Unter den Voraussetzungen des § 260 Abs. 2 BGB ist der Erbe auch dann zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verpflichtet, wenn die Auskunft nach § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses erteilt worden ist. Die Versicherung an Eides statt ist nicht auf die Angaben, die im Verzeichnis als solche des Erben gekennzeichnet sind, beschränkt. Hält der Erbe Ergänzungen oder Berichtigungen des notariellen Verzeichnisses für erforderlich, ist die an Eides statt zu versichernde Formel entsprechend anzupassen (vgl. § 261 Abs. 1 BGB).

Ob der Pflichtteilsberechtigte vom Erben unter den Voraussetzungen des § 260 Abs. 2 BGB die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung auch dann verlangen kann, wenn die Vollständigkeit der Angaben in einem notariellen Nachlassverzeichnis (§ 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB) an Eides statt versichert werden soll, ist umstritten.
Eine Auffassung geht davon aus, dass ein notarielles Nachlassverzeichnis nicht Gegenstand einer eidesstattlichen Versicherung sein könne, weil es in der Regel keine eigenen Erklärungen des Auskunftsverpflichteten, die zu versichern wären, enthalte1. Vielmehr handele es sich um die Bestandserklärung des Notars, der für deren Inhalt alleine verantwortlich sei2. Systematisch stünden der Anspruch auf Erstellung eines privaten und eines notariellen Nachlassverzeichnisses selbständig nebeneinander. Dabei verweise § 2314 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB auf § 260 BGB. Dieser Verweis finde sich jedoch in dem folgenden § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht, weswegen § 260 Abs. 2 BGB beim notariellen Verzeichnis nicht gelte3.
Nach der überwiegenden Auffassung kann hingegen auch bei Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses eine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bestehen. Deren Gegenstand seien aber nur die Angaben, die der Notar in dem Verzeichnis als solche des auskunftspflichtigen Erben gekennzeichnet hat und nicht das Verzeichnis insgesamt4. Auch beim notariellen Nachlassverzeichnis handele es sich um eine Auskunftserteilung durch den Erben. Ohne dessen Mitwirkung könne der Notar das Verzeichnis nicht errichten. Die „Verantwortung“ des Notars entbinde den Erben nicht von dessen eigener Verantwortung5. Der Unterschied zwischen dem notariellen und privaten Verzeichnis bestehe lediglich in der Form, nicht im Inhalt. Bestehe indes ein weitgehender Gleichlauf, so sei es konsequent, auch die Nebenansprüche und Nebenrechte als gleichlaufend zu betrachten6. Im Übrigen werde die Schwächung des notariellen Nachlassverzeichnisses, das im Rahmen des § 2314 BGB als das stärkere, höhere Richtigkeitsgewähr erbringende Auskunftsmittel angesehen werde, bei fehlender Möglichkeit zur Forderung einer eidesstattlichen Versicherung in der Regel nicht durch den Vorteil der notariellen Ermittlungspflicht aufgewogen7. Jedoch könne dem Erben nicht zugemutet werden, eine Versicherung an Eides statt bezüglich solcher Teile des notariellen Nachlassverzeichnisses abzugeben, deren Inhalt er nicht beeinflussen konnte8.
Dagegen hat der Erbe nach einer dritten Auffassung eine eidesstattliche Versicherung abzugeben, die sämtliche Angaben im notariellen Nachlassverzeichnis umfasst9. Der Erbe erfülle mit dem notariellen Nachlassverzeichnis eine eigene Auskunftsverpflichtung, so dass er sich das Verzeichnis bei dessen Verwendung zurechnen lassen müsse10. Lege der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten das notarielle Nachlassverzeichnis vor, obwohl er mit dessen Inhalt nicht einverstanden sei, habe er dies dem Pflichtteilsberechtigten mitzuteilen. Eine eidesstattliche Versicherung sei dann unter Abänderung der an Eides statt zu versichernden Formel (§ 261 Abs. 1 BGB) mit den vom Erben für erforderlich gehaltenen Ergänzungen und Berichtigungen abzugeben. Dadurch werde dem berechtigten Informationsbedürfnis des Auskunftsberechtigten im Rahmen des Möglichen entsprochen, ohne dass der Erbe damit überfordert wäre11.
