Die eidesstattliche Versicherung des Erben – und die erforderliche Sorgfalt

Ob eine Auskunft mit der erforderlichen Sorgfalt erteilt worden ist oder nicht, ist im wesentlichen Tatfrage1.

Die eidesstattliche Versicherung des Erben – und die erforderliche Sorgfalt

In der Revisionsinstanz kann vom Bundesgerichtshof nur geprüft werden, ob die Erwägungen des Berufungsgerichts von Rechtsirrtum beeinflusst sind oder ob von der Revision erhobene Verfahrensrügen durchgreifen2.

Danach ist für den Bundesgerichtshof im hier entschiedenen Fall nicht zu beanstanden, dass das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht bei der Auskunftserteilung durch das notarielle Nachlassverzeichnis von mangelnder Sorgfalt des Beklagten ausgegangen ist, weil dieser in dem zunächst von ihm selbst aufgestellten Nachlassverzeichnis vom 23.02.2014 ein Bankkonto des Erblassers bei der B. Bank nicht angegeben hatte3. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Angabe dieses Bankkontos im notariellen Nachlassverzeichnis nicht auf Erklärungen des Beklagten gegenüber dem Notar beruht.

Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass für die Beurteilung des Anspruchs auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 260 Abs. 2 BGB allein maßgebend ist, ob Grund zu der Annahme besteht, der Verpflichtete habe das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt und daher möglicherweise unrichtig, insbesondere unvollständig aufgestellt4. Die Feststellung, das Verzeichnis sei in einzelnen Punkten unvollständig oder unrichtig, ist für sich weder erforderlich noch ausreichend, um die Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu begründen5.

Ob der Verpflichtete die Auskunft mit der erforderlichen Sorgfalt erteilt hat, ist aufgrund seines gesamten Verhaltens im Zusammenhang mit der Auskunftserteilung zu beurteilen6. Dazu kann auch eine anfängliche Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der später berichtigten Auskunft verwertet werden7. Es müssen greifbare Tatsachen festgestellt werden, die bei vernünftiger Betrachtung den Verdacht mangelnder Sorgfalt, also eines Verschuldens erwecken8.

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Nach diesen Grundsätzen kann auch aufgrund des früheren Verhaltens des Erben, insbesondere im Hinblick auf eine frühere unvollständige oder unrichtige Auskunft, der Verdacht begründet sein, dass das schließlich vorgelegte notarielle Nachlassverzeichnis nicht sorgfältig aufgestellt wurde. Dabei kommt es entgegen der Auffassung des Beklagten nicht darauf an, dass die entsprechende Angabe, die in einer früheren Auskunft unvollständig oder unrichtig war, im notariellen Nachlassverzeichnis ebenfalls auf eine Erklärung des Erben zurückgeht. Vielmehr kann wegen der früheren unvollständigen oder unrichtigen Angabe im Einzelfall Grund zu der Annahme bestehen, dass die Angaben des Erben gegenüber dem Notar insgesamt ohne die erforderliche Sorgfalt erfolgt sind. Dabei ist maßgebend, dass der Notar – wie ausgeführt – im Regelfall für die Aufnahme des Nachlassverzeichnisses auf Angaben des Erben angewiesen ist, auch wenn er den Nachlassbestand selbst und eigenständig ermitteln muss und den Inhalt verantwortet9.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 1. Dezember 2021 – IV ZR 189/20

  1. BGH, Urteil vom 30.10.1974 – IV ZR 41/73, WM 1975, 28 unter 4 50]; BGH, Urteile vom 01.12.1983 – IX ZR 41/83, BGHZ 89, 137 unter 2 a 12]; vom 04.12.1959 – I ZR 135/58, GRUR 1960, 247 unter 3; RGZ 125, 256, 259[]
  2. BGH, Urteil vom 30.10.1974 aaO; BGH, Urteile vom 01.12.1983 aaO; vom 04.12.1959 aaO[]
  3. OLG Schleswig, Urteil vom 14.07.2020 – 3 U 36/19[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 25.06.1976 – IV ZR 125/75, FamRZ 1978, 678 21]; BGH, Urteile vom 01.12.1983 – IX ZR 41/83, BGHZ 89, 137 unter 2 a 11]; vom 08.05.1961 – II ZR 205/59, LM ZPO § 254 Nr. 6[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 01.12.1983 aaO[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 25.06.1976 aaO; BGH, Urteil vom 31.05.1965 – III ZR 214/63 11[]
  7. BGH, Urteile vom 31.05.1965 aaO; vom 04.12.1959 – I ZR 135/58, GRUR 1960, 247 unter 3[]
  8. BGH, Urteil vom 31.05.1965 aaO[]
  9. vgl. BGH, Beschluss vom 13.09.2018 – I ZB 109/17, ZEV 2019, 81 Rn. 32 f.[]
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Die nachträgliche Kostenentscheidung im Erbscheinverfahren

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