Erbvertrag und der spätere testamentarische Austausch des Testamentsvollstreckers

Ob eine spätere testamentarische Verfügung des Vertragserblassers den Vertragserben im Sinne von § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB beeinträchtigt, ergibt sich aus dem Vergleich der im Erbvertrag und dem Testament festgelegten Rechtsstellung des Erben (hier: Auswechslung von Testamentsvollstreckern).

Erbvertrag und der spätere testamentarische Austausch des Testamentsvollstreckers

Das entschied jetzt der Bundesgerichtshof in einem Verfahren, das die Testamentsvollstreckung über den Nachlass des am 20.07.1951 verstorbenen ehemaligen Kronprinzen Wilhelm Prinz von Preußen (Erblasser) betrifft, dem ältesten Sohn des 1941 verstorbenen ehemaligen deutschen Kaisers Wilhelm II. Die Beklagte ist die dritte Ehefrau des ältesten Sohnes des am 25.09. 1994 verstorbenen Louis Ferdinand Prinz von Preußen, der wiederum zweitältester Sohn des Erblassers war. Die Kläger begehren unter Berufung auf ihr Amt als Testamentsvollstrecker des Erblassers die Herausgabe eines von der Beklagten mit ihrem Ehemann bewohnten Hausgrundstücks, das nach ihrer Behauptung zum Nachlass gehört.

Aus der Natur des Erbvertrages als einer „wirklich vertraglichen letztwilligen Verfügung“1 ergibt sich, dass Vertragserblasser in ihrer Testierfreiheit nur so weit beschränkt sind, als sie sich durch den Vertrag gegenüber den Vertragserben als Vertragspartner gebunden haben. Der Bindungsumfang ist gegebenenfalls im Auslegungsweg zu ermitteln2.

Dem Vertragserblasser sind danach nur solche späteren testamentarischen Verfügungen untersagt, die den Vertragserben in seiner im Erbvertrag nach Inhalt und Umfang von den Parteien formulierten Rechtsstellung beeinträchtigen. Auf bloß wirtschaftliche Aspekte darf dabei nicht abgestellt werden, dies wäre mit dem Wesen des Erbvertrages unvereinbar3. § 2289 Abs. 1 BGB will das Recht des vertraglichen Bedachten, nicht dessen wirtschaftlichen Erwerb schützen4. Eine weitergehende Einschränkung der Testierfreiheit als durch die im Zusammenhang mit der Erbeinsetzung vertraglich begründeten Rechte scheidet auch nach dem Verständnis des historischen Gesetzgebers aus, der folgerichtig keinen Anlass sah, einem etwaigen Vorbehalt nachträglicher Verfügungen Schranken zu ziehen, sofern er nicht den Vertrag selbst inhaltslos macht5.

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Nach dieser Beurteilungsgrundlage ist die im Erbvertrag 1938 mit dem ehemaligen Kronprinzen vereinbarte Rechtsstellung seines Sohnes durch das 12 Jahre später wegen grundlegend veränderter Verhältnisse veranlasste Testament nicht angetastet worden.

Bereits in der Vorbemerkung des Testaments legt der Vertragserblasser seinen Entschluss offen, es trotz der geänderten Verhältnisse bei dem Erbvertrag zu belassen und lediglich seine Ehefrau und seine Kinder in ähnlicher Weise zu sichern, wie seine Geschwister von seinem Vater sichergestellt worden sind. Die von dieser – in den Vermächtnisregelungen der Nr. 2 bis 5 des Testaments näher ausgestalteten – Zielsetzung unberührte Rechtsstellung des Vertragserben wird in der unmittelbar folgenden Nr. 1 des Testaments ausdrücklich festgeschrieben, die das Vertragswerk 1938 aufrecht erhält und es bei dem Vertragserben „als Universalerbe nach Maßgabe des Erbvertrages vom 23.XI.1938“ belässt. Das schließt dessen Stellung als einflussreicher (Mit)Testamentsvollstrecker ein. Die Fortgeltung der erbvertraglichen Testamentsvollstreckungsregelungen wird in Nr. 7 des Testaments für die Befugnisse der Testamentsvollstrecker noch einmal unterstrichen. Der Vertragserbe hat danach seine im Erbvertrag im Einzelnen ausgestaltete Stellung als (Mit)Testamentsvollstrecker durch das Nachfolgetestament nicht verlieren sollen und auch nicht verloren.