Die zuletzt genannte Auffassung trifft zu. Unter den Voraussetzungen des § 260 Abs. 2 BGB ist der Erbe auch dann zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verpflichtet, wenn die Auskunft nach § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses erteilt worden ist. Eine Beschränkung der Versicherung an Eides statt auf die Angaben, die im Verzeichnis als solche des Erben gekennzeichnet sind, erfolgt nicht. Hält der Erbe Ergänzungen oder Berichtigungen des notariellen Verzeichnisses für erforderlich, ist die an Eides statt zu versichernde Formel entsprechend anzupassen (vgl. § 261 Abs. 1 BGB).
Für eine unbeschränkte eidesstattliche Versicherung sprechen bereits der Wortlaut und die Systematik der §§ 2314 Abs. 1, 260 Abs. 1 und 2 BGB.
Nach § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte „auch“ verlangen, dass „das Verzeichnis“ durch einen Notar aufgenommen wird. Aus § 2314 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB ergibt sich, dass es sich hierbei um ein Bestandsverzeichnis im Sinne des § 260 Abs. 1 BGB handelt12. Denn nach § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB hat der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten auf Verlangen über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu erteilen. Nach § 260 Abs. 1 BGB ist dieser Auskunftsanspruch dadurch zu erfüllen, dass der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten ein Verzeichnis des Bestandes vorlegt13. Dies wird durch § 2314 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB bestätigt. Danach kann der Pflichtteilsberechtigte verlangen, dass er bei der Aufnahme des ihm „nach § 260 vorzulegenden Verzeichnisses der Nachlassgegenstände“ zugezogen wird. Indem § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB im Anschluss hieran „das Verzeichnis“ nennt, nimmt er auf das zuvor in § 2314 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB genannte Verzeichnis im Sinne des § 260 Abs. 1 BGB Bezug14. Mit Blick darauf ist ein ausdrücklicher Verweis in § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB auf § 260 BGB nicht erforderlich15.
Nach § 260 Abs. 2 BGB ist der Verpflichtete zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verpflichtet, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt aufgestellt worden ist. Dabei unterscheidet der Wortlaut des § 260 Abs. 2 BGB nicht danach, wer das Verzeichnis aufgestellt hat, sondern ist im Passiv formuliert16, sodass auch das vom Notar erstellte Nachlassverzeichnis vom Wortlaut erfasst wird.
Dem steht nicht entgegen, dass nach der Formel der eidesstattlichen Versicherung der Verpflichtete zu Protokoll an Eides statt zu versichern hat, dass „er“ nach bestem Wissen den Bestand so vollständig „angegeben“ habe, als „er“ dazu imstande sei. Zwar setzt § 260 BGB eine eigene Auskunft des Schuldners voraus, da die Auskunftserteilung als Wissenserklärung höchstpersönlicher Natur; und vom Verpflichteten in Person zu erfüllen ist17. Die Hinzuziehung von Hilfspersonen wird dadurch aber grundsätzlich nicht ausgeschlossen und kommt z.B. in Betracht, wenn der Verpflichtete andernfalls zu einer sachgerechten Auskunftserteilung nicht in der Lage ist18. Erforderlich ist allerdings die Feststellung, dass der Verpflichtete die vorgelegte Auskunft als eigene Erklärung abgeben will19. Nach diesen Grundsätzen handelt es sich um eine eigene Auskunft des Erben, wenn er – wie hier der Erbe – das vom Notar erstellte Verzeichnis zur Erfüllung des gegen ihn nach § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB bestehenden Auskunftsanspruchs vorlegt und sich dieses dadurch zu eigen macht20.
