Ein Vermächtnis in Form der Nutzungsüberlassung einer Wohnung begründet eine Pflicht des Vermächtnisnehmers zur Zahlung von Betriebskosten für die genutzte Wohnung.

Der Anspruch des Eigentümers gegen den Vermächtnisnehmer auf Zahlung der Betriebskosten ergibt sich aus den Bestimmungen des Testaments der Erblasserin in Verbindung mit § 1939 BGB und einer entsprechenden Anwendung des § 2185 BGB. Letztere Vorschrift regelt eine Ersatzpflicht des Vermächtnisnehmers, dem eine Sache vermacht worden ist, zugunsten des Beschwerten für von diesem nach dem Erbfall auf die Sache gemachte Verwendungen und Aufwendungen. Die Vorschrift verweist allerdings hinsichtlich des Rechtsgrundes und der Rechtsfolgen auf die Vorschriften des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses und gelangt deswegen nicht unmittelbar zur Anwendung, wenn – wie hier – der Erblasser selbst den Ersatzanspruch kraft der letztwilligen Verfügung wirksam ausgestaltet hat. In diesem Falle ergeben sich Voraussetzungen und Umfang des Ersatzanspruches unmittelbar aus den im Testament enthaltenen Bestimmungen. Den gesetzlichen Bestimmungen kommt in dieser Konstellation nur insoweit Bedeutung zu, als sie bei Unklarheiten des Testaments eine Auslegungshilfe darstellen können.
Nach den vorstehenden Grundsätzen hat der Erbe nach der Erblasserin und Beschwerter aus dem Wohnrechtsvermächtnis einen Anspruch auf Erstattung der auf die Wohnung entfallenden Betriebskosten zumindest in dem Umfang, wie er sie auf einen Mieter umlegen könnte. Nachdem der Wortlaut des Testaments in Bezug auf die Frage, wer die verbrauchsunabhängigen Betriebskosten für die Wohnung zu tragen haben soll, nicht eindeutig ist, weil die Erblasserin mit dem Begriff der „Verbrauchskosten“ einen gesetzlich und auch im allgemeinen Sprachgebrauch nicht genau definierten Begriff benutzt, ist der tatsächliche Wille der Erblasserin durch Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Es ist, soweit möglich, zu erforschen, was die Erblasserin mit ihren Worten „sagen wollte“; dabei sind neben dem Wortlaut und dem Zusammenhang der getroffenen Regelung sämtliche bekannten Umstände zu berücksichtigen.
Zwar ist dem Vermächtnisnehmer zuzugeben, dass der Wortlaut des Testaments mit dem Begriff der „Verbrauchskosten“ auf den ersten Blick einen Hinweis darauf zu geben scheint, dass der Vermächtnisnehmer nach der Vorstellung der Erblasserin nur für die Kosten seines eigenen Verbrauchs sollte aufkommen müsse. Dies entspricht jedoch weder der tatsächlichen Handhabung der Erblasserin und des Vermächtnisnehmer vor dem Erbfall, noch ist es praktikabel: Denn auch die verbrauchsabhängigen Wohnnebenkosten, deren Höhe von einem bestimmten Verbrauch oder einer unterschiedlich starken Intensität der Nutzung abhängt, enthalten stets einen Festkostenanteil. Dies trifft auf praktisch sämtliche verbrauchsabhängigen Kostenarten zu: So können etwa Heizkosten, Wasser- und Abwasserkosten und Stromkosten nicht ausschließlich nach dem Verbrauch umgelegt werden; sie enthalten – teilweise sogar erhebliche – Festkostenanteile. Wer nach dem Willen der Erblasserin für diese Festkostenanteile aufkommen sollte, ergibt sich aus dem Wortlaut des Testaments nicht. Den Kosten für die Müllabfuhr liegt kein „Verbrauch“ im Wortsinne zugrunde, unbestreitbar tragen aber alle Bewohner eines Hauses – durch ihr individuelles Konsumverhalten unterschiedlich stark – zum Anfall dieser Kosten bei. Auch hierzu verhält sich das Testament nicht. Die Kosten für den Allgemeinstrom beinhalten einen Verbrauchskostenanteil, der sich jedoch nicht nach Wohneinheiten getrennt erfassen lässt: Sollte der Vermächtnisnehmer an diesen Kosten beteiligt werden oder nicht? Aus den offenen Fragen lässt sich ersehen, dass die Erblasserin sich bei Abfassen des Testaments über den von ihr verwandten Begriff der „Verbrauchskosten“ offenbar keine näheren Gedanken gemacht hat. Die von ihr verwandte Formulierung schließt deswegen nicht aus, dass sie die Beteiligung des Vermächtnisnehmer an allen laufenden Betriebskosten anordnen wollte und die verbrauchsunabhängigen Betriebskosten bei Abfassen des Testaments schlicht ausgeblendet hatte, zumal der Anteil der völlig verbrauchsunabhängigen Betriebskosten nur einen untergeordneten Anteil der Nebenkosten ausmacht. Auch die von der Erblasserin verwandten Formulierung, der Vermächtnisnehmer solle „mietfrei“ wohnen, lässt sich am ehesten mit einem Übersehen dieses Betriebskostenanteils in Einklang bringen, denn im unjuristischen Sprachgebrauch, der der Erblasserin schon im Hinblick auf die fehlende Unterscheidung zwischen der Erbschaft und dem Vermächtnis zu unterstellen ist, wird gemeinhin zwischen der „Miete“ und den „Nebenkosten“ unterschieden, wobei unter der „Miete“ das Entgelt für den Nutzungsvorteil verstanden wird und mit den Nebenkosten die laufenden Kosten des Mietgegenstandes gemeint sind. So lässt die Formulierung „mietfrei wohnen“ einerseits und „Verbrauchskosten“ andererseits offen, wer die übrigen laufenden Betriebskosten tragen soll.
Ein tragfähiger Hinweis auf den tatsächlichen Willen der Erblasserin ergibt sich stattdessen jedoch daraus, dass sie sich zu Lebzeiten mit dem Vermächtnisnehmer sämtliche Betriebskostenarten für die gemeinsame Wohnung geteilt hat. Die Formulierung der Erblasserin, der Vermächtnisnehmer solle „nur die Verbrauchskosten“ mit dem „Erben des Hauses“ abrechnen, lässt nicht den Schluss zu, dass der Vermächtnisnehmer sich abweichend von dieser Übung nach dem Erbfall nicht mehr an den ausschließlich verbrauchsunabhängigen Betriebskosten sollte beteiligen müssen. Vielmehr ergibt sich aus diesen Zusammenhängen, dass die Erblasserin dem Vermächtnisnehmer den Nutzungsvorteil an der ehemals gemeinsam bewohnten Wohnung weitgehend unentgeltlich eingeräumt wissen wollte, andererseits den Erben jedoch nicht mit laufenden Kosten belastet sehen wollte, denen kein Mietertrag gegenüber steht.
Die weiteren Voraussetzungen des Anspruchs auf Erstattung der Betriebskosten liegen hier ebenfalls vor: Der Erbe ist weiterhin Eigentümer der weiterhin von dem Vermächtnisnehmer bewohnten Wohnung.
Landgericht Kiel, Urteil vom 9. November 2010 – 9 O 284/06