Die Gutglaubensvorschriften der §§ 2366, 2367 BGB setzen ein Verkehrsgeschäft voraus. Daran fehlt es bei Rechtsgeschäften innerhalb der Erbengemeinschaft wie etwa der Kündigung eines Darlehens durch einen im Erbschein ausgewiesenen Miterben gegenüber einem anderen Miterben.

Gemäß § 2367 Alt. 2 BGB findet § 2366 BGB zwar entsprechende Anwendung, wenn zwischen demjenigen, welcher in einem Erbschein als Erbe bezeichnet wird, und einem anderen in Ansehung eines zur Erbschaft gehörenden Rechts ein nicht unter die Vorschrift des § 2366 BGB fallendes Rechtsgeschäft vorgenommen wird, das eine Verfügung über das Recht enthält. Hierunter sind insbesondere Gestaltungsrechte, z.B. die Kündigung, zu verstehen 1.
Die §§ 2366, 2367 BGB setzen aber wie die übrigen Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb auch (§§ 932 ff., 892 BGB) – ein Rechtsgeschäft in der Form eines Verkehrsgeschäfts voraus. Veräußerer und Erwerber dürfen daher weder rechtlich noch wirtschaftlich auch nur teilweise – identisch sein 2. Auch im Bereich der erbrechtlichen Gutglaubensvorschriften gemäß §§ 2366, 2367 BGB ist allgemein anerkannt, dass diese nur bei Vorliegen eines Verkehrsgeschäfts Anwendung finden 3. Hieraus folgt, dass im Rahmen einer Erbauseinandersetzung unter Miterben kein gutgläubiger Erwerb möglich ist 4.
Zwar handelt es sich im hier entschiedenen Fall nicht um einen gutgläubigen Erwerb durch den Rechtsvorgänger der Beklagten, sondern um ein von der Klägerin diesem gegenüber vorgenommenes Rechtsgeschäft gemäß § 2367 Alt. 2 BGB. Dies rechtfertigt aber keine abweichende Beurteilung. Die Gutglaubensvorschriften müssen hinsichtlich des Begriffs des Verkehrsgeschäfts einheitlich ausgelegt werden, unabhängig davon, um welches Rechtsgeschäft es im Einzelnen geht. Für die Anwendung der Gutglaubensvorschriften innerhalb einer Gesamthandsgemeinschaft ist von vornherein kein Raum, da lediglich der rechtsgeschäftliche Erwerb durch einen Dritten geschützt werden soll 5. Entsprechendes hat im Rahmen von § 2367 Alt. 2 BGB für die dort genannten Rechtsgeschäfte zu gelten. Für eine Differenzierung zwischen den einzelnen Gutglaubenstatbeständen der §§ 2366, 2367 BGB besteht keine Veranlassung.
Ohne Erfolg blieb beim Bundesgerichtshof auch der Einwand, für ein Verkehrsgeschäft spreche bereits die unabhängig von einer Mitwirkung des einen (Schein)Erben bestehende Verfügungsbefugnis der übrigen Miterben. Zwar kam es auf eine Mitwirkung des Rechtsvorgängers der Beklagten bei der Kündigung des Darlehens nicht an, da sich der geltend gemachte Anspruch gegen ihn richtete und er daher von einer Mitwirkung ausgeschlossen war 6. Dies ändert aber nichts daran, dass die Miterben eine Gesamthandsgemeinschaft in Form einer Erbengemeinschaft bildeten, der die Darlehensrückzahlungsforderung gegen eines ihrer Mitglieder in gesamthänderischer Verbundenheit zustand. Insoweit standen sie sich in Bezug auf die Darlehensforderung als Miterben und nicht wie außenstehende Dritte gegenüber.
Die Kündigung eines Darlehensvertrages stellt eine Verfügung dar, da durch sie ein bestehendes Recht inhaltlich verändert wird 7. Verfügungen über einen Nachlassgegenstand können gemäß § 2040 Abs. 1 BGB grundsätzlich nur gemeinschaftlich von allen Miterben vorgenommen werden.
Soweit nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls in Fällen der Ausübung von Gestaltungsrechten im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses eine Mehrheitsentscheidung der Erbengemeinschaft bei Vorliegen eines Verfügungsgeschäfts gemäß § 2040 Abs. 1 BGB zulässig ist, wenn es sich um eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung nach § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB handelt 8, verhilft auch das der Kündigung nicht zur Wirksamkeit, weil die Erbanteile der Klägerin und der Erbengemeinschaft nach Irene U. gleich groß sind. An der Erbengemeinschaft nach Irene U. hielt die Klägerin nur einen Miterbenanteil von 1/4, so dass wegen der gesamthänderischen Verbundenheit die Klägerin allein für diesen Erbanteil keine Zustimmung zur Kündigung erklären konnte. Eine Mehrheitsentscheidung zur Kündigung fehlt daher.