Die Entstehungsgeschichte des § 2314 Abs. 1 BGB steht – anders als der Erbe meint – einer Verpflichtung zur Abgabe einer unbeschränkten eidesstattlichen Versicherung nicht entgegen. Zwar weist der Erbe zutreffend darauf hin, dass im Gesetzgebungsverfahren die Erste Kommission zunächst nur ein privates Nachlassverzeichnis mit einem unbeschränkten Anspruch auf eidliche Versicherung der Richtigkeit des Verzeichnisses vorsah21; richtig ist auch, dass erst die Zweite Kommission das notarielle Nachlassverzeichnis regelte22 sowie den Anspruch auf einen Offenbarungseid dahingehend einschränkte, dass konkrete Richtigkeitszweifel vorliegen müssen23. Entgegen der Auffassung des Erben hat die Zweite Kommission dadurch aber nicht zum Ausdruck gebracht, dass schon die Aufnahme des Verzeichnisses durch den Notar die erforderliche inhaltliche Kontrolle gewährleiste. Den Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Auskunftserteilung durch Vorlage eines amtlichen Verzeichnisses hat der Gesetzgeber allein damit begründet, dass es sich dabei um die für die Inventarerrichtung vorgeschriebene Form handele24. Einen Ausschluss der eidesstattlichen Versicherung für diesen Fall oder deren Beschränkung auf solche Angaben, die im notariellen Nachlassverzeichnis als solche des Erben gekennzeichnet sind, hat der Gesetzgeber nicht – auch nicht später – vorgesehen. Vielmehr ging er ohne weitere Erläuterungen davon aus, dass sich die Pflicht des Erben zur Leistung des Offenbarungseids, dem heute die Versicherung an Eides statt entspricht25, nach den allgemeinen Vorschriften richte26.
Maßgebend für die Verpflichtung des Erben zur Abgabe einer unbeschränkten eidesstattlichen Versicherung nach § 260 Abs. 2 BGB ist der Sinn und Zweck des notariellen Nachlassverzeichnisses und der Gesamtregelung des § 2314 Abs. 1 BGB.
§ 2314 BGB soll es dem Pflichtteilsberechtigten ermöglichen, sich die notwendigen Kenntnisse zur Bemessung seines Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen. Hierbei soll ein notarielles Nachlassverzeichnis eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft als das private Verzeichnis des Erben bieten. Dementsprechend muss der Notar den Bestand des Nachlasses selbst und eigenständig ermitteln und durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringen, dass er den Inhalt verantwortet27.
Dies ändert jedoch nichts daran, dass das private und das notarielle Verzeichnis inhaltlich wesensgleich sind28. Bei der Auskunft gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB geht es um die Weitergabe von Wissen, das der Verpflichtete hat oder sich verschaffen muss, an den Pflichtteilsberechtigten29. Die Erstellung und Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses betrifft lediglich die für die Erfüllung der Auskunftspflicht nach § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB vorgegebene Form der Auskunftserteilung30. Schuldner des Verzeichnisses ist jeweils der Erbe31, der mit Blick darauf unabhängig von den Pflichten des Notars – die Verantwortung für die Richtigkeit und Vollständigkeit auch des notariellen Verzeichnisses trägt32. Der Erbe wählt den Notar aus und entscheidet allein, ob er das erstellte notarielle Nachlassverzeichnis vorlegt33.
Bestünde keine Pflicht zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, würde der Sinn und Zweck des notariellen Nachlassverzeichnisses in sein Gegenteil verkehrt. Das notarielle Nachlassverzeichnis würde seiner Bedeutung als größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft gegenüber dem privaten Nachlassverzeichnis weitgehend entkleidet, wenn die eidesstattliche Versicherung als Kontrollinstrument fehlte.
Die Abgabe der Versicherung an Eides statt ist die einzige im Gesetz vorgesehene abschließende und erschöpfende Sanktion zur Sicherstellung der Richtigkeit und Vollständigkeit der erteilten Auskunft, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt aufgestellt worden ist34. Eine Berichtigung oder Ergänzung des notariellen Nachlassverzeichnisses kann der Pflichtteilsberechtigte grundsätzlich nicht verlangen35.
