Fehlerhafte Verteilung einzelner Kostenpositionen in der Jahresabrechnung der WEG

Liegen keine besonderen Umstände vor, führt die fehlerhafte Verteilung einzelner Kostenpositionen in der Regel nicht dazu, dass Einzeljahresabrechnungen oder Einzelwirtschaftspläne insgesamt für ungültig zu erklären sind.

Fehlerhafte Verteilung einzelner Kostenpositionen in der Jahresabrechnung der WEG

Bei der Beantwortung der Frage, ob die fehlerhaft umgelegten Verwalterkosten insgesamt zur Unwirksamkeit sämtlicher Einzelabrechnungen und Einzelwirtschaftspläne führen, kann das Gericht kein Ermessen für sich in Anspruch nehmen1. Ein gerichtliches Gestaltungsermessen bedürfte wegen des damit einhergehenden Eingriffs in die Kompetenz der Wohnungseigentümer zur privatautonomen Regelung ihrer Angelegenheiten einer Ermächtigungsgrundlage. Das wird von der gegenteiligen Auffassung2 nicht hinreichend beachtet.

Die Frage der Gesamtunwirksamkeit beurteilt sich nach § 139 BGB. Diese Vorschrift ist bei Wohnungseigentumsbeschlüssen jedenfalls dann entsprechend anwendbar, wenn diese – wie hier – nicht lediglich interne Wirkung entfalten, sondern auf die Begründung, Änderung oder Aufhebung rechtlicher Befugnisse oder Pflichten gerichtet sind3 und es sich bei den beanstandeten Teilregelungen – ebenfalls wie hier – um rechnerisch selbständige und abgrenzbare Teile4 handelt.

Das gilt zunächst für die Jahresabrechnung.

Sinn und Zweck von § 139 BGB ist es, ein teilweise nichtiges Rechtsgeschäft nach Möglichkeit im Übrigen aufrechtzuerhalten, wenn dies dem tatsächlichen oder hypothetischen Parteiwillen entspricht5. Bei der Beurteilung, welche Entscheidung die Parteien bei Kenntnis der Teilnichtigkeit nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte getroffen hätten6, ist in der Regel davon auszugehen, dass die Parteien das objektiv Vernünftige gewollt hätten6. Gemessen daran, können die Erwägungen des Berufungsgerichts schon deshalb keinen Bestand haben, weil es regelmäßig dem Willen der Beteiligten entsprechen wird, den im Vordergrund stehenden überwiegenden (nicht zu beanstandenden) Teil des Geschäfts aufrechtzuerhalten, wenn nur ein geringfügiger Teil unwirksam (oder für ungültig zu erklären) ist7.

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Wohnungseigentumsrechtliche Überlegungen untermauern diese Sichtweise.

Bei Wohnungseigentumsbeschlüssen liegt eine Unwirksamkeit bzw. Ungültigkeit des gesamten Beschlusses vor, wenn der unbeanstandet gebliebene Teil allein sinnvollerweise keinen Bestand haben kann und nicht anzunehmen ist, dass ihn die Wohnungseigentümer so beschlossen hätten8. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass die Ungültigkeitserklärung auf rechnerisch selbständige und abgrenzbare Teile der Jahresabrechnung beschränkt werden kann, dies insbesondere bei Zugrundelegung eines fehlerhaften Verteilungsschlüssels gilt und sich eine unzutreffende Kostenverteilung in der Regel nicht auf die Gesamtabrechnung auswirkt, sondern nur auf die Einzelabrechnungen – und dies auch nur in dem Umfang der betroffenen Positionen9.

Der allein auf das Fehlen der Abrechnungsspitze gestützte Schluss, die Wohnungseigentümer hätten die fehlerfreien Teile der Einzelabrechnungen nicht genehmigt10, wird dem nicht gerecht.

Diese Auffassung vernachlässigt die typische Interessenlage der Wohnungseigentümer gerade bei Beschlüssen über die Jahresabrechnung. Den Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft ist in der Regel daran gelegen, die der Beschlussfassung unterliegenden Angelegenheiten möglichst abschließend auf der Jahresversammlung zu bewältigen und weitere Zusammenkünfte auf das unabdingbare Mindestmaß zu beschränken. Zudem entspricht es einer effizienten und ordnungsgemäßen Verwaltung, Beschlussfassungen über entscheidungsreife Positionen alsbald herbeizuführen und das Beschlossene sodann zügig umzusetzen. Das gilt umso mehr, als bei einem solchen Vorgehen die rechtmäßigen Positionen spätestens nach Durchführung einer Beschlussmängelklage in Bestandskraft erwachsen, womit sie dem (weiteren) Streit entzogen werden und dies auch dann, wenn als Folge der teilweisen Unwirksamkeit oder Ungültigkeit auch der Abrechnungsspitze die Grundlage entzogen wird. Demgegenüber wäre bei Annahme gesamter Nichtigkeit oder Unwirksamkeit – dem Rechtsfrieden unter den Wohnungseigentümer alles andere als zuträglich – abermals die Möglichkeit der Anfechtung sogar mit ganz neuen Begründungen eröffnet. Lässt man es demgegenüber bei der Teilunwirksamkeit bewenden, brauchen sich die Wohnungseigentümer nachfolgend nur noch mit der nachgebesserten Position sowie der daraus resultierenden Abrechnungsspitze (oder einem sich daraus ergebenden Guthaben) zu befassen11.

