Verjährung und Ablaufhemmung im Erbfall

Die Ablaufhemmung des § 211 Satz 1 Alt. 1 BGB beginnt im Falle mehrerer Erben bei einer vom Gläubiger erhobenen Gesamtschuldklage (§ 2058 BGB) in dem Zeitpunkt, in dem der jeweils in Anspruch genommene Erbe die Erbschaft angenommen hat. Auf den Zeitpunkt der Annahme durch den letzten Miterben kommt es nicht an.

Verjährung und Ablaufhemmung im Erbfall

Dies entschied jetzt der Bundesgerichtshof im Falle eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs, auf den gemäß Art. 229 § 23 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 EGBGB noch § 2332 BGB a.F. in der bis zum 31.12 2009 geltenden Fassung Anwendung fand.

Nach § 2332 Abs. 1 BGB a.F. verjährt der Pflichtteilsanspruch in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Pflichtteilsberechtigte von dem Eintritt des Erbfalles und von der ihn beeinträchtigenden Verfügung Kenntnis erlangt hat. Dies war bei der Klägerin am 28.10.2004 der Fall, als ihr sämtliche Verfügungen des Erblassers bekannt wurden. Die Verjährung lief daher am 28.10.2007 ab. Klage hat die Klägerin erst im August 2011 erhoben. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2332 Abs. 1 BGB a.F. kommt es lediglich auf die Kenntnis des Erbfalles und der beeinträchtigenden Verfügung an1. Auf dieser Grundlage hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, für den Verjährungsbeginn sei die Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten von Zusammensetzung und Wert des Nachlasses nicht maßgeblich2. Ebenso wenig kommt es auf eine Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten von der Person des Erben an. Soweit im Schrifttum teilweise die Auffassung vertreten wird, die Verjährung beginne nicht, bevor der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis davon habe, wer den Erblasser beerbt habe3, ist das bereits mit dem Wortlaut des § 2332 BGB a.F. nicht vereinbar. Das Erfordernis der Kenntnis von der Person des Schuldners lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Dagegen spricht auch der Sinn und Zweck der Regelung des § 2332 BGB a.F., innerhalb einer überschaubaren Frist Rechtsfrieden zu schaffen4.

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Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf in FamRZ 1998, 1267. Das Gericht hat in dieser Entscheidung ausgeführt, die erforderliche Kenntnis i.S. des § 2332 Abs. 1 BGB a.F. könne fehlen, wenn der Berechtigte infolge Tatsachen- oder Rechtsirrtums davon ausgehe, die ihm bekannte Verfügung sei unwirksam und entfalte daher für ihn keine beeinträchtigende Wirkung. Dasselbe sei anzunehmen, wenn aufgrund der vorhandenen Testamente nicht feststehe, wer Erbe geworden sei und wen der Pflichtteilsberechtigte in Anspruch nehmen müsse. Ob die Ausführungen in dieser Allgemeinheit zutreffen, ist nicht zweifelsfrei. Auch bei Unkenntnis der Person des Erben ist der Pflichtteilsberechtigte keineswegs schutzlos. Gemäß § 1960 Abs. 1 BGB hat das Nachlassgericht bis zur Annahme der Erbschaft für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen, soweit ein Bedürfnis besteht. Das gleiche gilt, wenn der Erbe unbekannt oder wenn ungewiss ist, ob er die Erbschaft angenommen hat. Nach § 1961 BGB hat das Nachlassgericht in den Fällen des § 1960 Abs. 1 BGB einen Nachlasspfleger zu bestellen, wenn die Bestellung zum Zweck der gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlass richtet, von dem Berechtigten beantragt wird. Ein derartiges Rechtsschutzinteresse kann etwa bei der Verfolgung von Pflichtteilsansprüchen bestehen5.

