Durch den zugunsten des Erben erfolgten Ausspruch des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung nach § 780 Abs. 1 ZPO ist der Gläubiger regelmäßig beschwert1.

Denn ein solcher Vorbehalt ist zugleich mit der Feststellung verbunden, dass das Gericht vom Vorliegen einer reinen Nachlassverbindlichkeit (§ 1967 BGB) ausgeht, wodurch im Falle der Rechtskraft des den Vorbehalt aussprechenden Urteils das nachfolgende Gericht bei Erhebung einer – auf diesen Vorbehalt gestützten – Vollstreckungsabwehrklage des Erben an diese Beurteilung gebunden (sogenannte Präjudizialität) und der Gläubiger mit (erneuten) Einwänden gegen die Einordnung der Schuld als reine Nachlassverbindlichkeit ausgeschlossen (sogenannte Tatsachenpräklusion) wäre.
Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Hamm2 ist die Gläubigerin durch den zugunsten des Erben ausgesprochenen Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung (§ 780 Abs. 1 ZPO) beschwert (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Denn ein solcher Vorbehalt ist zugleich mit der Feststellung verbunden, dass das Gericht vom Vorliegen einer reinen Nachlassverbindlichkeit (§ 1967 BGB) ausgeht. Im Falle der Rechtskraft des den Vorbehalt aussprechenden Urteils wäre das nachfolgende Gericht bei Erhebung einer – auf diesen Vorbehalt gestützten – Vollstreckungsabwehrklage des Erben an diese Beurteilung gebunden.
Nach § 780 Abs. 1 ZPO kann der als Erbe des Schuldners verurteilte Erbe die Beschränkung seiner Haftung (auf den Nachlass) nur geltend machen, wenn sie ihm im Urteil vorbehalten ist. Fehlt es demgegenüber am Ausspruch des Vorbehalts zugunsten des Erben, kann sich dieser später – wenn in sein Privatvermögen vollstreckt wird – auf eine Haftung lediglich mit dem Nachlass nicht mehr mit Erfolg berufen. Die Regelung des § 780 ZPO gilt für jede gegenständliche Beschränkung der Erbenhaftung nach den §§ 1973 ff. BGB und §§ 1989 ff. BGB3.
Bei der Zwangsvollstreckung gegen den Erben bleibt die Beschränkung der Haftung unberücksichtigt, bis dieser Einwendungen erhebt (§ 781 ZPO). Diese werden nach den Vorschriften der §§ 767, 769, 770 ZPO, mithin aufgrund einer Vollstreckungsabwehrklage, erledigt (§ 785 ZPO). Der Erbe kann diese Klage, mit welcher er geltend macht, nur der Nachlass als Sondervermögen hafte für die titulierte Forderung, grundsätzlich bereits dann erheben, sobald der Titel vorliegt oder auch (erst), wenn der Gläubiger (in das Privatvermögen) vollstreckt4.
Somit muss sich der Erbe die beschränkte Erbenhaftung grundsätzlich im Erkenntnisverfahren vorbehalten lassen, wenn er sich erst später hierauf berufen will. Dies gilt selbst dann, wenn er deren Voraussetzungen noch nicht darzulegen vermag, ja nicht einmal weiß, ob sie überhaupt eintreten werden5.
Hat der Erbe – wie vorliegend in Form der Dürftigkeitseinrede (§ 1990 Abs. 1 BGB) sowie die Verschweigungseinrede (§ 1974 Abs. 1 BGB) – die Beschränkung seiner Haftung schon im Erkenntnisverfahren geltend gemacht, steht es dem Prozessgericht frei, deren materielle Voraussetzungen zu prüfen und zum Beispiel die Verurteilung auf Leistung aus dem Nachlass zu beschränken oder – wenn etwa die Erschöpfung des Nachlasses im Sinne von § 1990 Abs. 1 BGB feststeht – die Klage abzuweisen6. Das Gericht kann sich aber auch in diesen Fällen, in denen sich der Erbe die Einrede seiner beschränkten Haftung nicht lediglich vorbehalten will, sondern diese bereits im Erkenntnisverfahren erhebt und behauptet, deren Voraussetzungen seien erfüllt, – wie hier in der Regel damit begnügen, allein den Vorbehalt in das Urteil aufzunehmen, und es dem Erben überlassen, gegen die Zwangsvollstreckung die Klage aus §§ 785, 767 Abs. 1 ZPO zu erheben7.
