Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks im Grundbuch

Die Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks in das Grundbuch kann bei fehlender Bewilligung des Buchberechtigten in entsprechender Anwendung von § 899 Abs. 2 BGB (i.V.m. §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO) nur im Wege der einstweiligen Verfügung erzwungen werden.

Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks im Grundbuch

Die Eintragung eines Vermerks über die Rechtshängigkeit eines Zivilprozesses über das Eigentum oder ein im Grundbuch eingetragenes Recht an einem Grundstück ist im Gesetz nicht vorgesehen; seine Zulässigkeit ist jedoch im Hinblick auf § 325 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 892 Abs. 1 BGB nahezu einhellig anerkannt1.

Umstritten ist jedoch, auf welche Weise die Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks in das Grundbuch gegen den Willen des Betroffenen bewirkt werden kann.

Nach überwiegender Meinung genügt in entsprechender Anwendung von § 22 GBO der gegenüber dem Grundbuchamt in der Form des § 29 GBO zu führende Nachweis, dass ein dinglicher Anspruch, der die im Grundbuch verzeichnete Rechtsposition betrifft, rechtshängig geworden ist. Im Gegensatz zum Widerspruch gemäß § 899 Abs. 2 BGB sei Anknüpfungspunkt des guten Glaubens beim Rechtshängigkeitsvermerk nicht die materielle Rechtslage, sondern allein die Rechtshängigkeit eines Prozesses. Der Rechtshängigkeitsvermerk sei daher ein Sicherungsmittel von wesentlich geringerem Gewicht. Faktisch werde der im Grundbuch eingetragene Berechtigte nach Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks in seiner Verfügungsmöglichkeit über das Grundstück zwar stark eingeschränkt. Die Gefahr eines endgültigen Rechtsverlusts für den wahren Berechtigten wiege aber schwerer als die nur zeitlich beschränkte Beeinträchtigung des Buchberechtigten2.

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Nach anderer Auffassung, der sich in der Vorinstanz auch das Oberlandesgericht Nürnberg3 angeschlossen hat, erfordert die Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks bei fehlender Bewilligung das Vorliegen einer einstweiligen Verfügung. Ein Rechtshängigkeitsvermerk habe für den Betroffenen faktisch die gleiche Wirkung wie ein Widerspruch, da er in aller Regel einer Veräußerung oder einer Belastung des Grundstücks zur Sicherung einer Kreditaufnahme entgegenstehe. Dieser schwere Eingriff in Form der faktischen Grundbuchsperre zu Lasten des Eingetragenen sei nach der von dem Gesetzgeber in § 899 BGB getroffenen Wertung erst dann berechtigt, wenn ein Gericht geprüft und bejaht habe, dass die Begründetheit des Hauptsacheanspruchs jedenfalls glaubhaft gemacht wurde4.

Die zweite Meinung ist zutreffend. Bei fehlender Bewilligung kann die Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks in entsprechender Anwendung von § 899 Abs. 2 BGB (i.V.m. §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO) nur im Wege der einstweiligen Verfügung erzwungen werden.

Eine Eintragung in das Grundbuch erfordert die Eintragungsbewilligung des Betroffenen. Diese kann durch den Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs durch öffentliche Urkunde oder durch eine einstweilige Verfügung ersetzt werden. Die Rechtshängigkeit eines dinglichen Anspruchs, der eine im Grundbuch verzeichnete Rechtsposition betrifft, führt nicht zur Unrichtigkeit des Grundbuchs. Daher genügt für die Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks allein der Nachweis der Rechtshängigkeit nicht. Vielmehr muss angesichts der inhaltlichen Nähe von Rechtshängigkeitsvermerk und Widerspruch (§ 899 Abs. 1 BGB) die vom Gesetzgeber in § 899 BGB für die Eintragung eines Widerspruchs getroffene Wertung auch für den Rechtshängigkeitsvermerk gelten. Nur die einstweilige Verfügung ist daher geeignet, die Eintragungsbewilligung zu ersetzen. Eine solche ist von dem Prozessgericht zu erlassen, wenn das Bestehen des rechtshängigen Anspruchs glaubhaft gemacht worden ist; einer Glaubhaftmachung der Gefährdung der Rechte des Klägers bedarf es dagegen nicht (vgl. § 899 Abs. 2 Satz 1 BGB).

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Widerspruch und Rechtshängigkeitsvermerk haben ähnliche rechtliche Wirkungen. Nach § 265 Abs. 1 ZPO schließt ein über ein Recht an einem Grundstück anhängiger Rechtsstreit nicht das Recht der Partei aus, das Grundstück zu veräußern. Allerdings wirkt ein Urteil gemäß § 325 Abs. 1 und 2 ZPO gegen einen Dritten, der nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger geworden ist, sofern er die Rechtshängigkeit gekannt hat. Durch die Eintragung der Rechtshängigkeit sichert sich die klagende Partei also die Rechtskrafterstreckung gegenüber dem Rechtsnachfolger des Buchberechtigten. Damit kommt dem Rechtshängigkeitsvermerk eine ähnliche Wirkung wie dem Widerspruch zu, mit dessen Eintragung sich die klagende Partei gegen einen Verlust und gegen eine Beeinträchtigung ihrer materiellen Rechtsstellung sichert5.

Widerspruch und Rechtshängigkeitsvermerk haben für den verklagten Buchberechtigten auch faktisch dieselben Auswirkungen. Mit einem solchen Vermerk im Grundbuch wird in aller Regel weder die Veräußerung noch eine Belastung zur Sicherung einer Kreditaufnahme gelingen. Aus diesem Grunde ist bereits in den Motiven zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches eine Vorschrift, die auf den bloßen Antrag hin die Eintragung der Rechtshängigkeit zuließe, als „höchst gefährlich“ bezeichnet worden, „weil sie den Beklagten bei offenbarem Ungrunde der Klage den mit der Rechtshängigkeitseintragung verbundenen Nachtheilen preisgeben, nicht selten kreditlos machen und dadurch dem Ruine entgegenführen könnte“6.

Der Umstand, dass es Situationen gibt, in denen die Glaubhaftmachung des Verfügungsanspruchs nicht gelingt und daher eine einstweilige Verfügung nicht ergeht, rechtfertigt es nicht, für die Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks geringere Voraussetzungen aufzustellen. Angesichts der gesetzlichen Wertung kann die Folge nur sein, dass in einem solchen Fall kein Sicherungsmittel eingetragen werden darf. Im Übrigen würde der gesetzlich geregelte Widerspruch bedeutungslos, wenn die Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks nur an den Nachweis der Rechtshängigkeit gebunden wäre. Denn dann würde der Kläger dem Rechtshängigkeitsvermerk regelmäßig den Vorzug vor der schwieriger zu bewirkenden Eintragung eines Widerspruchs geben7.

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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 7. März 2013 – V ZB 83/12

  1. vgl. etwa OLG München, NJW-RR 2000, 384; OLG Schleswig, NJW-RR 1994, 1498; OLG Zweibrücken, NJW 1989, 1098; OLG Stuttgart, MDR 1979, 853, 854; Staudinger/Gursky, BGB [2008], § 892 Rn. 264; MünchKomm-BGB/Kohler, 5. Aufl., § 899 Rn. 30, § 892 Rn. 61; Lemke/Gottwald, Immobilienrecht, § 76 GBO Rn. 18; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 325 Rn. 50; Toussaint in jurisPK-BGB, 6. Aufl., § 899 Rn. 35; PWW/Huhn, BGB, 7. Aufl., § 899 Rn. 13; Palandt/Bassenge, BGB, 72. Aufl., § 899 Rn. 7; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 1652; KEHE/Keller, Grundbuchrecht, 6. Aufl., Einl. J 30; Demharter, Grundbuchordnung, 28. Aufl., Anh. zu § 13 Rn. 34; Bauer/von Oefele/Knothe, GBO, 3. Aufl., § 29 Rn. 63; Bohnefeld/Kroiß/Tank, Erbprozess, 4. Aufl., S. 227; Rahn, BWNotZ 1960, 61, 63; Wächter, NJW 1966, 1366; a.A. Lickleder ZZP 114 [2001], 195[]
  2. OLG Frankfurt, FGPrax 2009, 250, 251; OLG Brandenburg, Beschluss vom 27.11.2007 – 5 Wx 29/07; OLG Braunschweig, NJW-RR 2005, 1099, 1100; BayOblG, NJW-RR 2003, 234; OLG München, NJW-RR 2000, 384, 385; OLG Schleswig, NJW-RR 1994, 1498, 1499; OLG Zweibrücken, NJW 1989, 1098, 1099; OLG Stuttgart, MDR 1979, 853, 854; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 4. Aufl., § 325 Rn. 102; PWW/Huhn, BGB, 7. Aufl., § 899 Rn. 14; Palandt/Bassenge, BGB, 72. Aufl., § 899 Rn. 7; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 325 Rn. 50; Baumbach/Lauterbach, ZPO, 70. Aufl., § 325 Rn. 10 f.; Demharter, GBO, 28. Aufl., Anh. zu § 13 Rn. 34; Bauer/von Oefele/Knothe, GBO, 3. Aufl., § 29 Rn. 63; Roth, NJWSpezial 2010, 359; Krug, FGPrax 2009, 252; Mai, BWNotZ 2003, 108, 110[]
  3. OLG Nürnberg, Entscheidung vom 26.03.2012 – 15 W 328/12[]
  4. OLG Schleswig, SchlHA 2012, 348; OLG Köln, Rpfleger 2012, 522; MünchKomm-BGB/Kohler, 5. Aufl., § 899 Rn. 31; Staudinger/Gursky, BGB [2012], § 899 Rn. 102; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 1654; Grziwotz, IMR 2012, 1119; Wächter, NJW 1966, 1366; Löscher, JurBüro 1966, 267, 272; a.A. Zeising, ZJS 2010, 1, 9: Glaubhaftmachung der Rechtshängigkeit des Hauptanspruchs erforderlich; OLG München, NJW 1966, 1030 und OLG Stuttgart, NJW 1960, 1109: Glaubhaftmachung der Rechtshängigkeit des Hauptanspruchs und der Gefährdung des Anspruchs erforderlich[]
  5. vgl. Löscher, JurBüro 1966, 268, 273; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 4. Aufl., § 325 Rn. 99[]
  6. Mot. III, S. 217; vgl. aber auch Prot. III S. 107[]
  7. Wächter, NJW 1966, 1366, 1367[]
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