Jedenfalls unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt grundlegend von demjenigen des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Die Klägerin hatte zunächst Kenntnis von der Erbenstellung, da sie und ihr Bruder durch die letztwilligen Verfügungen des Erblassers zu Erben berufen waren. Zu einer Unklarheit über die Person der Erben ist es erst durch die Ausschlagung gekommen. Gemäß § 2332 Abs. 3 BGB a.F. wird die Verjährung indessen nicht dadurch gehemmt, dass die Ansprüche erst nach der Ausschlagung der Erbschaft oder eines Vermächtnisses geltend gemacht werden können. Aus dieser Regelung folgt, dass die Verjährung nicht erst mit der Ausschlagung (oder der Kenntnis von der Person der nunmehr berufenen Erben) beginnt, sondern bereits mit der Kenntnis der in § 2332 Abs. 1 BGB genannten Tatsachen6.

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Der Verjährung des Anspruchs der Klägerin steht ferner § 211 BGB nicht entgegen. Gemäß § 211 Satz 1 Alt. 1 BGB tritt die Verjährung eines Anspruchs, der zu einem Nachlass gehört oder sich gegen einen Nachlass richtet, nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen wird. Unterschiedlich beurteilt wird, auf welchen Zeitpunkt im Fall mehrerer Erben und unterschiedlicher Annahmezeitpunkte abzustellen ist.

Die bisher nahezu einhellige Meinung im Schrifttum geht davon aus, dass die Ablaufhemmung erst zu dem Zeitpunkt beginnt, in dem sämtliche Miterben die Erbschaft angenommen haben7. Begründet wird dies mit der gemeinsamen Bindung der Erben gemäß §§ 2039, 2040 BGB. Hiernach wäre keine Verjährung eingetreten. Als spätester Zeitpunkt der Erbschaftsannahme kommt die am 5.09.2009 erfolgte Veräußerung der Erbanteile der übrigen Miterben bis auf einen an die Beklagten in Betracht. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Beklagten durch ihr Schreiben vom 19.11.2008 bereits den Verzicht auf die Einrede der Verjährung erklärt, soweit diese noch nicht eingetreten war.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main8 und ihm folgend Löhnig9 gehen demgegenüber davon aus, dass es auf den Annahmezeitpunkt durch den jeweils einzelnen Miterben ankommt, gegenüber dem Ansprüche erhoben werden. Dies sind hier die Beklagten, die die Annahme jedenfalls nicht nach dem 6.03.2007 erklärt haben, so dass die Zeitspanne für die Ablaufhemmung von sechs Monaten noch vor dem regulären Verjährungsende am 28.10.2007 liegt.

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Die letztgenannte Auffassung trifft nach Ansicht des Bundesgerichtshofs zu. Zwar ist der Wortlaut der Vorschrift, in dem lediglich „von dem Erben“ die Rede ist, hierfür nicht ausschlaggebend, da das Bürgerliche Gesetzbuch, wenn es vom Erben spricht, auch immer eine Mehrheit von Erben meint. Maßgebend ist aber der Sinn und Zweck der Regelung. Käme es auf den Zeitpunkt an, zu dem der letzte Miterbe die Erbschaft angenommen hat, würde dies zu einer erheblichen Ausdehnung des Hemmungszeitraums führen. Ein Miterbe, der die Erbschaft frühzeitig angenommen hat, könnte sich unter Umständen für einen längeren Zeitraum nicht auf Verjährung berufen, nur weil andere Miterben die Erbschaft noch nicht angenommen haben. Dies kann besonders in den Fällen problematisch werden, in denen wie hier zunächst nicht bekannt ist, wer Erbe geworden ist, so dass weitere Nachforschungen erforderlich sind, bis feststeht, welche Personen Erben geworden sind. Sinn und Zweck des § 211 BGB ist es, den Gläubiger in den Fällen zu schützen, in denen er ohne eigenes Verschulden an der Geltendmachung seines Anspruchs gehindert ist. Die Vorschrift trägt insoweit den Schwierigkeiten Rechnung, die sich ergeben können, wenn nach einem Todesfall Ansprüche gegen den Nachlass erhoben werden10. Vor derartigen Schwierigkeiten steht ein Gläubiger nicht mehr, sobald einer oder mehrere Miterben die Erbschaft angenommen haben. In diesem Fall kann er seinen Anspruch gegen diese jedenfalls im Wege der Gesamtschuldklage nach § 2058 BGB verfolgen.

