Die Schenkung vom Erblasser

Ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers an einer Schenkung kann auch dann vorliegen, wenn der Beschenkte ohne rechtliche Bindung Leistungen etwa zur Betreuung im weiteren Sinne übernimmt, tatsächlich erbringt und auch in der Zukunft vornehmen will.

Die Schenkung vom Erblasser

Gemäß § 2287 Abs. 1 BGB kann der Vertragserbe (bzw. bei einem gemeinschaftlichen Testament der Schlusserbe), nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern, wenn der Erblasser in der Absicht, den Vertrags- bzw. Schlusserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht hat. Da die Benachteiligungsabsicht mit der Absicht, den Beschenkten zu begünstigen, meist untrennbar verbunden ist, wäre sie von Ausnahmefällen abgesehen in einer solchen Lage praktisch immer gegeben1. Dennoch greift die Vorschrift nicht zwangsläufig bei jeder Schenkung ein. Erforderlich ist vielmehr, dass der Erblasser das ihm verbliebene Recht zu lebzeitigen Verfügungen missbraucht hat. Ein solcher Missbrauch liegt nicht vor, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der von ihm vorgenommenen Schenkung hatte2. Ein lebzeitiges Eigeninteresse ist anzunehmen, wenn nach dem Urteil eines objektiven Beobachters die Verfügung in Anbetracht der gegebenen Umstände auch unter Berücksichtigung der erbvertraglichen Bindung als billigenswert und gerechtfertigt erscheint3. Ein derartiges Interesse kommt etwa dann in Betracht, wenn es dem Erblasser im Alter um seine Versorgung und gegebenenfalls auch Pflege geht4 oder wenn der Erblasser in der Erfüllung einer sittlichen Verpflichtung handelt, er etwa mit dem Geschenk einer Person, die ihm in besonderem Maße geholfen hat, seinen Dank abstatten will5. Beweispflichtig für die Schenkung ohne rechtfertigendes lebzeitiges Eigeninteresse ist der Vertrags- bzw. Schlusserbe6.

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Ein lebzeitiges Eigeninteresse muss nicht zwingend für den gesamten Schenkungsgegenstand angenommen werden, sondern vermag ggfs. auch lediglich einen Teil der Schenkung zu rechtfertigen und insoweit einen Missbrauch der lebzeitigen Verfügungsmacht auszuschließen. Die sich dann stellende Frage, ob der Vertrags- bzw. Schlusserbe Übereignung des Grundstücks Zug um Zug gegen Zahlung des Betrages verlangen kann, bis zu dem er die Schenkung hinnehmen muss, oder ob er nur Zahlung des Betrages beanspruchen kann, der dem Teilwert der Schenkung entspricht, ist entsprechend den Grundsätzen zu beantworten, die für die gemischte Schenkung entwickelt wurden7. Das geschenkte Grundstück kann hiernach nur bei entsprechender ZugumZugLeistung herausverlangt werden, wenn die Schenkung überwiegend nicht anzuerkennen ist, wenn also derjenige Wertanteil der Schenkung, der hinzunehmen ist, geringer wiegt als der nach § 2287 BGB auszugleichende überschießende Anteil. Hierbei ist allerdings keine rein rechnerische Gegenüberstellung des Wertes der vom Beklagten erbrachten Leistungen mit dem Wert des Grundstücks vorzunehmen. Vielmehr hat auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Leistungen noch in Zukunft erfolgen sollten und der Erblasser sich ihm erbrachte oder zu erbringende Leistungen „etwas kosten lassen darf“, eine umfassende Gesamtabwägung zu erfolgen8.

Sollte hiernach ein Anspruch in Betracht kommen, so ist dieser unabhängig davon, ob und in welchem Umfang sie selbst Vorempfänge erhalten hat, die im Falle einer Nachlassauseinandersetzung nach §§ 2050 ff. BGB berücksichtigt werden müssten. Der Anspruch aus § 2287 BGB stellt einen rein persönlichen Anspruch des Vertrags- bzw. Schlusserben dar und fällt nicht in den Nachlass9. Der Anspruch aus § 2287 BGB darf deshalb nicht in die Auseinandersetzung des Nachlasses hineingezogen werden. Insbesondere kann der Beschenkte die Herausgabe des Geschenks nicht mit der Begründung verweigern, dass der Vertrags- bzw. Schlusserbe selbst Vorempfänge erhalten habe und nach § 2050 BGB ausgleichspflichtig sei. Derartige Ausgleichspflichten sind erst im Rahmen der Erbauseinandersetzung vorzunehmen und nicht vorweg beim Anspruch aus § 2287 BGB.

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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26. Oktober 2011 – IV ZR 72/11

  1. vgl. BGH, Urteil vom 05.07.1972 IV ZR 125/70, BGHZ 59, 343, 350[]
  2. BGH aaO; ferner BGH, Urteile vom 23.04.1986 IVa ZR 97/85, FamRZ 1986, 980 unter III 3; vom 23.09.1981 IVa ZR 185/80, BGHZ 82, 274, 282; vom 26.11.1975 aaO[]
  3. BGH, Urteil vom 12.06.1980 IVa ZR 5/80, BGHZ 77, 264, 266[]
  4. BGH, Urteile vom 27.01.1982 IVa ZR 240/80, BGHZ 83, 44, 46; vom 23.09.1981 IVa ZR 185/80, NJW 1982, 43 unter 3; vom 26.11.1975 aaO 16[]
  5. BGH, Urteile vom 27.01.1982 und vom 26.11.1975 je aaO[]
  6. BGH, Urteil vom 23.09.1981 aaO[]
  7. BGH, Urteil vom 12.06.1980 aaO 271 f.[]
  8. OLG Oldenburg FamRZ 1992, 1226, 1227; Palandt/Weidlich, BGB 70. Aufl. § 2325 Rn. 9[]
  9. vgl. BGH, Urteile vom 04.03.1992 IV ZR 309/90, FamRZ 1992, 665 unter 3 d; vom 21.06.1989 IVa ZR 302/87, NJW 1989, 2389 unter 4; vom 28.09.1983 IVa ZR 168/82, BGHZ 88, 269, 271; vom 03.07.1980 IVa ZR 38/80, BGHZ 78, 1, 3[]