Hieraus folgt jedoch – anders als die Ausführungen des Oberlandesgerichts Hamm nahelegen – nicht, dass im Erkenntnisverfahren der Vorbehalt allein aufgrund der bloßen Einrede des Erben ausgesprochen wird. Wie bereits aus dem Wortlaut des § 780 Abs. 1 ZPO folgt, setzt dies vielmehr zusätzlich voraus, dass der Erbe als Prozesspartei wegen einer (reinen) Nachlassverbindlichkeit (§ 1967 BGB) in Anspruch genommen wird. Handelt es sich dagegen (auch) um eine Eigenverbindlichkeit des Erben – in Form einer durch ein Handeln des Erben bei der Verwaltung des Nachlasses begründeten Nachlasserbenschuld oder einer reinen Eigenverbindlichkeit, haftet der Erbe (auch) mit seinem Privatvermögen und kann seine Haftung nach den §§ 1973 ff. BGB oder §§ 1989 ff. BGB schon aus diesem Grund nicht auf den Nachlass beschränken. Demzufolge kommt in diesen Fällen der Vorbehalt einer beschränkten Erbenhaftung nach § 780 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht8.
Danach muss das Gericht, auch wenn es – was nach Vorstehendem möglich ist – die Frage der eigentlichen Beschränkung der Haftung des Erben auf den Nachlass nicht weiter klärt, vor dem Ausspruch des Vorbehalts prüfen, ob eine reine Nachlassverbindlichkeit vorliegt. Dies hat das Landgericht bezüglich der hier streitgegenständlichen Forderungen bejaht und daher dem Erben den Vorbehalt gewährt, jedoch die Klärung der weiteren Frage, ob dieser nur mit dem Nachlass haftet – mithin die Prüfung der (übrigen) Voraussetzungen der § 1990 Abs. 1 BGB beziehungsweise § 1974 Abs. 1 BGB – zulässigerweise in das Vollstreckungsabwehrklageverfahren verlagert.
Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Hamm steht diese fehlende Prüfung der weiteren Voraussetzungen der Haftungsbeschränkung einer Beschwer der Gläubigerin durch den Ausspruch des Vorbehalts nach § 780 Abs. 1 ZPO im Erkenntnisverfahren nicht entgegen. Denn bereits die Rechtskraftwirkungen des Vorbehalts sind für die Gläubigerin vorliegend nachteilig und begründen für sie eine Beschwer.
Die klagende Partei ist durch eine gerichtliche Entscheidung dann beschwert, wenn deren rechtskraftfähiger Inhalt von dem in der unteren Instanz gestellten Antrag zu ihrem Nachteil abweicht (sogenannte formelle Beschwer)9. Somit kommt es für die Frage der Beschwer entscheidend darauf an, worüber rechtskräftig entschieden werden sollte und worüber tatsächlich entschieden ist, mithin auf den Umfang der prozessualen Rechtskraftwirkung, die das Urteil haben würde, wenn es nicht angefochten werden könnte10.
Durch das Erfordernis einer Beschwer des Rechtsmittelklägers als Voraussetzung für die Zulässigkeit des von ihm eingelegten Rechtsmittels, soll erreicht werden, dass der Rechtsmittelzug nur eröffnet wird, wenn dafür ein sachliches Bedürfnis besteht11. Im Interesse der Gesamtheit der rechtsschutzsuchenden Bürger und des jeweiligen Prozessgegners soll ausgeschlossen werden, dass das Rechtsmittelgericht sich mit dem Rechtsstreit befassen muss, ohne dass der Rechtsmittelkläger ein schutzwürdiges Interesse an der von ihm erstrebten Entscheidung hat. Danach ist die Beschwer eine Erscheinungsform des Rechtsschutzbedürfnisses12.
Hiernach ist die Gläubigerin durch den Ausspruch des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung (§ 780 Abs. 1 ZPO) vorliegend beschwert.