Nichts anderes ergibt sich aus der von der Gegenauffassung herangezogenen gemeinsamen Bindung der Erben über §§ 2039, 2040 BGB. Diese äußert sich gemäß § 2058 BGB in der Anordnung der gemeinschaftlichen Haftung der Erben als Gesamtschuldner für Nachlassverbindlichkeiten. Für die Gesamtschuldnerschaft ordnet § 425 Abs. 2 BGB an, dass die Verjährung für jeden Gesamtschuldner gesondert zu beurteilen ist11. Es ist nicht ersichtlich, warum diese Einzelwirkung der Verjährung bei Gesamtschuldnerschaft in den Fällen des § 211 BGB durchbrochen werden sollte.

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Ohne Erfolg wird hiergegen geltend gemacht, dass selbst auf der Grundlage einer Einzelwirkung der Annahme seitens des jeweiligen Miterben keine Verjährung eingetreten sei. Hierzu beruft sie sich darauf, die Beklagten hätten ihre jetzigen Erbquoten erst dadurch erlangt, dass sie mit Vertrag vom 05.09.2009 die Erbanteile von weiteren fünf Miterben erworben hätten. Zutreffend ist, dass bezüglich dieser erworbenen Miteigentumsanteile bei der anzustellenden Einzelbetrachtung die Verjährung jeweils gesondert zu beurteilen ist. Dies ändert indessen nichts daran, dass auch hinsichtlich dieser erworbenen Anteile Verjährung eingetreten ist. Gemäß § 2382 Abs. 1 Satz 1 BGB haftet der Erbschaftskäufer von dem Abschluss des Kaufs an den Nachlassgläubigern. Die Beklagten als Käufer treten mithin auch bezüglich der Verjährung in die Rechtsstellung der Veräußerer ein. Die fünf Miterben, von denen die Beklagten ihre Erbanteile erworben haben, haben die Annahme der Erbschaft spätestens am 5.09.2009 durch die Veräußerung erklärt. Unter Berücksichtigung der Ablaufhemmung von sechs Monaten gemäß § 211 Satz 1 BGB lief die Verjährungsfrist sodann am 5.03.2010 ab. Klage hat die Klägerin erst im August 2011 erhoben.

Ohne Erfolg beruft sich die Revision ferner darauf, die Einzelwirkung des § 425 Abs. 2 BGB stehe nach § 425 Abs. 1 BGB unter dem Vorbehalt, dass sich aus dem Schuldverhältnis nichts anderes ergeben dürfe. Die Klägerin macht hierzu geltend, dem Nachlassgläubiger stehe die Wahl offen, ob er eine Gesamtschuldklage gegen einzelne oder mehrere Miterben gemäß § 2058, § 2059 Abs. 1 BGB erhebe oder eine Gesamthandsklage gegenüber dem ungeteilten Nachlass gemäß § 2059 Abs. 2 BGB. Die Gesamthandsklage könne indessen nur gegen alle Miterben erhoben werden. Sei ein Miterbe unbekannt oder nicht greifbar, müsse für ihn gemäß §§ 1960, 1961 BGB ein Pfleger bestellt werden. Für die Inanspruchnahme einzelner Miterben als Gesamtschuldner könne, solange der Nachlass ungeteilt sei, nichts anderes gelten. Anderenfalls müsse der Pflichtteilsberechtigte lediglich zur Abwehr der drohenden Verjährung eine Nachlasspflegschaft bezüglich der unbekannten Erben herbeiführen. Dies widerspreche der Intention des Gesetzgebers.

