Mit der Erledigung der Berufung im Fall der Berichtigung des erstinstanzlichen Urteils hatte sich aktuell der Bundesgerichtshof zu befassen:

Eine Erledigung des Rechtsmittels ist gegeben, wenn ein ursprünglich zulässiges und begründetes Rechtsmittel nachträglich unzulässig oder unbegründet wird1.
Diese Voraussetzungen können wie im hier entschiedenen Fall- auch infolge der Berichtigung des erstinstanzlichen Urteils gegeben sein:
Die Berufung des Klägers war ursprünglich zulässig. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hat in seinem Berufungsurteil2 zu Recht angenommen, dass der Kläger durch das landgerichtliche Urteil bei Einlegung des Rechtsmittels (formell) in Höhe von mehr als 600 € beschwert war (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Entgegen der Ansicht der Revision steht der Beschwer des Klägers nicht entgegen, dass der Berichtigungsbeschluss auf den Zeitpunkt des Erlasses des landgerichtlichen Urteils zurückwirkt3.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Erledigung ist derjenige des Eintritts des tatsächlichen Ereignisses, das zum Wegfall der Beschwer und damit zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels führt4. Dieses Ereignis besteht vorliegend in dem während des Berufungsverfahrens ergangenen Berichtigungsbeschluss. Der Beschluss hat zur Folge, dass der Tenor des landgerichtlichen Urteils rückwirkend auf Zahlung von 15.282, 06 € lautet, so dass der Berufung nachträglich die Grundlage entzogen worden ist5.
Als rechtsfehlerfrei erweist sich auch die Annahme des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts, dass der Kläger anfangs über das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für die Berufung verfügte.
Aus der Beschwer durch das angefochtene Urteil ergibt sich regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis des Rechtsmittelführers für die Anrufung der höheren Instanz6. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt nur ausnahmsweise, wenn der gesetzlich vorgesehene Rechtsmittelweg unnötig beschritten wird, weil das verfolgte Begehren auf einem einfacheren und kostengünstigeren Weg zu erlangen ist7. Auf einen verfahrensmäßig unsicheren Weg darf die betroffene Partei jedoch nicht verwiesen werden8. Ein schnelleres und billigeres Mittel des Rechtsschutzes lässt das berechtigte Interesse für ein Rechtsmittel deshalb nur entfallen, sofern es wenigstens vergleichbar sicher oder wirkungsvoll alle erforderlichen Rechtsschutzziele herbeiführen kann9.
Auf dieser Grundlage wird in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum vertreten, für die Einlegung der Berufung bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn ein Berichtigungsantrag nach § 319 Abs. 1 ZPO einen ebenso sicheren Weg zur Korrektur des unrichtigen erstinstanzlichen Urteils darstelle. Hiervon sei auszugehen, wenn die Fehlerhaftigkeit des Urteils zweifelsfrei auf einer offenbaren Unrichtigkeit beruhe und die betroffene Partei deshalb sicher sein könne, dass der Fehler berichtigt werde10.
Im Streitfall kann offenbleiben, ob diese Ansicht Zustimmung verdient11. Dagegen spricht, dass sich für die betroffene Partei ein Berichtigungsantrag nicht als ebenso wirkungsvoll wie eine Berufung darstellt. Sie kann mit einem Berichtigungsantrag – anders als mit der Berufung (§ 707 Abs. 1, § 719 Abs. 1 ZPO) – eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten erstinstanzlichen Urteil nicht erreichen. Außerdem ist ein den Berichtigungsantrag zurückweisender Beschluss – anders als ein die Berufung zurückweisendes Urteil (§ 542 Abs. 1, § 543 Abs. 1 ZPO) – nicht anfechtbar (§ 319 Abs. 3 ZPO).
Vorliegend stellte der Berichtigungsantrag des Klägers jedenfalls keinen ebenso sicheren Weg wie die eingelegte Berufung dar, um die gewünschte Korrektur des landgerichtlichen Urteils zu erreichen. Aus dem angefochtenen Urteil ergab sich nicht unzweifelhaft, dass der dem Kläger zugesprochene Betrag von 6.914, 94 € wegen evidenter Fehlerhaftigkeit der errechneten Nutzungsentschädigung im Sinne des § 319 Abs. 1 ZPO offenkundig unrichtig und auf 15.282, 06 € zu berichtigen war. Das angefochtene Urteil wies nicht unmittelbar aus, dass die in die Berechnung der Nutzungsentschädigung eingestellte Restlaufleistung anhand der Laufleistung im Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs und nicht – wie geschehen – anhand der ebenfalls angeführten Laufleistung im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung ermittelt werden sollte. Zudem war der Betrag von 6.914, 94 € nicht nur im Tenor und in den Entscheidungsgründen des Urteils ausgewiesen, sondern diente erkennbar auch als Gegenstandswert für die vom Landgericht als erstattungsfähig angesehenen Rechtsanwaltskosten und als Grundlage für die vorgenommene Kostenteilung. Unter diesen Umständen konnte der Kläger nicht sicher sein, dass das Landgericht den Betrag von 6.914, 94 € nicht als auf einer fehlerhaften Willensbildung beruhend12, sondern als evidenten Verlautbarungsfehler ansehen und das angefochtene Urteil deshalb umfassend berichtigen werde.