Allerdings folgt dies nicht bereits daraus, dass sich infolge des dem Erben zuerkannten Vorbehalts die Position der Gläubigerin im Rahmen der Vollstreckung ihres titulierten Zahlungsanspruchs verschlechterte, weil der Erbe bei fehlendem Ausspruch des Vorbehalts mit dem Einwand der beschränkten Erbenhaftung im Vollstreckungsverfahren von vornherein ausgeschlossen wäre und die Gläubigerin ungehindert hätte vollstrecken können. Denn infolge einer seitens des Erben (noch) zu erhebenden Vollstreckungsabwehrklage (§§ 781, 785 ZPO) käme es im Ergebnis lediglich zu einer zeitlich verzögerten Beitreibung der Forderung, wodurch die Gläubigerin – was das OLG Hamm noch zutreffend erkannt hat – allein grundsätzlich nicht beschwert wäre13.
In dieser (möglicherweise) verzögerten Befriedigung der Gläubigerin durch die vom Erben zu erhebende Vollstreckungsabwehrklage erschöpft sich die Wirkung des Vorbehalts nach § 780 Abs. 1 ZPO jedoch nicht. Vielmehr wäre das über die Vollstreckungsabwehrklage entscheidende Gericht an einen rechtskräftig ausgesprochenen Vorbehalt, der in diesem Verfahren eine Vorfrage darstellt – ohne Vorbehalt erfolgt eine Prüfung der weiteren Voraussetzungen der beschränkten Erbenhaftung nicht – gebunden. Daraus folgt auch, dass dieses Gericht vom Vorliegen einer reinen Nachlassverbindlichkeit (§ 1967 BGB), welche sowohl materiell-rechtliche Voraussetzung für die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass, als auch prozessuale Voraussetzung für den Ausspruch des Vorbehalts ist, auszugehen hat und diese – vorliegend zum Nachteil der Gläubigerin entschiedene – Frage nicht anders bewerten darf als im Erkenntnisverfahren.
Damit geht einher, dass die Gläubigerin, die eine Verurteilung ohne Vorbehalt erstrebt, da sie der Ansicht ist, bei ihren Forderungen handele es sich (auch) um Eigenverbindlichkeiten des Erben, so dass dieser seine Haftung von vornherein nicht auf den Nachlass beschränken könne, nach den Grundsätzen der sogenannten Tatsachenpräklusion mit (erneutem) Vorbringen zur Art der Forderungen im Verfahren der Vollstreckungsabwehrklage ausgeschlossen wäre.
Nach alledem hat die Gläubigerin ein schutzwürdiges Interesse daran, die zu ihrem Nachteil entschiedene Frage des Vorliegens einer reinen Nachlassverbindlichkeit mit einem Rechtsmittel anzugreifen und ihre diesbezüglichen Einwände im Instanzenzug des Erkenntnisverfahrens geltend zu machen.
Entgegen der Erwägung des Oberlandesgerichts Hamm und der Ansicht der Revision folgt die Bindung des über die Vollstreckungsabwehrklage entscheidenden Gerichts an den Vorbehalt sowie an das Vorliegen der seinen Ausspruch voraussetzenden reinen Nachlassverbindlichkeit jedoch nicht aus § 318 ZPO, da hiernach nur die in derselben Instanz erlassenen Urteile erfasst werden, an welche das Gericht im weiteren anhängigen Verfahren – innerhalb der Instanz – gebunden ist14, wozu das Verfahren der Vollstreckungsabwehrklage (§§ 785, 767 Abs. 1 ZPO) nicht gehört.
Die Bindung des über die Vollstreckungsabwehrklage entscheidenden Gerichts an den Vorbehalt sowie der Ausschluss der Gläubigerin mit erneutem Vortrag zum Nichtvorliegen einer reinen Nachlassverbindlichkeit (Tatsachenpräklusion) folgt jedoch aus der Rechtskraftwirkung (§ 322 Abs. 1 ZPO) des den Vorbehalt aussprechenden Urteils15.
