Einstweilige Verfügung – und die Gefährlichkeit einer Fristverlängerung

Die Dringlichkeit für die erstrebte Anordnung kann deshalb entfallen, weil der Antragsteller die Berufung nicht innerhalb der zweimonatigen Frist des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO begründet, sondern die Verlängerung der Frist um einen Monat beantragt und die antragsgemäß verlängerte Berufungsbegründungsfrist nahezu voll ausgeschöpft hat.

Einstweilige Verfügung – und die Gefährlichkeit einer Fristverlängerung

Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat die antragstellende Partei nämlich alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um einen möglichst baldigen Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zu erreichen. Kommt sie dieser prozessualen Obliegenheit nicht nach und lässt sie es zu vermeidbaren Verfahrensverzögerungen kommen, rechtfertigt dies in aller Regel den Schluss, dass dem Antragsteller die Rechtsverfolgung nicht eilig und die Angelegenheit folglich nicht dringlich ist. Verzögerungen, die ihr Verfahrensbevollmächtigter zu vertreten hat, muss sich die antragstellende Partei dabei zurechnen lassen.

Hat die erste Instanz den Erlass der einstweiligen Verfügung abgelehnt, muss der Antragsteller auch das Berufungsverfahren beschleunigt betreiben. Zwar darf er die gesetzlichen Fristen für die Einlegung und Begründung der Berufung (§§ 517, 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO) ausschöpfen, ohne dass hierdurch die Eilbedürftigkeit des nachgesuchten Rechtsschutzes in Frage gestellt wird. Bittet er allerdings ohne Vorliegen triftiger Gründe darum, die Berufungsbegründung um einen mehr als bloß unerheblichen Zeitraum von wenigen Tagen zu verlängern, und nutzt er die gewährte Verlängerung sodann aus, gibt der Antragsteller damit im Allgemeinen zu erkennen, dass es ihm mit der Verfolgung der reklamierten Ansprüche nicht dringlich ist1. Die Vermutung des § 885 Abs. 1 BGB ist dann widerlegt.

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Abweichendes folgt im vorliegenden Fall nicht daraus, dass das Landgericht die beantragte einstweilige Verfügung zunächst durch Beschluss erlassen hatte. Allerdings braucht ein in erster Instanz obsiegender Antragsteller das Verfahren solange nicht beschleunigt zu betreiben, wie er aufgrund einer bereits erlassenen gerichtlichen Maßnahme gesichert ist. Diese im vorliegenden Fall mit der Beschlussverfügung zunächst erreichte Situation hat sich indes mit dem angefochtenen Urteil, das die Beschlussverfügung aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen hat, wieder geändert. Das Urteil hat nämlich zum Erlöschen der auf Grund der einstweiligen Verfügung eingetragenen Vormerkung geführt2. Die im Berufungsverfahren erstrebte erneute Anordnung ihrer Eintragung hat der Antragsteller deshalb wiederum beschleunigt zu verfolgen.

§ 885 Abs. 1 Satz 2 BGB steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Die Vorschrift enthält eine widerlegliche Vermutung3. § 885 Abs. 1 Satz 2 BGB sieht es lediglich als nicht erforderlich an, dass eine Gefährdung des zu sichernden Anspruchs glaubhaft gemacht wird. Das bedeutet aber keineswegs, dass die darin enthaltene Vermutung der Dringlichkeit nicht aufgrund anderer Umstände widerlegt sein kann. In entsprechender Weise wird etwa auch § 12 Abs. 2 UWG verstanden, der ebenfalls eine Darlegung und Glaubhaftmachung der Voraussetzungen des Verfügungsgrundes bei einem lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruch für entbehrlich erklärt, der aber nach allgemeiner Auffassung ebenfalls nur eine widerlegliche Vermutung der Dringlichkeit enthält.

