Der gegenständlich beschränkte Erbschein – nicht ohne Auslandsvermögen

Die Erteilung eines nach § 2369 Abs. 1 BGB gegenständlich beschränkten Erbscheins setzt voraus, dass sich Teile des Nachlasses sowohl im Inland als auch im Ausland befinden.

Der gegenständlich beschränkte Erbschein – nicht ohne Auslandsvermögen

Nach § 2361 Abs. 1 BGB hat das Nachlassgericht einen erteilten Erbschein einzuziehen, wenn sich ergibt, dass dieser unrichtig ist. Unrichtigkeit liegt vor, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung entweder schon ursprünglich nicht gegeben waren oder nachträglich nicht mehr vorhanden sind1. Anders als das Nachlassgericht meint ist der Begriff der Unrichtigkeit nicht auf den Begriff der materiellen Unrichtigkeit beschränkt, sondern umfasst auch den Fall formeller Unrichtigkeit. Eine formelle Unrichtigkeit liegt vor, wenn eine Verfahrensvoraussetzung fehlt, die nicht nur die Verfahrensausgestaltung betrifft, sondern Bedingung für die Zulässigkeit des gesamten Verfahrens ist2, wozu auch das fehlende Rechtsschutzbedürfnis gehört3.

So ist es hier. Vorliegend waren die Voraussetzungen für die Erteilung eines gegenständlich beschränkten Erbscheins nach § 2369 Abs. 1 BGB nicht gegeben. Dies führt zur formellen Unrichtigkeit des Erbscheins.

Nach § 2369 Abs. 1 BGB kann der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins auf die im Inland befindlichen Gegenstände beschränkt werden, wenn zu einer Erbschaft auch Gegenstände gehören, die sich im Ausland befinden. Nach herrschender Meinung bedeutet dies, dass sich Teile des Nachlasses sowohl im Inland als auch im Ausland befinden müssen4. Diese Auffassung ist für das Oberlandesgericht Karlsruhe überzeugend.

Weiterlesen:
Der Streit ums Erbe - nach dem Erbschein ist noch lange nicht Schluss…

Der Wortlaut des § 2369 Abs. 1 BGB ist eindeutig. Hiernach kann der gegenständlich beschränkte Erbschein nur erteilt werden, wenn Auslandsvermögen zum Nachlass gehört5.

Dieses Verständnis entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Ausweislich der Gesetzesbegründung geht die jetzige Fassung des § 2369 Abs. 1 BGB davon aus, dass für den Erben eines Nachlasses, der im In- und Ausland belegen ist, ein Interesse bestehen kann, den Antrag auf Erbscheinserteilung auf den inländischen Nachlass zu beschränken6. Folglich betrifft diese Regelung nur das Zusammentreffen von in- und ausländischem Vermögen in einem Nachlass; dies bedeutet im Umkehrschluss, dass diese Bestimmung einen Nachlass mit reinem Inlandsvermögen nicht betreffen soll.

Die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion liegen nicht vor7. Eine teleologische Reduktion setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Ob eine derartige Lücke besteht, ist vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrunde liegenden Regelungsabsicht zu beurteilen. Das Gesetz muss also, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, unvollständig sein8. Das ist hier nicht der Fall. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber auch für reines Inlandsvermögen den Anwendungsbereich des § 2369 Abs. 1 BGB eröffnen wollte. Ebenso wenig lässt sich dem Anliegen des Gesetzgebers, einem Betroffenen bei einer Nachlassspaltung und rechtlichen Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Erbfolge für den im Ausland belegenen Nachlass die Möglichkeit des gegenständlich beschränkten Erbscheins zu eröffnen6, entnehmen, dass § 2369 Abs. 1 BGB das Nachlassgericht von möglichen Ermittlungen hinsichtlich des Vorhandenseins von Auslandsvermögen durch die allgemeine Erteilung von gegenständlich beschränkten Erbscheinen von vorneherein freistellen wollte.

Weiterlesen:
Das testamentarisch verfügte Schiedsgericht - und der Erbscheinsantrag

Soweit die Anwendbarkeit des § 2369 Abs. 1 BGB damit begründet wird, dass das Vorhandensein von Auslandsvermögen nie ausgeschlossen werden könne, überzeugt diese Argumentation das Oberlandesgericht Karlsruhe nicht. Vorliegend wurde im Antragsformular des Erbschein ausdrücklich versichert, dass es kein Auslandsvermögen gibt. Dies wurde auch vom Beteiligten zu 1 bestätigt. Mangels Vorliegens entgegenstehender Anhaltspunkte ist von der Richtigkeit dieser Angaben auszugehen9.

Sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass Nachlassgegenstände vorhanden sind, so fehlt für die Erteilung eines gegenständlich beschränkten Erbscheins das Rechtsschutzbedürfnis10.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 26. November 2014 – 11 Wx 83/14

  1. OLG Hamm, NJW-RR 1997, 453; Palandt/Weidlich, BGB 73. Aufl. § 2361 Rdnr. 3; Staudinger/Herzog, BGB Neubearb.2010 § 2361 Rdnr. 16[]
  2. Staudinger/Herzog, BGB Neubearb.2010 § 2361 Rdnr.20[]
  3. BayObLG, Rpfleger 1999, 76; Palandt/Weidlich, BGB 73. Aufl. § 2361 Rdnr. 3[]
  4. OLG Brandenburg, NJW-RR 2012, 10; BeckOK BGB/Siegmann/Höger, § 2369 Rdnr. 4; Fröhler in: Prütting/Helms, FamFG 3. Aufl. § 352 Rdnr. 85; Palandt/Weidlich, BGB 73. Aufl. § 2369 Rdnr. 1; Staudinger/Herzog, BGB Neubearb.2010 § 2369 Rdnr. 42; wohl auch Bahrenfuss/Schaal, FamFG 2. Aufl. § 343 Rdnr. 11; a.A. Bachmayer, BWNotZ 2010, 146, 171 f.; Schaal, BWNotZ 2012, 82, 84[]
  5. so auch Bachmayer, BWNotZ 2010, 146, 171[]
  6. BT-Drs. 16/6308, S. 349[][]
  7. so aber Bachmayer, BWNotZ 2010, 146, 172[]
  8. BGH, NJW 2012, 376 Rdnr. 16[]
  9. OLG Brandenburg, NJW-RR 2012, 10[]
  10. OLG Brandenburg, NJW-RR 2012, 10; BeckOK BGB/Siegmann/Höger, § 2369 Rdnr. 4; vgl. auch KG, FGPrax 2006, 220[]
Weiterlesen:
Polnische Notare - und der Erbschein

Bildnachweis: