Für die Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten kann der maßgebliche Normaltarif im Wege der tatrichterlichen Schadensschätzung ermittelt werden, wobei sowohl aus der Schwacke-Liste als auch aus der Fraunhofer-Liste jeweils das darin ausgewiesene arithmetische Mittel zu entnehmen ist [1].

Zu den zu ersetzenden Schäden aus den Verkehrsunfällen zählen die gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlichen Mietwagenkosten. Erforderlich sind dabei grundsätzlich nur die sog. Normaltarife der Autovermieter [2] – und zwar die ortsüblichen. Diese kann das Gericht gem. § 287 ZPO schätzen.
Die Frage, wie der „Normaltarif“ zu bestimmen ist, ist in Rechtsprechung und Literatur streitig. Es obliegt tatrichterlicher Freiheit, wie hier im Einzelnen vorzugehen ist. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung können die Mietpreise anhand des des Schwacke-Mietpreisspiegels im maßgeblichen Postleitzahlengebiet – ggf. mit Sachverständigenberatung – bestimmt werden. Andererseits bedeutet dies nicht, das eine Schätzung auf der Grundlage anderer Listen oder Tabellen, wie etwa der Fraunhofer Liste oder eine Schätzung nach dem arithmetischen Mittel beider Markterhebungen rechtsfehlerhaft wäre [3].
Zutreffend ist, dass die Eignung der Listen oder Tabellen selbst, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, nur dann Erklärung bedarf, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken [4]. Solche konkreten Angriffe gegen die Schwacke- bzw. Fraunhofer Liste wurden hier nicht vorgebracht. Vorliegend geht es um die Frage, welche der Listen generell geeignet ist und als Schätzgrundlage herangezogen werden kann. Gerade dies ist die Frage der tatrichterlichen Würdigung.
Das Landgericht Stuttgart schließt sich nunmehr der Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe und weiterer Gerichte [5] an, nach der für die Bestimmung des Normaltarifs für Selbstzahler eine Schätzung nach dem arithmetischen Mittel beider Markterhebungen vorzunehmen ist (sog. „Fracke“-Rechtsprechung).
Das Landgericht Stuttgart teilt die in Literatur und Rechtsprechung benannten Vor- und Nachteile [6] der beiden Listenwerke:
Insoweit ist bezüglich der Fraunhoferliste darauf hinzuweisen, dass sie aufgrund der anonymen Abfrage von Mietwagen und Preisen besser die konkrete Anmietsituation wiedergibt, weil Manipulationen durch die Angabe überhöhter Preise bei (offen) befragten Mietwagenunternehmern, wie dies bei der Schwacke-Erhebung der Fall ist, vermieden werden. Zum anderen liegt der Fraunhoferliste ein recht umfangreiches Zahlenmaterial durch eine größere Anzahl von Nennungen zugrunde. Andererseits basiert bei der Fraunhoferliste ein großer Teil auf Internetangeboten, die auf dem maßgeblichen örtlichen Markt nicht ohne Weiteres ad hoc zugänglich sind. Geschädigte werden vielfach eine Buchung über das Internet wegen Sicherheitsbedenken nicht vornehmen bzw. im Einzelfall in der konkreten Unfallsituation keinen Internetanschluss zeitnah zur Verfügung haben. Dazu kommt, dass das Raster der Fraunhoferliste gröber ist als das der Schwacke-Liste, da nur zweistellige Postleitzahlengebiete unterschieden werden und nicht – wie bei Schwacke – dreistellige Postleitzahlengebiete.
Bezüglich der Schwacke-Liste sind die Ermittlungen im Hinblick auf das Postleitzahlengebiet genauer, weil sie durch die dreistelligen Postleitzahlen Unterscheidungen ortsnaher sind. Zum anderen berücksichtigt Schwacke – anders als Fraunhofer – auch mögliche Zuschläge bei der Anmietung, die in der Realität auch tatsächlich verlangt werden. Andererseits wird gegen die Schwacke-Liste vorgebracht, dass die Erhebung offen vorgenommen wird und dies die Gefahr birgt, dass die beteiligten Kreise (Autovermieter) ihre – hohen – Preisvorstellungen durchdrücken. Dies könnte dazu führen, dass die Schwacke-Preise gemessen an den tatsächlich verlangten Preisen zu hohe Preise ausweisen.
Werden die aufgezeigten Vorteile und die Mängel sowohl des Schwacke- als auch des Fraunhofer-Mietpreisspiegels berücksichtigt, erscheint es dem Einzelrichter im Rahmen der freien Schätzung gem. § 287 ZPO als richtig, das arithmetische Mittel beider Markterhebungen vorzunehmen [7]. Denn die Vergleichbarkeit der Erhebungswerte beider Markterhebungen kann gerade durch die Bestimmung des Mittelwertes gewährleistet werden. Der hierdurch erforderlich werdende höhere Bearbeitungsaufwand für die Gerichte ist schlicht hinzunehmen.
Bei der Errechnung des Mittelwertes ist wie folgt vorzugehen:
Bei den Werten der Schwacke-Liste ist vom sog. Modus [8] auszugehen. Für den Fall, dass kein solcher „Modus“ angegeben ist, ist vom „nahen Mittel“ [9] des Normaltarifs auszugehen. Maßgeblicher Postleitzahlenbezirk ist – für beide Listen – der Anmietort, also der Postleitzahlenbezirk des Vermieters [10]. Da die Fraunhofer-Tabelle keinen sog. „Modus“ enthält, sondern lediglich das arithmetische Mittel aller erhobenen Einzelwerte ausweist, ist an diesen Wert anzuknüpfen.
Für die Berechnung ist die jeweilige tatsächlich erreichte Gesamtmietdauer maßgebend. Diese ist dergestalt zu ermitteln, dass die Gesamtmietdauer in die bei dem Marktpreisspiegel berücksichtigtem Anmietzeiträume (1 Tag, 3 Tage, 1 Woche) aufgeteilt wird [11]. Die Überlegungen anderer Oberlandesgerichte [12], wonach der nach den Mietpreisspiegeln heranzuziehende, im Hinblick auf die tatsächliche Gesamtzeit höchste Anmietzeitraum (1‑Tageswert, 3‑Tageswerte oder Wochenpauschale) heranzuziehen sei und daraus dann ein durch Teilung sich ergebender Eintageswert berechnet werden soll, der dann mit den Gesamtmiettagen zu multiplizieren sei, erzeugt eine nach Überzeugung des Einzelrichters im Rahmen von § 287 ZPO nicht notwendige und im Übrigen nicht sachgerechte Scheingenauigkeit. Die Praxis jedenfalls einiger Mietwagenunternehmer und v.a. heir auch der Autovermieterin sieht nämlich durchaus vor, dass eine Aufteilung in Abrechnungszeiträume vorgenommen wird.
Da die Fraunhoferliste ohne Zuschläge arbeitet und Zusatzleistungen in dieser Liste auch nicht enthalten sind, sind – nach Ermittlung des arithmetischen Mittels beider Listen – etwaige weitere Zuschläge (hier für Winterreifen, Zweitfahrer, Navigationsgerät und Zusatzkosten für Zustellung und Abholung) anzusetzen, soweit sie angefallen sind. In Bezug auf die Berechtigung, solche Zuschläge generell zu verlangen, ist davon auszugehen, dass es sich jeweils um Sonderleistungen handelt, die von Seiten der Autovermieter üblicherweise nur gegen Zuschlag erbracht werden. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dies in den vorliegenden Anmietfällen anders gewesen wäre, fehlen [13].
Generell können auch die Zusatzkosten für eine Vollkaskoversicherung als Zusatzkosten absatzfähig sein. Zwar sind entsprechend der Erläuterungen zu den Tabellenwerken dort die Kosten für eine Kaskoversicherung bzw. Vollkaskoversicherung jedenfalls ab dem Jahr 2010 mit in die Endpreise einbezogen worden – allerdings mit Selbstbehalt. Mit anderen Worten kann als Zusatzposition (nur) eine Position geltend gemacht werden, mit der ein Selbstbehalt unter den in die Tabellenwerte eingegangenen Selbstbehalten (je nach Liste 500, 00 € bis 1.000, 00 €) vereinbart wurde.
Landgericht Stuttgart, Urteil vom 7. August 2015 – 24 O 421/14
- Anschluss an OLG Karlsruhe, Urteil vom 11.08.2011 – 1 U 27/11[↩]
- Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl.2014, § 249 Rn. 32[↩]
- OLG Karlsruhe, Urteil vom 11.08.2011 – 1 U 27/11; OLG Stuttgart, Urteil vom 16.05.2013 – 13 U 159/12, jeweils mit weiteren Nachweisen[↩]
- OLG Stuttgart, a.a.O.; BGH, Urteil vom 18.05.2010 – VI ZR 293/08[↩]
- Zusammenfassung der uneinheitlichen und unübersichtlichen Rechtsprechung bei Freymann/Vogelsang, ZfS 2014, 1 ff[↩]
- vgl. ausführlich die Darstellung des OLG Karlsruhe, Urteil vom 11.08.2011 – 1 U 27/11[↩]
- so auch OLG Karlsruhe, a.a.O.; KG, Urteil vom 08.05.2014 – 22 U 119/13; OLG Köln, Urteil vom 28.01.2014 – 15 U 137/13; OLG Celle, Urteil vom 29.02.2012 – 14 U 49/11[↩]
- gewichtetes Mittel = häufigst genannter Preis[↩]
- arithmetisches Mittel[↩]
- OLG Köln, Urteil vom 30.07.2013 – 15 U 186/12[↩]
- so auch OLG Karlsruhe, a.a.O.[↩]
- OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.04.2015 – 1 U 114/14; OLG Köln, Urteil vom 30.07.2013 – 15 U 186/12[↩]
- vgl. zu Zusatzleistungen OLG Stuttgart, Urteil vom 18.08.2011 – 7 U 109/11[↩]
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