Die Berufung des Klägers ist nachträglich unzulässig geworden. Infolge der Berichtigung des landgerichtlichen Urteils im Laufe des Berufungsverfahrens sind die erforderliche Beschwer des Klägers und damit auch sein Rechtsschutzbedürfnis für die Berufung entfallen. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hat zu Recht angenommen, dass der Kläger diesem Umstand dadurch Rechnung tragen konnte, dass er die Berufung für erledigt erklärt hat.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine auf ein Rechtsmittel bezogene einseitige Erledigungserklärung jedenfalls dann zulässig, wenn hierfür ein besonderes Bedürfnis besteht, weil nur auf diese Weise eine angemessene Kostenentscheidung erzielt werden kann13, und zudem das die Zulässigkeit oder Begründetheit des Rechtsmittels erledigende Ereignis als solches außer Streit steht14.
Vorliegend ermöglichte nur eine auf die Berufung bezogene Erledigungserklärung des Klägers eine angemessene Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hat zutreffend angenommen, dass der Kläger, nachdem infolge der Urteilsberichtigung seine erforderliche Beschwer entfallen war, ohne eine Erledigungserklärung der durch die Verwerfung seiner Berufung als unzulässig drohenden Kostenlast (§ 97 Abs. 1 ZPO) ausgesetzt war. Bei einer Rücknahme des Rechtsmittels hätte er trotz der anfänglichen Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Urteils die Kosten des Berufungsverfahrens tragen müssen (§ 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Demgegenüber hätte die Beklagte das wegen der Fehlerhaftigkeit des landgerichtlichen Urteils eingeleitete Berufungsverfahren und ihre mit Blick auf die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels drohende Kostenlast vermeiden können, wenn sie frühzeitig den vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruch in Höhe des zutreffend berechneten Betrags von 15.282, 06 € anerkannt oder nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils und Zugang des Berichtigungsantrags die Klageforderung in dieser Höhe zeitnah erfüllt hätte. Bei einer solchen Sachlage erscheint es angemessen, den Kläger durch die Zulassung der auf die Berufung bezogenen einseitigen Erledigungserklärung von den Kosten des Berufungsverfahrens zu entlasten und eine Kostenentscheidung zulasten der Beklagten zu ermöglichen.
Dieser Beurteilung steht entgegen der Annahme des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.07.199415 nicht entgegen. Der Bundesgerichtshof hat die Zulässigkeit einer auf die Berufung bezogenen einseitigen Erledigungserklärung bei einer nachträglichen Berichtigung des erstinstanzlichen Urteils nicht generell abgelehnt. Er hat eine entsprechende Anwendung des § 91a ZPO lediglich für die Fallgestaltung verneint, dass die Berufung von einem erstinstanzlich verurteilten Dritten eingelegt worden ist, der infolge eines Berichtigungsbeschlusses und des damit einhergehenden rückwirkenden Wegfalls seiner Parteistellung letztlich nie als Partei des Rechtsstreits gegolten hat16. Soweit der Bundesgerichtshof in diesem Fall eine Kostentragungspflicht des Klägers als unbillig angesehen hat, beruhte dies darauf, dass der Kläger die Klage gegen die richtige Partei gerichtet und der Berichtigung des erstinstanzlichen Urteils zeitnah zugestimmt hatte, während der Dritte die Berufung lange vor Ablauf der ihm (mangels wirksamer Zustellung des angefochtenen Urteils) zur Verfügung stehenden sechsmonatigen Rechtsmittelfrist eingelegt hatte17. Ein vergleichbarer Sachverhalt ist vorliegend nicht gegeben. Vielmehr hat der Kläger versucht, mithilfe seines Berichtigungsantrags eine Korrektur des landgerichtlichen Urteils vor Ablauf der Berufungsfrist zu erreichen.