Ohne Mitwirkung des Erben kann der Notar das Verzeichnis nicht aufnehmen. Er – und damit auch der Pflichtteilsberechtigte – ist vielmehr darauf angewiesen, dass ihm der Erbe die für die Aufnahme des Verzeichnisses erforderlichen Informationen übermittelt36. Er muss zunächst von den Angaben des Erben ausgehen, auch wenn er sich hierauf nicht beschränken und insbesondere nicht lediglich eine Plausibilitätsprüfung durchführen darf, sondern diejenigen Nachforschungen zur Ermittlung des Nachlassbestandes anzustellen hat, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde37. Dies ändert aber nichts daran, dass dem Notar ohne die geschuldete Kooperation des Erben eine vollständige und richtige Ermittlung des Nachlassbestandes in der Regel kaum möglich sein wird. Dem steht, anders als der Erbe meint, nicht entgegen, dass der Erbe den Notar auch zur Einholung aller denkbaren Auskünfte bei allen denkbaren Stellen ermächtigen könne. Bei welchen Stellen die Einholung von Auskünften erforderlich ist, richtet sich regelmäßig auch nach den Angaben des Erben.
Es ist nicht geboten, die eidesstattliche Versicherung auf solche Angaben im notariellen Nachlassverzeichnis zu beschränken, die als solche des Erben gekennzeichnet sind. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist dem Erben eine unbeschränkte eidesstattliche Versicherung nicht unzumutbar. Hält der Erbe Ergänzungen oder Berichtigungen des notariellen Verzeichnisses für erforderlich, ist die an Eides statt zu versichernde Formel entsprechend anzupassen (vgl. § 261 Abs. 1 BGB).
Zwar erstellt der Notar aufgrund eigenständiger Ermittlungen das notarielle Nachlassverzeichnis und muss durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringen, dass er den Inhalt verantwortet37. Hält der Erbe Ergänzungen oder Berichtigungen des Verzeichnisses für erforderlich, kann er diese nicht ohne Mitwirkung des Notars im Verzeichnis selbst vornehmen.
Der Erbe ist aber als Auskunftspflichtiger verpflichtet, eigenes Wissen nicht zurückzuhalten und sich anhand der für ihn erreichbaren Erkenntnisquellen bis zur Grenze der Unzumutbarkeit eigenes Wissen zu verschaffen und solches – notfalls mit Unterstützung durch Hilfspersonen zu vervollständigen38. Mit Blick darauf hat er dem Pflichtteilsberechtigten etwaige aus seiner Sicht notwendige Änderungen des notariellen Nachlassverzeichnisses mitzuteilen. Dies betrifft auch Positionen, von denen der Erbe vor den Ermittlungen und Feststellungen des Notars im notariellen Nachlassverzeichnis keine Kenntnis besaß, so dass – entgegen der Auffassung des Erben – eine entsprechende Überprüfungspflicht des Erben besteht. Dies ist dem Erben auch zumutbar, da er sich – wie aufgezeigt – über sein eigenes Wissen hinaus die zur Auskunftserteilung notwendigen Kenntnisse so weit wie möglich zu verschaffen hat. Dabei ist es ihm insbesondere möglich, sich bei dem von ihm beauftragten Notar bei Bedarf nach Unterlagen und Belegen zur Überprüfung der Angaben im notariellen Nachlassverzeichnis zu erkundigen. Im Übrigen wird der Erbe regelmäßig in eigenem Interesse ihm bisher unbekannte Positionen des Nachlassverzeichnisses überprüfen, da diese Auswirkungen auf die Höhe des geschuldeten Pflichtteils haben und von ihm bei der Abwicklung des Nachlasses berücksichtigt werden müssten.