Anderes ist auch nicht der Nummerierung der in Nr. 6 des Testaments namentlich aufgeführten Testamentsvollstrecker zu entnehmen. Es besteht kein Anhalt für einen über die bloße Änderung des Kreises der weiteren Testamentsvollstrecker hinausgehenden Verfügungsgehalt in Richtung auf einen Ausschluss des Vertragserben von der für ihn bis dahin vertraglich festgelegten Beteiligung an der Testamentsvollstreckung unter zusätzlicher Verkleinerung des Testamentsvollstreckergremiums von vier auf drei Personen. Der Vertragserblasser hätte nach der ausdrücklich unter Nr. 1 des Testaments bestätigten Fortgeltung des Vertragswerks für den Vertragserben als Universalerben im Gegenteil Anlass gehabt, eine solche Beschränkung deutlich herauszustellen. Zudem ist die mit dem Erbvertrag erstrebte Höchstdauer der Testamentsvollstreckung6 besser mit einem Testamentsvollstreckergremium im vertraglich vorgesehenen Umfang als mit einem verkleinerten abgesichert.

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Die Nummerierung 1). bis 3). in Nr. 6 des Testaments lässt sich zwanglos auf die Nachfolgeregelung in § 5 a) bis c) des Erbvertrages beziehen. Die gewählte Einteilung nach Buchstaben bot sich nach der vorstehenden – numerischen – Aufzählung der Ersttestamentsvollstrecker an. Für eine solche Änderung einer Einteilung in Buchstaben anstelle von Nummern bestand in der Fassung von Nr. 6 des Testaments kein Anlass.

Die Fortgeltung der erbvertraglichen Regelungen mit dem klaren Ziel, das so genannte Hausvermögen solange wie möglich separiert zu erhalten, war nach den erkennbaren Vorstellungen des Vertragserblassers am besten mit dem Vertragserben zu erreichen. Eine Beschränkung seiner Einflussmöglichkeiten durch Ausschluss von der Testamentsvollstreckung wäre damit unvereinbar. Eine Beschneidung der Testamentsvollstreckerrechte des Vertragserben enthält die spätere testamentarische Verfügung des Vertragserblassers nicht.

Dies ist auch mit der Auswechslung der in § 5 Nr. 2 bis Nr. 4 des Erbvertrages genannten Testamentsvollstrecker nicht verbunden.

Allerdings wird die Frage, inwieweit in einer bloßen Auswechslung von Testamentsvollstreckern eine Beeinträchtigung i.S. von § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB liegen kann, in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet, wobei die Unterschiede zum Teil mehr terminologischer als inhaltlicher Natur sind.

Die wohl überwiegende Auffassung in der Literatur sieht in einer solchen Auswechslung keine Beeinträchtigung7.

Andere gehen dagegen in diesen Fallgestaltungen eher von einer grundsätzlichen Benachteiligung aus8 oder davon, ob die Bedachten im Einzelfall gegenüber der ursprünglichen Verfügung konkret messbar benachteiligt sind9.

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Die Rechtsprechung stellt demgegenüber seit langem den Inhalt des Erbvertrages als Vergleichsmaßstab für nachfolgende testamentarische Verfügungen in den Vordergrund und bemisst danach, ob im konkreten Fall eine Beeinträchtigung der Rechte des Vertragserben auszumachen ist10.

An diesem Ansatz der Rechtsprechung ist festzuhalten. Die Frage einer Beeinträchtigung lässt sich ohne vorherige Ermittlung des Vertragsinhalts nicht beantworten. Erst so lässt sich feststellen, ob die spätere letztwillige Verfügung die vertragsmäßige Zuwendung mindern, beschränken, belasten oder gegenstandslos machen würde11. Für eine Gewichtung der Beeinträchtigung etwa nach „Spürbarkeit“ oder „Messbarkeit“12 ist dabei allerdings kein Raum. Derartige Begriffe böten im Übrigen kein sicheres Abgrenzungskriterium13.

Auch bei abstrakter Fragestellung nach beeinträchtigenden Wirkungen bei bloßer Auswechslung von Testamentsvollstreckern ist eine völlige Abkopplung von dem Erbvertragsinhalt mit seinen Bindungen nicht möglich. Zwar hat der historische Gesetzgeber eine „Bindung in Ansehung der Ernennung eines Testamentsvollstreckers“ für „nicht statthaft“ gehalten, weil dem Testamentsvollstrecker eine Vertrauensstellung eingeräumt werden solle und deswegen „in Ansehung“ des „Wechsels der Verhältnisse und der Gesinnung des Ernennenden“ ein Widerruf jederzeit offen bleiben müsse14. Die Parteien haben indes die alleinige Herrschaft über den Vertragsinhalt. Mithin verbleibt ihnen auch die Möglichkeit, die Rechtsstellung eines Vertragserben auf die Person des Testamentsvollstreckers so auszudehnen, dass bei einem Auswechseln dieser Person seine – vertraglich so festgelegten Rechte – beeinträchtigt werden können. Das wird sich erst – wenn es an ausdrücklichen Regelungen fehlt – im Auslegungsweg ermitteln lassen.

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Im Streitfall scheidet eine solche Rechtsbeeinträchtigung des Vertragserben aus. Er wird als Erbe und Mittestamentsvollstrecker durch die testamentarische Auswahl der neuen Testamentsvollstrecker in seinem durch den Erbvertrag garantierten Handlungsrahmen rechtlich nicht eingeschränkt.

