Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und wenn nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht (§ 719 Abs. 2 ZPO). Im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde gilt dies entsprechend (§ 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt eine solche Einstellung nicht in Betracht, wenn der Schuldner es versäumt hat, im Berufungsrechtszug einen Vollstreckungsschutzantrag gemäß § 712 ZPO zu stellen, obwohl ihm ein solcher Antrag möglich und zumutbar gewesen wäre1.
An diesen Voraussetzungen für die Einstellung der Zwangsvollstreckung fehlt es im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall: Die Beklagte hat im Berufungsrechtszug zum einen beantragt, den Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit im Urteil des Landgerichts dahin abzuändern, dass die Zwangsvollstreckung hinsichtlich des Räumungsanspruchs ohne Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt wird. Diesen Antrag hat das Berufungsgericht gemäß §§ 719, 707 ZPO abgelehnt. Dieser Antrag, der nur für die Dauer des Berufungsverfahrens gilt und nicht über den Erlass des Berufungsurteils hinaus wirkt, ersetzt jedoch nicht den erforderlichen Antrag nach §§ 712, 714 ZPO dahin, dass das Berufungsgericht der Beklagten auch bei seiner Entscheidung Vollstreckungsschutz gewähren sollte2.
Einen Antrag nach §§ 712, 714 ZPO hat die Beklagte in der Berufungsinstanz nicht gestellt. Der Einstellungsantrag im Rahmen der Berufung gegen das Ergänzungsurteil zielte allein auf die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Räumungstitel des Landgerichts für die Dauer des Berufungsverfahrens. Dafür spricht neben der ausdrücklichen Begründung auch, dass die Beklagte eine Entscheidung nach § 718 Abs. 1 ZPO beantragt hat, der die Korrektur einer vorinstanzlichen fehlerhaften Entscheidung vor der zweitinstanzlichen Sachentscheidung ermöglicht3.
Es war der Beklagten auch nicht aus besonderen Gründen unmöglich, im Berufungsverfahren einen Vollstreckungsschutzantrag zu stellen. Zwar ist der Antrag nach § 712 ZPO ein Sachantrag, der – ebenso wie die Berufungsanträge – gemäß § 297 ZPO in der mündlichen Verhandlung gestellt werden muss4. In einem Verfahren, in dem das Berufungsgericht die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückweist, ist für eine Anwendung von § 297 ZPO aber kein Raum. In solchen rein schriftlichen Verfahren werden Anträge bereits durch die Einreichung des Schriftsatzes wirksam gestellt5. Aufgrund des Hinweises des Berufungsgerichts auf die beabsichtigte Berufungszurückweisung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO konnte sich die Beklagte darauf einstellen, dass voraussichtlich keine Gelegenheit bestehen werde, einen etwaigen Vollstreckungsschutzantrag in einer mündlichen Verhandlung zu stellen. Gründe, weshalb es ihr nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sein sollte, dem durch Stellung eines schriftsätzlichen Schutzantrages Rechnung zu tragen, hat sie nicht dargelegt6.
Abgesehen davon stellt die Verpflichtung zur Räumung von Büroräumen, die zur Berufsausübung genutzt werden, auch keinen unersetzlichen Nachteil im Sinne des § 712 Abs. 1 ZPO dar, hinter dem die Gläubigerinteressen ausnahmsweise zurücktreten müssten. Der Beklagten ist dadurch ihre weitere Berufstätigkeit keineswegs erschwert oder gar unmöglich gemacht worden. Es ist ihr unbenommen, sich um Ersatzräume zu bemühen und dort ihre Berufsausübung fortzusetzen7. Dass ihr dies nicht möglich sei, hat sie weder dargetan noch glaubhaft gemacht.
- BGH, Beschlüsse vom 06.04.2011 – XII ZR 111/10, FamRZ 2011, 884 Rn. 4; vom 06.06.2006 – XII ZR 80/06, NJW-RR 2006, 1088 Rn. 5 und vom 04.09.2002 – XII ZR 173/02, NJW-RR 2002, 1650[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 04.09.2002 – XII ZR 173/02, NJW-RR 2002, 1650 f.; vom 22.04.2004 – XII ZR 16/04 – GuT 2004, 129 f. und vom 21.09.2005 – XII ZR 126/05 – Grundeigentum 2005, 1347[↩]
- Zöller/Herget ZPO 29. Aufl. § 718 Rn. 1; Wieczorek/Schütze/Hess ZPO 4. Aufl. § 718 Rn. 1 ff.; Stein/Jonas/Münzberg ZPO 22. Aufl. § 718 Rn. 1[↩]
- BGH, Beschluss vom 02.10.2002 – XII ZR 173/02, FamRZ 2003, 598[↩]
- Hk-ZPO/Saenger 4. Aufl. § 297 Rn. 9; Musielak/Huber ZPO 10. Aufl. § 297 Rn. 3[↩]
- vgl. BGH Beschluss vom 20.03.2012 – V ZR 275/11, NJW 2012, 1292 Rn. 7[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 27.08.1998 – XII ZR 167/98, NJW-RR 1998, 1603[↩]