§ 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB bewirkt keine verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Schenkungen an Ehegatten und Schenkungen an Dritte, insbesondere nichteheliche Lebensgefährten und Kinder, im Rahmen der Pflichtteilsergänzung. Dies gilt auch, soweit der beschenkte Ehegatte selbst dem Pflichtteilsergänzungsanspruch als Schuldner ausgesetzt ist.

Der Gesetzgeber durfte im Rahmen seines Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums1 davon ausgehen, dass typischerweise bei einer Schenkung an nichteheliche Lebensgefährten und Kinder keine gleichermaßen dauerhafte Erwartung der Weiternutzungsmöglichkeit besteht wie bei Ehegatten2.
Die wirtschaftliche Verflechtung der Ehegatten und die aus der Ehe resultierenden gegenseitigen Ansprüche können zur Grundlage der Ungleichbehandlung von Dritt- und Ehegattenschenkungen gemacht werden.
Zum einen partizipiert der Ehegatte, der durch eine Schenkung oder eine nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von § 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB ebenfalls erfasste unbenannte Zuwendung3 Vermögenspositionen überträgt, im Rahmen der gegenseitigen Unterhaltsverpflichtung in der Regel weiterhin an den Nutzungen (§ 100 BGB) des Vermögens. Maßstab der Unterhaltspflicht sind die ehelichen Lebensverhältnisse (vgl. § 1360a, § 1361 Abs. 1, § 1578 Abs. 1 BGB), die sich durch die bloße Vermögensverschiebung zwischen den Ehegatten nicht ändern und an denen die Ehegatten grundsätzlich hälftig partizipieren4.
Eine vergleichbare gegenseitige Unterhaltsverpflichtung besteht zu Verwandten, das heißt insbesondere Kindern, schon nicht, weil Unterhaltsansprüche gegenüber Kindern zu Unterhaltsansprüchen gegenüber Ehegatten subsidiär sind (vgl. § 1608 Abs. 1 Satz 1 BGB). Auch die Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern (§ 1615l BGB) enthalten keine vergleichbare Verpflichtung, knüpfen insbesondere nicht an gemeinsame Lebensverhältnisse an.
Zum anderen besteht jedenfalls im Fall des gesetzlichen Güterstands des Zugewinnausgleichs eine wirtschaftliche Verflechtung der Vermögen der Ehegatten durch den Zugewinnausgleich nach §§ 1372 ff. BGB. Da im Wege der Schenkung oder unbenannte Zuwendung übertragenes Vermögen dem Zugewinnausgleich unterfällt5, ist die übertragene Vermögensposition dem Vermögen des übertragenden Ehegatten wirtschaftlich nicht vollständig und endgültig entzogen. Dem übertragenden Ehegatten steht gegebenenfalls im Fall der Auflösung der Ehe durch Scheidung zumindest ein auf teilweisen Ausgleich gerichteter Anspruch zu.
§ 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB sorgt überdies für einen ausgewogenen Interessenausgleich zwischen dem hinterbliebenen Ehegatten und den sonstigen der Familie des Erblassers zugehörigen Pflichtteilsberechtigten und hält sich auch insoweit innerhalb des dem Gesetzgeber zustehenden weiten Gestaltungsspielraums6.
Das Pflichtteilsrecht gewährleistet die verfassungsrechtlich geschützte grundsätzlich unentziehbare und bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung der Kinder des Erblassers an dessen Nachlass7. Diese ist als tradiertes Kernelement des deutschen Erbrechts Bestandteil des institutionell verbürgten Gehalts der Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG8. Zudem sind die strukturprägenden Merkmale der Nachlassteilhabe von Kindern Ausdruck einer Familiensolidarität, die in grundsätzlich unauflösbarer Weise zwischen dem Erblasser und seinen Kindern besteht und die ihrerseits von Art. 6 Abs. 1 GG und bei nichtehelichen Kindern zudem von Art. 6 Abs. 5 GG geschützt wird. Das Pflichtteilsrecht knüpft an die familienrechtlichen Beziehungen zwischen dem Erblasser und seinen Kindern an und überträgt diese Solidarität zwischen den Generationen in den Bereich des Erbrechts. Diese Verpflichtung zur gegenseitigen umfassenden Sorge rechtfertigt es, dem Kind mit dem Pflichtteilsrecht auch über den Tod des Erblassers hinaus eine ökonomische Basis aus dem Vermögen des verstorbenen Elternteils zu sichern9.
Auf die Annahme, dass bei Ehegatten auch die Absicht einer Benachteiligung gesetzlicher Erben durch die Vermögensübertragung in der Regel unterstellt werden kann, kommt es damit nicht an.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 26. November 2018 – 1 BvR 1511/14
- vgl. BVerfGE 134, 204, 223 f. Rn 70[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.04.1990 – 1 BvR 171/90, NJW 1991, S. 217[↩]
- vgl. BGHZ 116, 167, 170 ff.; BGH, Urteil vom 14.03.2018 – IV ZR 170/16, NJW 2018, S. 1475, 1476 Rn. 14[↩]
- vgl. BVerfGE 105, 1, 12[↩]
- vgl. BGHZ 101, 65, 69 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 67, 329, 340 f.; 112, 332, 355[↩]
- vgl. BVerfGE 112, 332, 348[↩]
- vgl. BVerfGE 112, 332, 349 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 112, 332, 352 f.[↩]
Bildnachweis:
- Landgericht Hamburg: Juliette Kober