Eine bindende Festlegung auf ein zweites Familienmitglied im Kreis der Testamentsvollstrecker ist im Erbvertrag ebenso wenig erfolgt wie auf den jeweiligen Amtsinhaber in der Generalverwaltung. Im Gegenteil beschränkte ein solches Verständnis den Vertragserben in seinem Auswahlrecht bei künftigen Ersatztestamentsvollstreckern. Ein Erfahrungssatz, dass das in § 8 Abs. 3 des Erbvertrages vorgegebene Hauptinteresse an einer „dauernden Aufrechterhaltung einer einheitlichen Verwaltung des Nachlasses“ zur „Erhaltung des Besitzes“ durch Familienmitglieder regelmäßig besser gesichert ist, gibt es ohnehin nicht. Dieses Auswahlrecht ist ihm bei der geänderten Nachfolgeregelung ungeschmälert geblieben. Seine im Erbvertrag insoweit festgelegten Einflussmöglichkeiten unter Einbeziehung der übrigen Testamentsvollstrecker und Gerichte hat er behalten.

Die Neubestimmung der Testamentsvollstrecker war zudem nach den erheblichen Veränderungen der Verhältnisse seit Abschluss des Erbvertrages erforderlich, um das von beiden Vertragspartnern verfolgte Vertragsziel nicht zu gefährden. So war die in § 5 Nr.02. des Erbvertrages genannte Manneslinie fortgefallen und die Generalverwaltung erforderte nach Amt und Person eine neue Bestimmung, um die vertraglich festgelegten Gesamtinteressen des Hauses Preußen zu sichern.

Entgegen der Revisionserwiderung kann auch in dem Umstand, dass von den neuen Testamentsvollstreckern eine ehrenamtliche Tätigkeit nicht zu erwarten gewesen sei, keine Beeinträchtigung der Rechte des Vertragserben liegen. Abgesehen davon, dass damit allenfalls wirtschaftliche Aspekte angesprochen werden, sieht bereits § 7 Halbsatz 2 des Erbvertrages die Bewilligung einer Testamentsvollstreckervergütung vor. Daran hat sich durch das Testament nichts geändert.

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. April 2011 – IV ZR 232/09

  1. BGHZ 26, 204, 207; MünchKommBGB/Musielak, 5. Aufl. § 2289 Rn. 2; Planck/Greif, BGB 4. Aufl. Vorbem. 2 vor § 2274[]
  2. BGHZ 26, 204, 208, 211[]
  3. BGHZ 26, 204, 214; Muscheler, Erbrecht Bd. I [2010] Rn. 2228; a.A. wohl Soergel/Wolf, BGB 13. Aufl. § 2289 Rn. 3[]
  4. Lange, Erbrecht [1962] S. 407[]
  5. vgl. Jacobs/Schubert, Die Beratung des BGB; § 2289 S. 1792 unter Verweis auf Prot. I 1003; Motive V S. 332[]
  6. BGHZ 174, 346, 349 f.; 140, 118, 129[]
  7. vgl. Palandt/Edenhofer, BGB 70. Aufl. § 2289 Rn. 5; Bamberger/Roth/Litzenburger, Beck’scher OnlineKommentar zum BGB, Edition 18 Stand 01.08.2010 § 2289 Rn. 10b; FAKommErbR/Zimmer, 2. Aufl. § 2289 BGB Rn. 11; Staudinger/Kanzleiter, BGB [2006] § 2270 Rn. 19; einschränkend wohl § 2289 Rn. 19; MünchKommBGB/Musielak, 5. Aufl. § 2289 Rn. 10; Damrau/Krüger, Erbrecht [2004] § 2289 BGB Rn. 2; Burandt in Deutscher Erbrechtskommentar [2003] § 2289 BGB Rn. 12; Soergel/Wolf aaO Rn. 10[]
  8. Meyding, ZEV 1994, 98, 100[]
  9. Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 03. Aufl. Rn. 19; Erman/M. Schmidt, BGB 12. Aufl. § 2289 Rn. 5; AnwKommBGB/Kornexl, 2. Aufl. § 2278 Rn. 8 und § 2289 Rn. 35; M. Hamdan/B. Hamdan in jurisPKBGB, 5. Aufl. 2010 § 2289 Rn. 16; Reimann, ZEV 2001, 273, 274[]
  10. BGHZ 26, 214; KG ZEV 2010, 40; OLG Düsseldorf ZEV 1994, 302; OLG Hamm ZEV 2001, 271, 272; OLG Stuttgart OLGZ 1979, 49, 51; KG FamRZ 1977, 485, 487; LG Stade MDR 1960, 142; HansOLG Hamburg HansGZ 1920 B 110[]
  11. Muscheler aaO Rn. 2227[]
  12. KG aaO[]
  13. Bamberger/Roth/Litzenburger, aaO[]
  14. Motive V S. 334[]
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Zentrales Testamentsregister