Auf dieser Grundlage kann der Erbe sodann im Rahmen einer eidesstattlichen Versicherung erklären, dass der Nachlass in dem notariellen Verzeichnis – gegebenenfalls – unter Maßgabe der – von ihm konkret zu bezeichnenden – Berichtigungen und Ergänzungen so vollständig als möglich und nach bestem Wissen angegeben ist, als er dazu imstande sei. Dies wird dem berechtigten Informationsbedürfnis des Pflichtteilsberechtigten gerecht, ohne dass der Erbe damit überfordert wäre11. Zudem wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Auskunftsverpflichtete nicht zur Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung gezwungen werden darf39. Das Gesetz lässt für entsprechend flexible Fassungen der an Eides statt zu versichernden Formel in § 261 Abs. 1 BGB genügend Raum40. Die Befugnis zu einer den Umständen entsprechenden Änderung der Formel der eidesstattlichen Versicherung besteht nicht nur, wenn bereits über die Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung entschieden ist, aufgrund später zutage getretener, eine Änderung der Formel erfordernder Umstände, sondern schon bei der Fassung der an Eides statt zu versichernden Formel in jener Entscheidung41.
Die eine eingeschränkte eidesstattliche Versicherung befürwortende Ansicht berücksichtigt im Übrigen nicht, dass es sich bei der Kennzeichnung von Angaben im notariellen Nachlassverzeichnis als solche des Erben ebenfalls um eine Feststellung des Notars handelt und nicht ausgeschlossen ist, dass der Erbe insoweit nach Vorlage des notariellen Verzeichnisses ebenfalls eine Berichtigung oder Ergänzung für erforderlich hält. Dementsprechend macht der Erbe vorliegend geltend, die auf seinen Angaben beruhende Position im notariellen Nachlassverzeichnis zu Schenkungen des Erblassers an den Pflichtteilsberechtigten innerhalb von 10 Jahren vor dem Erbfall sei nach seinen späteren Erkenntnissen falsch.
Indem der Erbe die Vollständigkeit sämtlicher Angaben im notariellen Nachlassverzeichnis – gegebenenfalls unter der Maßgabe etwaiger aus seiner Sicht erforderlicher Berichtigungen und Ergänzungen – an Eides statt versichert, wird auch der Vorgabe des § 260 Abs. 2 BGB genügt, dass sich die eidesstattliche Versicherung auf den gesamten Bestand und nicht nur auf Teile des Bestandverzeichnisses zu beziehen hat42.
Im vorliegenden Fall rügte der Erbe jedoch mit Erfolg, er sei zu Unrecht verpflichtet worden, die Richtigkeit einer Angabe im notariellen Nachlassverzeichnis eidesstattlich zu versichern, die er nachträglich als falsch erkannt habe. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hat in der Berufungsinstanz43 verfahrensfehlerhaft entscheidungserhebliches Vorbringen übergangen (Art. 103 Abs. 1 GG).
Ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör liegt vor, wenn das Berufungsgericht erstinstanzliches Vorbringen in seine Entscheidung nicht einbezieht, obwohl es dem Berufungsbegehren der anderen Partei mit der Folge stattgeben will, dass das bisher nicht relevante Vorbringen der Partei für die Entscheidung erheblich wird44. Das ist hier der Fall.