Gemäß § 322 Abs. 1 ZPO sind Urteile insoweit der Rechtskraft fähig, als über den durch Klage oder Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist. Die Rechtskraft wird hiernach auf den unmittelbaren Streitgegenstand, das heißt auf die Rechtsfolge beschränkt, die aufgrund eines bestimmten Lebenssachverhalts am Schluss der mündlichen Verhandlung den Gegenstand der Entscheidung bildet. Nicht von der Rechtskraft erfasst werden dagegen einzelne Urteilselemente, tatsächliche Feststellungen und rechtliche Folgerungen, auf denen die getroffene Entscheidung aufbaut16.
Ist die im ersten Prozess rechtskräftig entschiedene Rechtsfolge im zweiten – einen anderen Streitgegenstand betreffenden – Prozess nicht die Hauptfrage, sondern eine Vorfrage, besteht die Wirkung der Rechtskraft in der Bindung des nunmehr entscheidenden Gerichts an die Vorentscheidung. Das nachentscheidende Gericht ist somit an einer abweichenden Entscheidung der rechtskräftig entschiedenen (Vor-)Frage gehindert, sogenannte Präjudizialität17.
Hiernach hat das im Wege der Vollstreckungsabwehrklage (§§ 780 Abs. 1, 781, 785 ZPO) angerufene Gericht den Vorbehalt nach § 780 Abs. 1 ZPO als Voraussetzung der Klage („Vorfrage“) und somit die Art der Schuld (reine Nachlassverbindlichkeit) seiner Entscheidung zu Grunde zu legen.
Zwar folgt eine solche Bindung nicht schon daraus, dass die Art der Verbindlichkeit sowohl im Erkenntnisverfahren – für den Ausspruch des Vorbehalts – als auch im Verfahren der Vollstreckungsabwehrklage – als Voraussetzung der Beschränkung der Haftung auf den Nachlass – entscheidend ist. Denn das Gericht des Zweitprozesses ist nicht gebunden, wenn die im ersten Prozess rechtskräftig ausgesprochene Rechtsfolge im Folgeprozess nicht präjudiziell ist, sondern beiden Prozessen lediglich eine gemeinsame Vorfrage – reine Nachlassverbindlichkeit – zugrunde liegt18.
Jedoch ist vorliegend nicht lediglich diese Vorfrage, sondern gerade die Rechtsfolge des Erkenntnisverfahrens in Form des ausgesprochenen Vorbehalts präjudiziell. Diesem kommt (auch) eine materielle Bedeutung zu, da infolge seines Ausspruchs dem Erben die Möglichkeit der materiell-rechtlichen Haftungsbeschränkung auf den Nachlass nach den §§ 1973 ff. BGB und §§ 1989 ff. BGB vorbehalten ist19.
Der Vorbehalt nach § 780 Abs. 1 ZPO ist somit präjudiziell für eine spätere Vollstreckungsabwehrklage (§§ 780 Abs. 1, 785, 767 Abs. 1 ZPO); fehlte der Vorbehalt scheiterte diese Klage bereits aus diesem Grund. Da somit die Rechtsfolge des Erkenntnisverfahrens (Vorbehalt) eine (notwendige) Voraussetzung der Vollstreckungsabwehrklage ist, hat das hierüber entscheidende Gericht diese Urteilswirkung zu beachten und ist an den Vorbehalt gebunden. Denn die Rechtskraft hat die Bedeutung, dass unter den Parteien über das Bestehen oder Nichtbestehen der aus dem vorgetragenen Sachverhalt im Urteil hergeleiteten Rechtsfolge eine nochmalige Verhandlung und Entscheidung unzulässig ist, die erkannte Rechtsfolge also unangreifbar ist20.
Infolge dieser Unangreifbarkeit des Vorbehalts ist das Gericht daran gehindert, die Art der Verbindlichkeit (nochmals) zu prüfen und gleichsam über diesen „Umweg“ die Rechtmäßigkeit des Rechtsfolgenausspruchs (Vorbehalt) in Frage zu stellen. Denn – wie ausgeführt – setzt die Zuerkennung des Vorbehalts (allein) die Prüfung der Art der Schuld und im Ergebnis die – vorliegend zum Nachteil der Gläubigerin erfolgte – Bejahung einer reinen Nachlassverbindlichkeit voraus. Dies ist die einzige, die Rechtsfolge unmittelbar bestimmende Voraussetzung eines Vorbehaltsausspruchs, die ihrerseits wiederum Voraussetzung für die Durchführung eines späteren Prozesses ist. Würde im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage das Vorliegen einer reinen Nachlassverbindlichkeit verneint werden, würde das Gericht der Sache nach entscheiden, dass dem Erben der Vorbehalt zu Unrecht zugesprochen wurde. Dies ist ihm nach Vorstehendem verwehrt. Somit ist die im Erkenntnisverfahren entschiedene Rechtsfolge im Verfahren der Vollstreckungsabwehrklage einer erneuten rechtlichen Würdigung nicht zugänglich; auch nicht mittelbar über die Prüfung der Art der Schuld.