Die Rechtsprechung lässt es für die erforderliche Gemeinschaftlichkeit des Verfügungsgeschäfts allerdings auch genügen, wenn nur einer oder mehrere der Miterben im eigenen Namen handeln, soweit die übrigen Miterben dieser Verfügung vorher oder nachher ihre Zustimmung geben 9. Ob eine Genehmigung gemäß § 185 Abs. 2 Nr. 1, 184 Abs. 1 BGB hier darin liegt, dass die Miterben Dr. Jenny N. und Nikolas N. mit anwaltlichem Schreiben vom 04.09.2008 erklärten, sie seien mit der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 27.08.2004 einverstanden oder ob eine derartige Genehmigung in der weiteren Kündigung vom 24.10.2008 liegt, die ausdrücklich auch in ihrem Namen erfolgte, kann offenbleiben. Bei der Kündigung handelt es sich um ein einseitiges Verfügungsgeschäft. Dieses bedarf der Zustimmung der übrigen Miterben in Form der Einwilligung gemäß § 183 BGB. Die Zustimmung muss also vor der Kündigung erteilt werden (vgl. § 182 Abs. 3 BGB). Die Wirksamkeit einseitiger Rechtsgeschäfte kann schon im Interesse des Erklärungsgegners – wie sich auch aus der Wertung von § 180 Satz 1, § 111 Satz 1 BGB ergibt – nicht bis zur Erteilung der Genehmigung nach § 184 BGB mit der Folge der Rückwirkung in der Schwebe bleiben 10.
Die Kündigung vom 05.03.1999 wäre daher nur dann wirksam, wenn die übrigen Miterben ihre vorherige Zustimmung erteilt hätten. Hierzu haben die Beklagten unter Beweisantritt vorgetragen, die übrigen Miterben hätten der Kündigung zugestimmt, da die von der Klägerin in der Erbsache damals ergriffenen Maßnahmen stets in Zusammenarbeit und im Einvernehmen mit diesen erfolgt seien. Sollte eine derartige Einwilligung zur Kündigung vorgelegen haben, hätte dies die Wirksamkeit der Kündigung zur Folge.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. April 2015 – IV ZR 161/14
- vgl. MünchKomm-BGB/Mayer, 6. Aufl. § 2367 Rn. 7; Staudinger/Schilken, BGB (2004) § 2367 Rn. 5[↩]
- BGH, Urteil vom 29.06.2007 – V ZR 5/07, BGHZ 173, 71 Rn. 22; Beschluss vom 13.07.1959 – V ZB 6/59, BGHZ 30, 255, 256 jeweils für den gutgläubigen Erwerb nach § 892 BGB[↩]
- OLG Hamm FamRZ 1975, 510, 513 f.; MünchKomm-BGB/Mayer, 6. Aufl. § 2366 Rn. 11; Staudinger/Schilken, BGB (2004) § 2366 Rn. 10; RGRK/Kregel, BGB 12. Aufl. § 2366 Rn. 8; Soergel/Zimmermann, BGB 13. Aufl. § 2366 Rn. 8[↩]
- BGH, Urteil vom 13.12 2000 – IV ZR 239/99, ZEV 2001, 116 unter 2 b; OLG Hamm aaO[↩]
- BGH, Urteil vom 29.06.2007 – V ZR 5/07, BGHZ 173, 71 Rn. 23[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 26.11.2003 – IV ZR 438/02, BGHZ 157, 79, 86; vom 26.02.1953 – IV ZR 207/52, LM § 326 (A) BGB Nr. 2[↩]
- vgl. MünchKomm-BGB/Gergen, 6. Aufl. § 2040 Rn. 9[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 03.12 2014 – IV ZA 22/14 2; ferner BGH, Urteil vom 11.11.2009 XII ZR 210/05, BGHZ 183, 131 Rn. 2631[↩]
- BGH, Urteil vom 25.11.1955 – V ZR 196/54, BGHZ 19, 138 f.; grundlegend RGZ 152, 380, 382384; MünchKomm-BGB/Gergen, 6. Aufl. § 2040 Rn. 14; Staudinger/Werner, BGB (2004) § 2040 Rn. 14[↩]
- RGZ 146, 314, 316, BGH, Urteil vom 29.05.1991 – VIII ZR 214/90, BGHZ 114, 360, 366; Münch-Komm-BGB/Gergen, 6. Aufl. § 2040 Rn. 14; Staudinger/Werner, BGB (2004) § 2040 Rn. 14; Palandt/Weidlich, BGB 74. Aufl. § 2040 Rn. 4; Palandt/Ellenberger, § 182 Rn. 5; ferner ausdrücklich für den Fall der Kündigung einer Nachlassforderung nur durch einen Miterben v. Lübtow, Erbrecht 1971, S. 805 f.[↩]