Das notarielle Nachlassverzeichnis führt auf, „Ausweislich einer schriftlichen Erklärung des Erben vom 11.08.2014“ habe der Erblasser an den Pflichtteilsberechtigten innerhalb von zehn Jahren vor dem Erbfall Schenkungen in Höhe von 218.187 € getätigt. Der Erbe macht zutreffend geltend, er habe bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass diese im notariellen Nachlassverzeichnis aufgeführten Schenkungen tatsächlich unberechtigte Abhebungen des Pflichtteilsberechtigten von Konten des Erblassers und keine Schenkungen seien. Dieses Vorbringen ist entscheidungserheblich. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hätte aufgrund des konkreten Vortrags zu der vom Erben für falsch gehaltenen Angabe im notariellen Verzeichnis, die nach der angegriffenen Entscheidung von der eidesstattlichen Versicherung erfasst wird, die Formel der Versicherung nach § 261 Abs. 1 BGB unter Aufnahme der vom Erben für erforderlich gehaltenen Berichtigung anpassen müssen. Denn der Auskunftsverpflichtete darf – wie der Erbe zu Recht annimmt – nicht zur Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung gezwungen werden39.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 1. Dezember 2021 – IV ZR 189/20
- vgl. Damm, notar 2016, 219, 222 f.; ders., Notarielle Verzeichnisse in der Praxis, 2018, § 1 Rn. 53 und § 2 Rn.197 f.[↩]
- vgl. Damm, Notarielle Verzeichnisse in der Praxis 2018 § 1 Rn. 53; vgl. auch Ahrens, ErbR 2009, 248, 252 f.; Damm aaO[↩]
- vgl. Damm, notar 2016, 219, 223; ders., Notarielle Verzeichnisse in der Praxis, 2018 aaO[↩]
- vgl. KG ErbR 2016, 278 unter II 1 b 25, 27 ff.]; BeckOGK/Blum/Heuser, BGB § 2314 Rn. 84 [Stand: 15.06.2021]; BeckOK BGB/Müller-Engels, § 2314 Rn. 32 [Stand: 1.08.2021]; Horn in Burandt/Rojahn, BGB 3. Aufl. § 2314 Rn. 60; jurisPK-BGB/Birkenheier, 9. Aufl. § 2314 Rn. 102 [Stand: 2.11.2021]; Bock in Kroiß/Ann/Mayer, BGB 5. Aufl. § 2314 Rn. 27a; MünchKomm-BGB/Lange, 8. Aufl. § 2314 Rn. 29; Heinze, RNotZ 2019, 260, 261; Kurth, ZErb 2018, 293, 296; Schönenberg-Wessel, NotBZ 2018, 204, 207[↩]
- vgl. Heinze aaO 260 f.[↩]
- vgl. Heinze aaO 261[↩]
- KG aaO[↩]
- vgl. KG aaO; jurisPK-BGB/Birkenheier aaO[↩]
- vgl. Jahreis, AnwZert ErbR 11/2016 Anm. 2 unter C; Schneider, ZEV 2017, 102, 103; Weidlich, ZEV 2017, 241, 246; ders. in Palandt, BGB 80. Aufl. § 2314 Rn. 7; wohl auch Schindler, BWNotZ 2004, 73, 74; vgl. auch Weidlich, ErbR 2013, 134, 140; Zimmer, ZEV 2008, 365, 368 f. und NotBZ 2005, 208, 211, der sich jedoch gegen eine eigene Ermittlungspflicht des Notars ausspricht[↩]
- vgl. Jahreis aaO; Schneider aaO; Weidlich, ZEV 2017, 241, 246[↩]
- vgl. Weidlich, ZEV 2017, 241, 246 f.[↩][↩]
- vgl. Heinze, RNotZ 2019, 260, 261; a.A. Damm, notar 2016, 219, 223; ders., Notarielle Verzeichnisse in der Praxis, 2018, § 1 Rn. 53 und § 2 Rn.197[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 02.11.1960 – V ZR 124/59, BGHZ 33, 373 unter II 1 und 2 11 f.][↩]
- vgl. Heinze aaO[↩]
- a.A. Damm jeweils aaO[↩]
- vgl. auch Heinze, RNotZ 2019, 260, 263[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 04.06.2014 – VIII ZR 4/13, WuM 2014, 558 Rn. 27; Beschluss vom 28.11.2007 – XII ZB 225/05, NJW 2008, 917 Rn. 12 f.[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 28.11.2007 aaO Rn. 15[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 04.06.2014 aaO Rn. 27 f.; Beschluss vom 28.11.2007 aaO Rn. 15, 18[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 04.06.2014 aaO; Beschluss vom 28.11.2007 Rn. 15; vgl. auch BGH, Beschluss vom 12.06.2014 – I ZB 37/13, MDR 2014, 1342 Rn. 8; Schreinert, RNotZ 2008, 61, 76[↩]