Für die Erledigung des Rechtsmittels kommt es nicht darauf an, ob die auf die Zuerkennung eines Betrags von 15.282, 06 € gerichtete Berufung des Klägers in der Sache Erfolg gehabt hätte. Die materielle Rechtskraft des Berichtigungsbeschlusses schließt eine Prüfung der Begründetheit der Berufung aus18.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. März 2023 – VIa ZR 1140/22
- BGH, Urteil vom 30.09.2009 – VIII ZR 29/09, NJW-RR 2010, 19 Rn. 10; Beschluss vom 29.03.2018 – I ZB 54/17, NJW-RR 2019, 317 Rn. 12[↩]
- OLG Schleswig, Urteil vom 08.07.2022 – 1 U 68/21[↩]
- vgl. dazu BGH, Urteil vom 09.12.1983 – V ZR 21/83, BGHZ 89, 184, 186; Urteil vom 14.07.1994 – IX ZR 193/93, BGHZ 127, 74, 81; Urteil vom 20.11.2018 – II ZR 12/17, NJW 2019, 993 Rn. 15, insoweit in BGHZ 220, 207 nicht abgedruckt[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 17.07.2003 – IX ZR 268/02, BGHZ 155, 392, 398; Urteil vom 05.03.2014 – IV ZR 102/13 12; Beschluss vom 08.03.2022 – XI ZR 571/21, AG 2022, 443 Rn. 10; Flockenhaus in Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl., § 91a Rn. 34; Zöller/Althammer, ZPO, 34. Aufl., § 91a Rn. 44[↩]
- zur Feststellung der Wirksamkeit der Klagerücknahme vgl. BGH, Urteil vom 12.05.1998 – XI ZR 219/97, NJW 1998, 2453, 2454; zur Rücknahme des Haftbefehlsantrags vgl. BGH, Beschluss vom 29.03.2018 – I ZB 54/17, NJW-RR 2019, 317 Rn. 13; zur Rücknahme des Vollstreckungsauftrags vgl. BGH, Beschluss vom 20.12.2018 – I ZB 24/17, DGVZ 2019, 79 Rn. 12; zur Aufrechnung vgl. BGH, Urteil vom 17.07.2003 – IX ZR 268/02, BGHZ 155, 392, 398; zur Testamentsanfechtung aA BGH, Urteil vom 25.06.2003 – IV ZR 285/02, NJW 2003, 3268, 3270[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 03.11.1971 – IV ZR 26/70, BGHZ 57, 224, 225; Urteil vom 11.10.2005 – XI ZR 398/04, NJW 2005, 3773, 3774[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 03.11.1971, aaO; Urteil vom 11.10.2005, aaO; Urteil vom 30.09.2009 – VIII ZR 29/09, NJW-RR 2010, 19 Rn.20[↩]
- BGH, Urteil vom 30.09.2009, aaO; zur Klage vgl. BGH, Urteil vom 29.09.2022 – I ZR 180/21, NJW-RR 2023, 66 Rn. 16 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 18.04.2013 – III ZR 156/12, BGHZ 197, 147 Rn. 10; Beschluss vom 10.02.2016 – IV AR (VZ) 8/15, NJW-RR 2016, 445 Rn. 10 mwN[↩]
- vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 05.11.2020 – 22 U 222/19 36 f.; OLG Karlsruhe, MDR 2003, 523; OLG Köln, NJOZ 2012, 403, 403 f.; OLG Saarbrücken, NJW-RR 2010, 1221, 1222; LG Berlin, Beschluss vom 13.07.2021 – 67 S 101/21 1; BeckOK ZPO/Elzer, 47. Edition [Stand: 1.12.2022], § 319 Rn. 67; Musielak in Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl., § 319 Rn. 18; Rensen in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 319 Rn. 17; aA [Grundsatz der Meistbegünstigung] OLG Köln, FamRZ 1998, 1239; OLG München, Urteil vom 16.09.2014 – 9 U 4050/1219; Hunke in Anders/Gehle, ZPO, 81. Aufl., § 319 Rn. 18[↩]
- dagegen wohl BGH, Urteil vom 21.07.2017 – V ZR 72/16, NZM 2017, 853 Rn. 11; Beschluss vom 09.11.1977 – VIII ZB 34/77, VersR 1978, 139[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 08.07.2014 – XI ZB 7/13, NJW 2014, 3101 Rn. 8[↩]
- BGH, Urteil vom 12.05.1998 – XI ZR 219/97, NJW 1998, 2453, 2454; Beschluss vom 20.01.2009 – VIII ZB 47/08, NJW-RR 2009, 855 Rn. 4; Beschluss vom 20.12.2018 – I ZB 24/17, DGVZ 2019, 79 Rn. 10; Beschluss vom 26.08.2020 – XII ZB 243/19, FamRZ 2020, 1941 Rn. 8[↩]
- BGH, Beschluss vom 20.12.2018, aaO; Beschluss vom 26.08.2020, aaO[↩]
- BGH, Urteil vom 14.07.1994 – IX ZR 193/93, BGHZ 127, 74[↩]
- BGH, Urteil vom 14.07.1994, aaO, S. 82[↩]
- BGH, Urteil vom 14.07.1994, aaO, S. 83[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 12.01.1984 – III ZR 95/82, NJW 1985, 742, 743[↩]