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Die Notwendigkeit einer Ausschöpfung der verlängerten Frist zur Begründung der Berufung lässt sich vorliegend nicht aus Schwierigkeiten der Sachverhaltsaufklärung oder aus einem besonderen Umfang der Sache herleiten. Die zur Begründung des Antrages auf Verlängerung der Begründungsfrist angegebene Arbeitsbelastung und ein Urlaub des Prozessbevollmächtigten entlasten den Antragsteller nicht. Der Anwalt muss einem Verfügungsverfahren, das eilbedürftig ist, Vorrang einräumen. Dabei ist zuzugeben, dass die Sache aufgrund der zahlreichen Einwendungen des Antragsgegners sehr umfangreich ist. Dies allein kann indes die Notwendigkeit der Ausschöpfung einer verlängerten Berufungsbegründungsfrist nicht rechtfertigen, weil der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers aufgrund seiner Befassung mit der Sache in erster Instanz bereits umfassend eingearbeitet war. Zudem hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers selbst in erster Linie die Befassung mit anderen Aufgaben und seinen Urlaub als Begründung für den Fristverlängerungsantrag angeführt. Die antragsgemäße Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch den Vorsitzenden des Oberlandesgerichts ist nicht geeignet, ein Vertrauen beim Antragsteller dahin zu schaffen, die verlängerte Frist könne ohne Auswirkungen auf die Dringlichkeit ohne weiteres ausgeschöpft werden. Mit dem Verlängerungsantrag nimmt der Antragsteller lediglich prozessuale Rechte wahr. Die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist betrifft die Zulässigkeit der Berufung. Ihre – prozessual ohne weiteres zulässige, antragsgemäße – Verlängerung erfolgt gemäß § 520 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO unabhängig davon, ob es sich um ein Verfügungsverfahren oder um ein anderes Erkenntnisverfahren handelt. Bei der Fristverlängerung braucht das Gericht auch nicht auf die Möglichkeit einer Widerlegung der Dringlichkeit durch Ausschöpfung der verlängerten Frist hinzuweisen4, zumal im Zeitpunkt der Entscheidung über den Fristverlängerungsantrag noch gar nicht feststeht, ob die verlängerte Frist überhaupt ausgeschöpft werden wird bzw. ggf. mit welcher Begründung dies erforderlich wird.

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Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 30. September 2014 – I -23 U 7/14

  1. OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 29.01.2013 – I-23 U 148/12; und vom 09.09.2008 – I-23 U 106/08, unter Hinweis auf OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.09.2006 – Kart. U 29/05 m.w.N; OLG Stuttgart, Urteil vom 06.02.2003 – 2 U 152/02; zudem OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.06.2009 – I-20 U 8/09[]
  2. BGHZ 39, 21; s. auch etwa Staudinger/Gursky, BGB, Neubearbeitung 2013, § 885 Rn. 47 m. w. Nachw.: „Die Aufhebung der einstweiligen Verfügung durch eine zumindest vorläufig vollstreckbare Entscheidung … setzt die Eintragungsgrundlage der Vormerkung außer Kraft und lässt diese somit erlöschen … Die Vormerkung verliert ihre Wirksamkeit mit der Verkündung der Entscheidung … Nach diesem Zeitpunkt kann deshalb die Vormerkung nicht mehr in das endgültige Recht umgeschrieben werden; geschieht dies trotzdem, so wird dadurch der Rang nicht gewahrt …“[]
  3. vgl. nur OLG Koblenz NJW-Spezial 2013, 365 = BauR 2013, 1316, Leitsatz; OLG Celle BauR 2013, 128; Hanseatisches OLG Hamburg MDR 2012, 1249; OLG Hamm BauR 2004, 872; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 14. Aufl.2013, Rn. 277 m. w. Nachw.; auch Palandt/Bassenge, BGB, 72. Aufl.2013, § 885 Rn. 5; OLG Düsseldorf, a.a.O.[]
  4. Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Aufl.2003, Rn. 88 m. Nachw.[]

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