Überträgt der Gründer eines Unternehmens der finanzierenden Bank nahezu das gesamte Vermögen zur Sicherung ihrer Kredite, handelt er, wie der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Urteil feststellt, auch dann nicht mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, wenn seine Hoffnung, die Gründung werde erfolgreich sein, objektiv unberechtigt ist. Die von der Rechtsprechung für die anfechtungsrechtliche Beurteilung von Sanierungskrediten entwickelten Grundsätze sind auf die Anschubfinanzierung von neu gegründeten Unternehmen nicht übertragbar.

Der Schuldner handelt nur mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er die Benachteiligung der Gläubiger als Erfolg seiner Rechtshandlung will oder als mutmaßliche Folge erkennt und billigt1. Er muss also entweder wissen, dass er neben dem Anfechtungsgegner nicht alle Gläubiger innerhalb angemessener Zeit befriedigen kann, oder sich diese Folge zumindest als möglich vorgestellt, aber in Kauf genommen haben, ohne sich durch die Vorstellung dieser Möglichkeit von seinem Handeln abhalten zu lassen2. Kennt der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit oder seine drohende Zahlungsunfähigkeit, kann daraus nach ständiger Rechtsprechung auf einen Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden3. In diesem Fall handelt der Schuldner nur dann nicht mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er aufgrund konkreter Umstände – etwa der sicheren Aussicht, demnächst Kredit zu erhalten oder Forderungen realisieren zu können – mit einer baldigen Überwindung der Krise rechnen kann. Droht die Zahlungsunfähigkeit, bedarf es konkreter Umstände, die nahe legen, dass die Krise noch abgewendet werden kann4. Der Existenzgründer ist typischerweise bei Bestellung der Sicherheiten aber weder zahlungsunfähig noch droht ihm die Zahlungsunfähigkeit. Vielmehr war er auf Grund der an ihn ausgereichten Darlehen, die im Gegenzug abgesichert wurden, liquide.
Die „Entziehung“ von Haftungsmasse durch die Gestellung von Sicherheiten kann für sich allein einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz noch nicht begründen. Andernfalls wären Sicherungsgeschäfte durchweg zehn Jahre lang nach § 133 InsO anfechtbar, wenn der Erhalt eines Kredites unter Einsatz des gesamten Vermögens des Kreditnehmers besichert wird und der Kreditgeber das erkennt. Die Finanzierung von Unternehmensgründungen würde zu einem unkalkulierbaren Risiko, weil damit gerechnet werden müsste, dass die Sicherheitenbestellung auch dann noch anfechtbar ist, wenn die Krise weitab von der in der Gründungsphase geleisteten Anschubfinanzierung eintritt. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die angeblich „entzogene“ Haftungsmasse mit den von der Beklagten ausgereichten Kreditmitteln erst geschaffen werden sollte.
In dem jetzt vom BGH entschiedenen Fall hat allerdings das OLG Dresden als Berufungsgericht festgestellt, dass das Grün-dungskonzept „ersichtlich nicht das Überleben des Unternehmens [gewährleistet]“ habe. Der Gründungsgesellschafter habe keine berechtigte Hoffnung auf eine dauerhafte Marktteilnahme der Schuldnerin gehabt oder haben dürfen. Doch auch das genügt dem BGH nicht für § 133 InsO. Vorsatz scheidet – auch in Gestalt des bedingten Vorsatzes – aus, wenn der Gründer tatsächlich davon ausging, er habe gute Chancen, sein Unternehmen am Markt zu etablieren. War diese Hoff-nung unberechtigt, begründet das nur den Vorwurf der Fahrlässigkeit. Die tatsächliche Hoffnung, sein Unternehmen werde Erfolg haben, hat das Berufungsgericht dem Gründer nicht abgesprochen. Dies wäre auch völlig lebensfremd. Ein Existenzgründer investiert nicht 350.000 DM Eigenmittel und verbürgt sich zusätzlich für die aufgenommenen Kredite, wenn er von vornherein ernsthaft mit seinem geschäftlichen Scheitern rechnet.
Gewiss konnte der Gründer umgekehrt auch nicht sicher sein, dass sein Konzept tragen würde. Das ist im Gründungsstadium fast nie der Fall. Diese Unsicherheit begründet aber noch kein „Wissen und Wollen“ im Sinne eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes. Das sich daraus ergebende Begründungsdefizit kann – entgegen der Meinung des Berufungsgerichts – nicht durch Übertragung der für Sanierungskredite geltenden Grundsätze auf die Unternehmensgründung überspielt werden. Diese Grundsätze sind von der Rechtsprechung für den umgekehrten Fall entwickelt worden, dass in der Krise eine inkongruente Deckung gewährt wird, was im Allgemeinen ein starkes Beweisanzeichen für das Vorliegen eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes darstellt5. Dieses Beweisanzeichen wird entkräftet, wenn Umstände feststehen, welche den Benachteiligungsvorsatz in Frage stellen6. Der Schluss von der Inkongruenz auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners kann insbesondere dann ungerechtfertigt sein, wenn die Gewährung der inkongruenten Deckung Be-standteil eines ernsthaften, letztlich allerdings fehlgeschlagenen Sanierungsversuchs ist7. Im Existenzgründungsfall kann jedoch, so der BGH, weder von einer Krise noch von der Gewährung einer inkongruenten Deckung ausgegangen werden. Wird zugleich mit der Gewährung eines Kredits die Stellung bestimmter Sicherheiten vereinbart, so ist deren Bestellung im Allgemeinen kongruent.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 5. März 2009 – IX ZR 85/07
- BGHZ 155, 75, 84; 162, 143, 153; BGH, Urt. v. 18. Dezember 2008 – IX ZR 79/07, Rn. 13; MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl. § 133 Rn. 13; Bork in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 133 Rn. 24; HK-InsO/Kreft, 5. Aufl. § 133 Rn. 10; Graf-Schlicker/Huber, InsO § 133 Rn. 12[↩]
- BGH, Urt. v. 24. Mai 2007 – IX ZR 97/06, ZIP 2007, 1511 Rn. 8[↩]
- BGHZ 155, 75, 83 f; 167, 190, 195 Rn. 14; BGH, Urt. v. 24. Mai 2007, aaO S. 1513 Rn. 19; Urt. v. 29. November 2007 – IX ZR 121/06, ZIP 2008, 190, 193 Rn. 32; Urt. v. 18. Dezember 2008 aaO[↩]
- BGH, Urt. v. 24. Mai 2007 aaO S. 1511 f Rn. 8[↩]
- BGHZ 123, 320, 326; BGH, Urt. v. 30. Januar 1997 – IX ZR 89/96, WM 1997, 545, 547; v. 19. November 1998 – IX ZR 116/97, NJW 1999, 641, 643; v. 17. Dezember 1998 – IX ZR 196/97, NJW 1999, 1395, 1397; v. 13. Mai 2004 – IX ZR 128/01, ZIP 2004, 1370, 1372[↩]
- BGH, Urt. v. 18. November 2004 – IX ZR 299/00, ZIP 2005, 769, 771[↩]
- BGH, Urt. v. 1. April 2004 – IX ZR 205/00, ZIP 2004, 957, 959; v. 21. Juni 2007 – IX ZR 231/04, ZIP 2007, 1469 Rn. 18[↩]