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Diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen. Mit ihr wird unzulässig die Gesamthandsklage gemäß § 2059 Abs. 2 BGB mit der Gesamtschuldklage gemäß §§ 2058, 2059 Abs. 1 BGB verjährungsrechtlich gleichgesetzt. Dem Gläubiger steht es frei, ob er einzelne oder mehrere Miterben gesamtschuldnerisch in Anspruch nimmt oder eine Gesamthandsklage zur Befriedigung aus dem ungeteilten Nachlass erhebt. Falls er eine Gesamthandsklage i.S. von § 2059 Abs. 2 BGB anstrengt, muss diese gegen alle Miterben erhoben werden, die in diesem Fall notwendige Streitgenossen sind12. Gerade dies ist bei einer Gesamtschuldklage, die sich lediglich gegen einzelne Miterben richten kann, nicht erforderlich. Der Nachlassgläubiger ist in diesem Fall nicht gezwungen, gegen sämtliche Miterben als Gesamtschuldner vorzugehen und deshalb etwa für die unbekannten Miterben Nachlasspflegschaft zu beantragen. Auch aus der Entstehungsgeschichte ergibt sich nichts anderes. So heißt es in den Motiven zu § 207 BGB a.F., es erscheine nicht angemessen und liege auch nicht im Interesse der berufenen Erben, die Nachlassgläubiger zu nötigen, lediglich zur Abwehr der drohenden Verjährung eine Nachlasspflegschaft herbeizuführen. Die zur Geltendmachung des Anspruchs nachgelassene sechsmonatige Frist beginne mit dem Zeitpunkt, in welchem die Geltendmachung „keiner Beengung“ mehr unterliege13.

Dem Gesetzgeber standen damit Fälle vor Augen, in denen der Gläubiger seinen Anspruch ohne Nachlasspflegschaft nicht geltend machen kann. Dem sollte durch die Regelung über die Ablaufhemmung Rechnung getragen werden. Diese Gefahr besteht dann nicht mehr, wenn es sich um mehrere Erben handelt und ein Teil von ihnen die Erbschaft angenommen hat. In einem derartigen Fall kann der Gläubiger auch bei einem ungeteilten Nachlass jedenfalls Gesamtschuldklage gemäß § 2058 BGB erheben, weil die Geltendmachung seines Rechts insoweit „keiner Beengung“ mehr unterliegt. Wann in vergleichbaren Fallkonstellationen bei einer Gesamthandsklage die Ablaufhemmung gemäß § 211 BGB eintritt, muss hier nicht entschieden werden.

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 4. Juni 2014 – IV ZR 348/13

  1. vgl. Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch Bd. – V S. 226 f.[]
  2. BGH, Urteil vom 16.01.2013 – IV ZR 232/12, ErbR 2013, 213[]
  3. so etwa Herzog in Dauner-Lieb/Pflichtteilsrecht, § 2332 Rn. 23[]
  4. BGH, Urteil vom 16.01.2013 aaO Rn. 11[]
  5. vgl. MünchKomm-BGB/Leipold, 6. Aufl. § 1961 Rn. 8[]
  6. so zu Recht Staudinger/Olshausen, BGB Neubearb.2006 § 2332 Rn. 23; HK-Pflichtteilsrecht/Herzog, § 2332 Rn. 37[]
  7. Bamberger/Henrich, BGB 3. Aufl. § 211 Rn. 3; MünchKomm-BGB/Grothe, 6. Aufl. § 211 Rn. 3; Soergel/Niedenführ, BGB 13. Aufl. § 207 Rn. 2; Lakkis in: jurisPK-BGB 6. Aufl. § 211 Rn. 5; Palandt/Ellenberger, BGB 73. Aufl. § 211 Rn. 1; Holtmeyer, ZEV 2013, 53, 57; Birr, Verjährung und Verwirkung 2. Aufl. Rn. 100[]
  8. OLG Frankfurt/M., Urteil vom 03.09.3013 – 15 U 92/12[]
  9. Löhnig, ZEV 2013, 674, 677[]
  10. vgl. Bamberger/Roth/Henrich, BGB 3. Aufl. § 211 Rn. 1[]
  11. vgl. MünchKomm-BGB/Bydlinski, 6. Aufl. § 425 Rn. 22; Staudinger/Looschelders, BGB Neubearb.2012 § 425 Rn. 56[]
  12. vgl. Palandt/Weidlich, BGB 73. Aufl. § 2059 Rn. 11; ferner MünchKomm-BGB/Ann, 6. Aufl. § 2059 Rn.19 f.[]
  13. vgl. Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch Bd. – I S. 530[]

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