- vgl. Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Erste Lesung, amtliche Ausgabe, 1888, § 777 und § 1988; vgl. auch Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Band V, Erbrecht, Amtliche Ausgabe, 1888, S. 409 f.; Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Band II, Recht der Schuldverhältnisse, Amtliche Ausgabe, 1888, S. 893 f.[↩]
- vgl. Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, bearbeitet von Achilles, Spahn und Gebhard, Band V, Erbrecht, 1899, S. 520[↩]
- vgl. Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, bearbeitet von Achilles, Spahn und Gebhard, Band II, Recht der Schuldverhältnisse, S. 786 ff.[↩]
- vgl. Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, bearbeitet von Achilles, Spahn und Gebhard, Band V, Erbrecht, 1899, S. 520 f.[↩]
- vgl. Gesetz zur Änderung des Rechtspflegergesetzes, des Beurkundungsgesetzes und zur Umwandlung des Offenbarungseides in eine eidesstattliche Versicherung vom 27.06.1970, BGBl. I S. 911, 912[↩]
- vgl. Verhandlungen des Reichstags, 9. Legislaturperiode, IV. Session 1895/97, Anlagenband 1 Aktenstück 87 – Denkschrift zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs – S. 741[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 20.05.2020 – IV ZR 193/19, ZEV 2020, 625 Rn. 8; BGH, Beschluss vom 13.09.2018 – I ZB 109/17, ZEV 2019, 81 Rn. 31 f.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 31.10.2018 – IV ZR 313/17, ZEV 2019, 85 Rn. 22[↩]
- BGH, Urteil vom 31.10.2018 aaO Rn. 23[↩]
- vgl. OLG Koblenz ZEV 2018, 413 Rn. 13; OLG Nürnberg FamRZ 2010, 584 unter II 2 d 15]; Kurth, ZErb 2018, 293, 296[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 31.10.2018 aaO Rn. 22[↩]
- vgl. OLG Koblenz aaO; OLG Nürnberg aaO; Palandt/Weidlich, BGB 80. Aufl. § 2314 Rn. 7; Kurth aaO[↩]
- vgl. Palandt/Weidlich aaO[↩]
- vgl. van der Auwera, ZEV 2008, 359; vgl. auch BGH, Urteil vom 20.05.2020 – IV ZR 193/19, ZEV 2020, 625 Rn. 10 m.w.N.; BGH, Urteil vom 03.07.1984 – X ZR 34/83, BGHZ 92, 62 unter I 3 12 und 16] zu § 259 Abs. 2 BGB; Keim, NJW 2020, 2996, 3000[↩]
- vgl. – auch zu den Ausnahmen – BGH, Urteil vom 20.05.2020 aaO[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 13.09.2018 – I ZB 109/17, ZEV 2019, 81 Rn. 14[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 20.05.2020 – IV ZR 193/19, ZEV 2020, 625 Rn. 8[↩][↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 20.05.2020 aaO Rn. 11; vom 31.10.2018 – IV ZR 313/17, ZEV 2019, 85 Rn. 23[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 12.06.2014 – I ZB 37/13, MDR 2014, 1342 Rn. 11[↩][↩]
- vgl. auch BGH, Urteil vom 08.06.1988 – IVa ZR 57/87, BGHZ 104, 369 unter I 2 9] zu § 261 BGB bei Übergang der Pflicht des Erblassers zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung auf den Erben[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 03.07.1984 – X ZR 34/83, BGHZ 92, 62 unter I 3 13]; RGZ 125, 256, 259 f.[↩]
- vgl. MünchKomm-BGB/Krüger, 8. Aufl. § 260 Rn. 48[↩]
- OLG Schleswig, Urteil vom 14.07.2020 – 3 U 36/19[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 10.10.2018 – VII ZR 13/18, BauR 2019, 544 Rn. 15; BVerfG NJW 2015, 1746 Rn. 17[↩]
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