Postmortale Vollmacht vs. Testamentsvollstreckung

Das Verhältnis von postmortaler Vollmacht zu einer vom Erblasser angeordneten Testamentsvollstreckung kann nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall aufgrund einer Auslegung der Vollmachtsurkunde und der letztwilligen Verfügung unter Berücksichtigung des Erblasserwillens ermittelt werden.

Postmortale Vollmacht vs. Testamentsvollstreckung

Eine postmortale Vollmacht, die unwiderruflich oder nicht widerrufen worden ist, kann grundsätzlich auch im Außenverhältnis selbständig neben der Testamentsvollstreckung stehen und dem Vollmachtnehmer eigenständige; vom Erblasser und nicht vom Testamentsvollstrecker abgeleitete Befugnisse verleihen1. Dabei kann das Verhältnis der postmortalen Vollmacht zur Testamentsvollstreckung nicht losgelöst vom jeweiligen Einzelfall bestimmt werden.

Zwar wird es im Allgemeinen, wie das Oberlandesgericht Rosock zutreffend angenommen hat2, dem maßgeblichen Willen des Erblassers entsprechen, dass keine voneinander unabhängigen Machtbefugnisse verschiedener Personen mit gegenseitiger Störungsmöglichkeit nebeneinander bestehen3. Die einem Dritten erteilte postmortale Vollmacht betrifft aber nicht generell im Außenverhältnis nur Vermögensteile, die nicht unter die Testamentsvollstreckung fallen, auch wenn der vom Erblasser Bevollmächtigte nach dem Erbfall als Bevollmächtigter des Erben anzusehen ist4 und dessen Verfügungsmacht durch die Rechte eines Testamentsvollstreckers gemäß § 2211 Abs. 1 BGB beschränkt wird5.

Ebenso wenig kann allgemein angenommen werden, dass im Umfang der postmortalen Bevollmächtigung der Machtbereich des Testamentsvollstreckers nach § 2208 Abs. 1 Satz 1 BGB eingeschränkt ist6.

Vielmehr ist der wirkliche Wille des Vollmachtgebers und Erblassers ausgehend vom jeweiligen Wortlaut der Vollmachtsurkunde und der Anordnung der Testamentsvollstreckung durch Auslegung der beiden Urkunden – unabhängig von ihrer zeitlichen Reihenfolge – nach den Maßstäben des § 133 BGB zu erforschen. Auf diese Weise ist zu ermitteln, ob und inwieweit der Erblasser voneinander unabhängige Machtbefugnisse des Bevollmächtigten und des Testamentsvollstreckers begründen wollte7. Bei der Auslegung können auch Begleitumstände sowie der verfolgte Zweck und die bestehende Interessenlage berücksichtigt werden8.

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Dabei kann eine postmortale Generalvollmacht selbständig neben der Testamentsvollstreckung stehen und dem Bevollmächtigten eigenständige Befugnisse verleihen.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14. September 2022 – IV ZB 34/21

  1. vgl. OLG München ErbR 2013, 33 8]; ErbR 2012, 93 9] m.w.N.; Erman/Schmidt, BGB 16. Aufl. Vorbemerkung vor § 2197 Rn. 9; Grüneberg/Weidlich, BGB 81. Aufl. Einführung vor § 2197 BGB Rn. 12; Staudinger/Dutta, BGB [2021] Vorbemerkungen zu §§ 2197 ff. Rn. 76; Krätzschel in Firsching/Graf, Nachlassrecht 11. Aufl. § 19 Rn. 4; Amann, MittBayNot 2013, 367; Merkel, WM 1987, 1001, 1004; krit. Kollmeyer, ZEV 2021, 557, 558[]
  2. OLG Rostock, Beschluss vom 18.03.2021 – 10 WF 27/21[]
  3. OLG München ErbR 2012 aaO; MünchKomm-BGB/Zimmermann, 9. Aufl. vor § 2197 Rn. 15[]
  4. vgl. dazu BGH, Urteil vom 23.02.1983 – IVa ZR 186/81, BGHZ 87, 19 unter 2 20]; MünchKomm-BGB/Zimmermann aaO Rn. 14; Staudinger/Dutta aaO Rn. 71 m.w.N.[]
  5. vgl. Staudinger/Dutta aaO Rn. 80; Staudinger/Reimann, BGB [2016] Vorbemerkungen zu §§ 2197 ff. Rn. 80; Weidlich, MittBayNot 2013, 196[]
  6. vgl. Münch-KommBGB/Zimmermann aaO Rn. 15[]
  7. vgl. OLG München aaO; MünchKomm-BGB/Zimmermann aaO Rn. 15; NK-BGB/Kroiß, 6. Aufl. Vor §§ 21972228 Rn. 12; Staudinger/Dutta aaO Rn. 79; Staudinger/Reimann aaO Rn. 79; Krätzschel aaO; Mayer/Bonefeld in Mayer/Bonefeld/Tanck, Testamentsvollstreckung 5. Aufl. § 15 Rn. 3; Zimmermann aaO; Becker, ZEV 2018, 692, 693 m.w.N.; Strobel, ZEV 2020, 449, 453; Weidlich, ZEV 2016, 57, 62; ders., MittBayNot 2013, 196 f., 197; ders., MittBayNot 2012, 228, 229[]
  8. vgl. Bengel/Reimann/Dietz, Handbuch der Testamentsvollstreckung 7. Aufl. § 1 Rn. 38a[]
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