Gegen eine nochmalige Prüfung der Art der Verbindlichkeit im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage spricht auch die durch § 780 Abs. 1 ZPO bewirkte Funktionsteilung zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren. Die Verlagerung der Prüfung der materiellen Voraussetzungen der Haftungsbeschränkungen nach den §§ 1973 ff. BGB beziehungsweise §§ 1989 ff. BGB in das Vollstreckungsverfahren dient der Entlastung des Erkenntnisverfahrens von der regelmäßig zeitaufwändigen Klärung des Umfangs der Haftung des Erben, insbesondere der Zusammensetzung des Nachlasses21. Demgegenüber ist die vorgeschaltete Klärung der Art der Verbindlichkeit als eine vom Erblasser herrührende Schuld im Sinne des § 1967 Abs. 2 Alt. 1 BGB typischerweise eine Sache des Erkenntnisverfahrens22. Lediglich die weiteren Voraussetzungen der beschränkten Erbenhaftung sollen später geprüft werden, um die Vermögensmasse des Schuldners (nur Nachlass oder auch das Eigenvermögen) zu bestimmen, auf welche der Gläubiger im Vollstreckungswege zugreifen kann.
Von der aufgezeigten Präjudizialität des Vorbehaltsausspruchs nach § 780 Abs. 1 ZPO abgesehen, liegt eine Beschwer der Gläubigerin auch darin, dass es ihr selbst ebenfalls nach den Grundsätzen der sogenannten Tatsachenpräklusion verwehrt wäre, im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage (erneut) Einwände gegen die Einordnung der Schuld als reine Nachlassverbindlichkeit geltend zu machen.
Zwar erwachsen nach dem zuvor Ausgeführten die tatsächlichen Feststellungen in einem Urteil nicht in Rechtskraft. Jedoch darf die Rechtskraft einer Entscheidung über den erhobenen Anspruch nicht mit dem Vorbringen ausgehöhlt werden, das rechtskräftige Urteil gründe sich auf unrichtige tatsächliche Feststellungen. Daher gehört zu den Rechtskraftwirkungen auch die Präklusion der im ersten Prozess vorgetragenen – sowie der nicht vorgetragenen, aber vor Schluss der mündlichen Verhandlung entstandenen – Tatsachen, die zu einer Abweichung von der rechtskräftig festgestellten Rechtsfolge führen sollen23.
Diese Tatsachenpräklusion besteht innerhalb der Grenzen des Streitgegenstands, da sie nicht weiterreicht als die Rechtskraftwirkungen eines Urteils24. Somit sind die Parteien mit dem Vortrag solcher Tatsachen, die im maßgebenden Zeitpunkt des Vorprozesses schon vorhanden waren und mit denen das Ziel verfolgt wird, das „kontradiktorische Gegenteil“ der früher festgestellten oder abgelehnten Rechtsfolge auszusprechen, insoweit ausgeschlossen, als diese Tatsachen bei natürlicher Anschauung zu dem im Vorprozess vorgetragenen Lebensvorgang gehören25.
Demnach könnte die Gläubigerin im Falle der Rechtskraft die im Erkenntnisverfahren schon vorhandenen Tatsachen, welche aus ihrer Sicht der Einordnung der Schuld als reine Nachlassverbindlichkeit entgegenstehen, im Verfahren der Vollstreckungsabwehrklage nicht (nochmals) vorbringen. Es wäre ihr daher verwehrt – auf Basis des gleichen Lebenssachverhalts – die bereits zu ihrem Nachteil entschiedene Frage erneut zur Prüfung zu stellen und damit geltend zu machen, der Erbe habe schon aufgrund der Art der Verbindlichkeit gar nicht die Möglichkeit seine Haftung auf den Nachlass zu begrenzen, so dass der Vorbehalt zu Unrecht ausgesprochen worden sei.
