66; PG/Grimm/Remus, ZPO 10. Aufl. § 21e GVG Rn. 97; Lückemann in Zöller, ZPO 32. Aufl. § 21e GVG Rn. 35; a.A. MünchKomm-ZPO/Zimmermann, 5. Aufl. § 21e GVG Rn. 59[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 14.02.2018 – IV AR(VZ) 2/17, NZI 2018, 353 Rn. 14; BT-Drs. 16/6308, S. 210 li. Sp.[↩]
- BT-Drs. 11/7030, S. 37 li. Sp.; BVerwG ZBR 2005, 392; BayObLGZ 2003, 325; Lückemann in Zöller, ZPO 32. Aufl. § 17 GVG Rn. 5 m.w.N. aus der Rechtsprechung[↩]
- vgl. dazu VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 18.10.2018 – 20 K 4062/18[↩]
- vgl. VG Gelsenkirchen aaO Rn. 4[↩]
- vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 27.06.2019 – 12 VA 1/19; OLG Hamburg, Beschluss vom 26.06.2019 – 2 VA 5/19; OLG Stuttgart, Beschluss vom 25.03.2019 – 14 VA 2/19; OLG Oldenburg, Beschluss vom 18.03.2019 – 4 VA 4/19; siehe ferner (zum allgemeinen Verwaltungsrecht) BGH, Beschluss vom 14.07.2015 – KVR 55/14, NJW 2015, 3648 Rn. 14 ff.; BVerwGE 84, 375; Ritgen in Knack/Henneke, VwVfG 10. Aufl. § 29 Rn. 88; Ramsauer in ders., VwVfG 19. Aufl. § 29 Rn. 41; Kallerhoff/Mayen in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG 9. Aufl. § 29 Rn. 18, 36[↩]
- vgl. hierzu allgemein BVerwGE 155, 192 Rn. 31; BVerwGE 148, 48 Rn. 55; jeweils m.w.N.[↩]
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