Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf der Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung im Grundsatz erst dann unterzeichnen und an das Gericht zurücksenden, wenn in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden ist1.

Unterlässt der Anwalt dies, so ist er verpflichtet, auf andere Weise dafür zu sorgen, dass die Wiedervorlage der Handakten und die Eintragung im Fristenkalender erfolgen2. Dafür reicht eine mündlich erteilte Anweisung nur aus, wenn sie kontrolliert wird. Zwar ist ein Rechtsanwalt grundsätzlich nicht verpflichtet, die Erledigung jeder konkreten Einzelanweisung zu überwachen3. Im Allgemeinen kann er vielmehr darauf vertrauen, dass eine sonst zuverlässige Büroangestellte auch mündliche Weisungen korrekt befolgt4. Bei Eintragung einer Berufungs- oder Berufungsbegründungsfrist müssen jedoch anders als die Rechtsbeschwerde meint in der Anwaltskanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen werden, dass die mündliche Einzelanweisung in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt5. Wenn ein so wichtiger Vorgang wie die Notierung einer Berufungsfrist nur mündlich vermittelt wird, dann begründet das Fehlen jeder Sicherung einen entscheidenden Organisationsmangel6.
Im vorliegenden Fall hatte die Rechtsanwältin das Empfangsbekenntnis unterzeichnet und per Telefax an das Gericht gesandt, obwohl weder auf der Urteilsausfertigung noch sonst in den Handakten und auch nicht im Fristenbuch der Zustellungszeitpunkt des landgerichtlichen Urteils vermerkt war. Die Rechtsanwältin hat die notwendigen Eintragungen in die Handakte und im Fristenkalender auch nicht unverzüglich selbst vorgenommen.
Die Rechtsanwältin durfte sich auch nicht statt dessen auf eine mündliche Anweisung an die Rechtsreferendarin L. beschränken, die Urteilsausfertigung mit dem Tagesstempel zu versehen und die Berufungsfrist in dem Fristenkalender einzutragen. Vielmehr musste sie wie ausgeführt zusätzlich organisatorische Vorkehrungen treffen, damit die besonders wichtige Anweisung zur Notierung einer Rechtsmittelfrist nicht übersehen wird.
Auf die Frage, ob die Weisung der Rechtsanwältin darüber hinaus deswegen fehlerhaft gewesen ist, weil sie lediglich das Anbringen eines Tagesstempels und nicht den Vermerk des Zustellungsdatums auf der Urteilsausfertigung und dessen Eintragung im Fristenbuch verlangt hat7, kommt es danach nicht mehr an. Dasselbe gilt für die Auffassung des Berufungsgerichts, die Rechtsanwältin habe nicht darauf vertrauen dürfen, Rechtsreferendarin L. werde wie bisher zuverlässig arbeiten, da diese durch die Teilnahme an der schriftlichen Prüfung im juristischen Staatsexamen und eine Erkrankung ersichtlich überlastet gewesen sei8.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 9. Juli 2013 – XI ZB 20/12
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 17.09.2002 – VI ZR 419/01, NJW 2002, 3782 und vom 02.02.2010 – VI ZB 58/09, NJW 2010, 1080 Rn. 6[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 05.05.1993 – XII ZR 44/92, NJW-RR 1993, 1213, 1214[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 10.10.1991 – VII ZB 4/91, NJW 1992, 574[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 06.10.1987 – VI ZR 43/87, NJW 1988, 1853; sowie Beschlüsse vom 07.03.2012 – XII ZB 277/11, NJW-RR 2012, 743 Rn. 11; und vom 04.11.2003 – VI ZB 50/03, NJW 2004, 688, 689[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 17.09.2002 – VI ZR 419/01, NJW 2002, 3782, 3783; vom 05.11.2002 – VI ZR 399/01, NJW 2003, 435, 436, vom 09.10.2007 – XI ZB 14/07; vom 04.11.2003 – VI ZB 50/03, NJW 2004, 688, 689; und vom 07.03.2012 – XII ZB 277/11, NJW-RR 2012, 743 Rn. 11[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 10.10.1991 – VII ZB 4/91, NJW 1992, 574; vom 04.11.2003 – VI ZB 50/03, NJW 2004, 688, 689; und vom 09.10.2007 – XI ZB 14/07[↩]
- vgl. dazu BGH, Beschluss vom 17.09.2002 – VI ZR 419/01, NJW 2002, 3782, 3783[↩]
- vgl. dazu BGH, Beschluss vom 08.02.2012 – XII ZB 165/11, NJW 2012, 1591 Rn. 33[↩]