Denn damit würde die Gläubigerin der Sache nach das „kontradiktorische Gegenteil“ der im Erkenntnisverfahren rechtskräftig festgestellten Rechtsfolge – Vorbehalt nach § 780 Abs. 1 ZPO – begehren. Ein Angriff der Gläubigerin auf die Art der Verbindlichkeit ist immer gleichzeitig auch ein unmittelbarer Angriff auf die Rechtsfolge. Dies ist ihr verwehrt, da es mit dem Rechtsfrieden stiftenden Zweck der Rechtskraft unvereinbar ist, wenn eine Partei nach (rechtskräftigem) Ausspruch eines Vorbehalts nach § 780 Abs. 1 ZPO diesen sogleich im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage (mittelbar) wieder in Frage stellen dürfte.
Folglich hat die Gläubigerin wegen der Präjudizialität eines rechtskräftig ausgesprochenen Vorbehalts und der damit einhergehenden Tatsachenpräklusion ein schutzwürdiges Interesse daran, gegen den sie beschwerenden Ausspruch des Vorbehalts nach § 780 Abs. 1 ZPO im Rechtsmittelweg vorzugehen.
Zur Begründung seiner gegenteiligen Ansicht kann sich das OLG Hamm nicht auf Entscheidungen des V. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zur fehlenden Beschwer durch einen im Urteil ausgesprochenen Vorbehalt stützen. Diese betrafen Fälle des § 780 Abs. 2 ZPO und damit die – vorliegend nicht relevanten – Besonderheiten des Fiskalerbrechts26. Die Frage des Vorliegens einer Beschwer im hier gegebenen Fall des § 780 Abs. 1 ZPO wurde (demgegenüber) ausdrücklich offengelassen27.
Nach § 780 Abs. 2 ZPO ist der Vorbehalt nicht erforderlich, wenn der Fiskus als gesetzlicher Erbe verurteilt wird oder wenn das Urteil über eine Nachlassverbindlichkeit gegen einen Nachlassverwalter oder einen anderen Nachlasspfleger oder gegen einen Testamentsvollstrecker, dem die Verwaltung des Nachlasses zusteht, erlassen wird. In diesen Fällen kann sich der Verurteilte im Nachhinein stets, mithin unabhängig davon, ob ein Vorbehalt in das Urteil aufgenommen wurde, auf die Einrede der beschränkten Erbenhaftung berufen.
Wird dennoch ein Vorbehalt ausgesprochen, gibt dieser lediglich die Gesetzeslage wieder, ist somit deklaratorisch. Damit liegt eine bloß formale Abweichung vom Klageantrag ohne jegliche inhaltliche Relevanz vor, so dass ein Unterschied zwischen dem rechtskraftfähigen Inhalt einer Entscheidung mit und ohne Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung nicht besteht und es damit an einer Beschwer der Gläubigerseite fehlt28.
Demgegenüber stellt der Vorbehalt nach § 780 Abs. 1 ZPO – entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung – mehr als einen bloßen „Hinweis auf die gesetzlichen Rechte“ des Erben dar. Er ist gerade nicht nur eine „leere Floskel“29, sondern hat vielmehr – wie ausgeführt – sowohl eine materielle Bedeutung und ist ferner konstitutiv für die spätere Erhebung der Vollstreckungsabwehrklage.
Die nach Vorstehendem gegebene Beschwer kann die Gläubigerin auch in der Rechtsmittelinstanz beseitigen30.
Denn dem Ausspruch nach § 780 Abs. 1 ZPO geht wie ausgeführt eine inhaltliche Prüfung der Art der Verbindlichkeit voraus, so dass die Gläubigerin mit ihrer Berufung – je nach Fallgestaltung – diesbezüglich sowohl eine Rechtsverletzung (§ 513 Abs. 1 Alt. 1, §§ 546, 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO) als auch Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit von Tatsachenfeststellungen (§ 513 Abs. 1 Alt. 2, § 529 Abs. 1, § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO) rügen kann.
Aus der – auch vom OLG Hamm herangezogenen – Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13.07.198931 ergibt sich nichts für das Fehlen einer Beschwer in der vorliegenden Fallgestaltung. Denn jener Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem das (offensichtliche) Vorliegen einer reinen Nachlassverbindlichkeit (Klage gegen die Erbin aus einem vom Erblasser herrührenden Schuldschein) von der klagenden Partei nicht in Frage gestellt wurde und damit insoweit keine Möglichkeit eines im Ergebnis erfolgreichen Berufungsangriffs bestand. Aus diesem Grund beschäftigt sich die genannte – im Rahmen einer Rechtsanwaltshaftung ergangene – Entscheidung auch lediglich mit der (von ihr verneinten) Frage, ob mit der Verlagerung der Prüfung der eigentlichen Beschränkung der Haftung des Erben auf den Nachlass in das Vollstreckungsverfahren eine Beschwer verbunden ist.
Bei der Prüfung der Frage, um welche Art von Verbindlichkeit es sich bei den streitgegenständlichen Forderungen in Bezug auf den Erben handelt, ist zu berücksichtigen, dass dessen persönliche Haftung ein eigenes Verhalten als Haftungsgrundlage voraussetzt; für Verbindlichkeiten aus der Verwaltung des Nachlasses, die ohne sein Zutun entstehen, haftet der Erbe demgegenüber nur als Träger des Nachlasses32.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. Oktober 2020 – VIII ZR 261/18
- Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 13.07.1989 – IX ZR 227/87, NJW-RR 1989, 1226 unter II 2[↩]
- OLG Hamm, Urteil vom 02.08.2018 – I-2 U 178/17[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2014 – V ZR 32/13, NJWRR 2015, 521 Rn. 30[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 21.01.1994 – V ZR 238/92, NJW 1994, 1161 unter I[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 11.07.1991 – IX ZR 180/90, NJW 1991, 2839 unter I 2 b bb[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 09.03.1983 – IVa ZR 211/81, NJW 1983, 2378 unter 2; Beschluss vom 25.01.2018 – III ZR 561/16, FamRZ 2018, 767 Rn. 5; jeweils mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 17.12.1953 – IV ZR 101/53, NJW 1954, 635; vom 11.07.1991 – IX ZR 180/90, aaO; vom 02.02.2010 – VI ZR 82/09, NJW-RR 2010, 664 Rn. 8[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 05.07.2013 – V ZR 81/12, NJW 2013, 3446 Rn. 6; vom 25.09.2019 – VIII ZR 138/18, BGHZ 223, 191 Rn. 51, und – VIII ZR 122/18, NJW-RR 2020, 6 Rn. 52; vgl. auch BGH, Urteil vom 20.04.1983 – IVa ZR 222/81, WM 1983, 823 unter III; BAG, Urteil vom 12.11.2013 – 9 AZR 646/12, NJW 2014, 413 Rn. 18[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 09.10.1990 – VI ZR 89/90, NJW 1991, 703 unter II 3 b; vom 10.03.1993 – VIII ZR 85/92, NJW 1993, 2052 unter II 1 b; vom 02.02.1999 – VI ZR 25/98, BGHZ 140, 335, 338; Beschluss vom 18.01.2007 – IX ZB 170/06, NJW-RR 2007, 765 Rn. 6[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 28.01.1958 – VIII ZR 265/56, BGHZ 26, 295, 296; vom 21.06.1968 – IV ZR 594/68, BGHZ 50, 261, 263[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 03.11.1971 – IV ZR 26/70, BGHZ 57, 224, 225[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 15.05.1984 – VI ZR 155/82, VersR 1984, 739 unter II 2 a; Beschlüsse vom 06.06.1957 – IV ZB 102/57, BGHZ 24, 369, 370; vom 18.01.2007 – IX ZB 170/06, aaO Rn. 10; MünchKommZPO/Rimmelspacher, 6. Aufl. Vorbemerkung zu § 511 Rn. 14; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 18. Aufl., § 136 Rn. 7[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 22.06.1961 – VII ZR 166/60, BGHZ 35, 248, 249 [zum Vorbehaltsurteil][↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 18.10.1968 – X ZB 1/68, BGHZ 51, 131, 138; Stein/Jonas/Althammer, ZPO, 23. Aufl., § 318 Rn. 6; Musielak/Voit/Musielak, ZPO, 17. Aufl., § 318 Rn. 4; Lüke, JuS 2000, 1042[↩]
- vgl. zur Bindungswirkung bei weitergehender Prüfung der beschränkten Erbenhaftung im Erkenntnisverfahren BGH, Urteil vom 17.12.1953 – IV ZR 101/53, NJW 1954, 635 f.; Wieczorek/Schütze/Paulus, ZPO, 4. Aufl., § 780 Rn. 23 ff.[↩]
- st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 17.02.1983 – III ZR 184/81, NJW 1983, 2032 unter III 2; vom 07.07.1993 – VIII ZR 103/92, BGHZ 123, 137, 139 f.; vom 05.11.2009 – IX ZR 239/07, NJW 2010, 2210 Rn. 9; vom 10.04.2019 – VIII ZR 12/18, NJW 2019, 2308, Rn. 30, und – VIII ZR 39/18, NJW 2019, 1745 Rn. 16[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 17.02.1983 – III ZR 184/81, aaO unter III 1; vom 17.03.1995 – V ZR 178/93, NJW 1995, 1757 unter II 1 a; vom 26.06.2003 – I ZR 269/00, NJW 2003, 3058 unter II 1 a; vom 16.01.2008 – XII ZR 216/05, NJW 2008, 1227 Rn. 9 und 23; vom 10.04.2019 – VIII ZR 39/18, aaO Rn. 17[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 18.09.2018 – XI ZR 74/17 26 mwN[↩]
- vgl. RG, JW 1913, 870, 872; BGH, Urteile vom 26.06.1970 – V ZR 156/69, BGHZ 54, 204, 205; vom 09.03.1983 – IVa ZR 211/81, NJW 1983, 2378 unter 2[↩]
- BGH, Urteil vom 06.03.1985 – IVb ZR 76/83, NJW 1985, 2535 unter 1[↩]
- vgl. Hahn, Die gesamten Materialien zur ZPO, Band 2, 1. Abteilung, 2. Aufl., S. 444[↩]
- vgl. K. Schmidt, JR 1989, 45[↩]
- st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 15.10.1986 – IVb ZR 78/85, BGHZ 98, 353, 358 f.; vom 07.07.1993 – VIII ZR 103/92, aaO S. 140 f.; vom 11.11.1994 – V ZR 46/93, NJW 1995, 967 unter II 3[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 30.06.2017 – V ZR 134/16, BGHZ 215, 157 Rn. 10 f.; Beschluss vom 22.09.2016 – V ZR 4/16, NJW 2017, 893 Rn. 18[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 07.07.1993 – VIII ZR 103/92, aaO; vom 24.09.2003 – XII ZR 70/02, NJW 2004, 294 unter 2 c; Beschluss vom 22.09.2016 – V ZR 4/16, aaO Rn. 17[↩]
- siehe BGH, Urteile vom 17.02.2017 – V ZR 147/16, NJW-RR 2017, 1040 Rn. 15; vom 14.12.2018 – V ZR 309/17, NJW 2019, 988 Rn. 5 und 11 f.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 17.02.2017 – V ZR 147/16, aaO Rn. 9; ebenso BGH, Urteil vom 02.02.2010 – VI ZR 82/09, NJW-RR 2010, 664 Rn. 4[↩]
- vgl. hierzu BGH, Urteil vom 17.02.2017 – V ZR 147/16, aaO[↩]
- so auch RG, JW 1913, 870, 872[↩]
- vgl. zu diesem Erfordernis BGH, Urteil vom 14.03.2012 – XII ZR 164/09, NJW-RR 2012, 516 Rn. 17[↩]
- BGH, Urteil vom 13.07.1989 – IX ZR 227/87, NJW-RR 1989, 1226 unter II 2[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 05.07.2013 – V ZR 81/12, NJW 2013, 3446 Rn. 14; vom 25.09.2019 – VIII ZR 138/18, BGHZ 223, 191 Rn. 25 und – VIII ZR 122/18, NJW-RR 2020, 6 Rn. 25[↩]