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Dem mutmaßlichen Willen der Wohnungseigentümer wird die Verneinung der Teilnichtigkeit allerdings dann nicht entsprechen, wenn Mängel vorliegen, die zu einer nicht mehr oder nur noch schwer nachvollziehbaren Restabrechnung führen12, wie es auch bei einer Vielzahl von Einzelfehlern der Fall sein kann13. Danach begründet allein die Ungültigkeit der Position über die Verwalterkosten nicht die gesamte Ungültigkeit aller Einzelabrechnungen. Dazu, ob dies im Zusammenspiel mit weiteren Mängeln anzunehmen wäre, hat das Berufungsgericht – auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung konsequent – keine Feststellungen getroffen.

Mit Blick auf die Einzelwirtschaftspläne gilt nichts anderes. Nicht jeder Fehler in Wirtschaftsplänen führt zur Ungültigkeitserklärung des Genehmigungsbeschlusses insgesamt14. Auch insoweit gilt bei Zugrundelegung eines fehlerhaften Verteilungsschlüssels, dass sich die unzutreffende Kostenverteilung in der Regel nur auf die davon betroffenen Positionen auswirkt15. Dabei ist bei der Ermittlung des mutmaßlichen Parteiwillens die Bedeutung der Einzelwirtschaftspläne in Rechnung zu stellen, wonach mit deren Genehmigung und den zugleich genehmigten in ihnen enthaltenen Zahlungsverpflichtungen die in § 28 Abs. 2 WEG normierte Verpflichtung des einzelnen Wohnungseigentümers zur Zahlung von Vorschüssen entsteht16. Das Interesse der Mehrheit der Wohnungseigentümer wird grundsätzlich nicht dahin gehen, wegen der Fehlerhaftigkeit einer oder mehrerer Positionen der Wohnungseigentümergemeinschaft die wesentliche wirtschaftliche Grundlage für das betreffende Wirtschaftsjahr ganz zu entziehen. Vielmehr wird es zur Begründung und Sicherung von Vorschusszahlungen darauf gerichtet sein, diese wenigstens in dem Umfang der beanstandungsfreien Positionen entstehen zu lassen und möglichst die fehlerfreien Positionen dem Streit zu entziehen.

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Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 11. Mai 2012 – V ZR 193/11

  1. zur streitigen Frage des Ermessens vgl. etwa OLG München, OLGR 2008, 366 mwN[]
  2. so etwa Abramenko, ZMR 2003, 769, 770 mwN[]
  3. BGH, Beschluss vom 10.09.1998 – V ZB 11/98, BGHZ 139, 289, 298[]
  4. dazu BGH, Urteil vom 04.12.2009 – V ZR 44/09, NJW 2010, 2127 Rn. 6; Beschluss vom 15.03.2007 – V ZB 1/06, BGHZ 171, 335, 339 Rn. 12[]
  5. BGH, Urteil vom 17.10.2008 – V ZR 14/08, NJW 2009, 1135, 1136 Rn. 12[]
  6. BGH, Urteil vom 14.06.2006 – VIII ZR 257/04, NJW 2006, 2696, 2697 Rn. 21[][]
  7. vgl. Erman/Arnold, BGB, 13. Aufl., § 139 Rn. 22a[]
  8. vgl. BGH, Beschluss vom 10.09.1998 – V ZB 11/98, BGHZ 139, 288, 298[]
  9. BGH, Beschluss vom 15.03.2007 – V ZB 1/06, BGHZ 171, 335, 339 Rn. 12 f.; vgl. auch Urteil vom 04.12.2009 – V ZR 44/09, NJW 2010, 2127 Rn. 6; Urteil vom 04.03.2011 – V ZR 156/10, WM 2011, 1291, 1293[]
  10. so aber Staudinger/Bub [2005], § 28 WEG Rn. 551[]
  11. zum Ergänzungsanspruch der Wohnungseigentümer: BGH, Beschluss vom 15.03.2007 – V ZB 1/06, BGHZ 171, 335, 339 Rn. 12[]
  12. BayObLG, ZMR 2004, 50, 51; BayObLG, ZMR 2003, 761, 762; Merle in Bärmann, WEG, 11. Aufl. § 28 Rn. 120; Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl., § 28 Rn. 85[]
  13. vgl. auch OLG Frankfurt, ZWE 2006, 194, 198; Merle, aaO, § 28 Rn. 120[]
  14. BGH, Beschluss vom 02.06.2005 – V ZR 32/05, BGHZ 163, 154, 175[]
  15. Spielbauer/Then, aaO, § 28 Rn. 18; vgl. auch BGH, Urteil vom 01.04.2011 – V ZR 162/10, WM 2011, 1295, 1297 Rn.20[]
  16. BGH, Urteil vom 20.05.2011 – V ZR 175/10, ZWE 2011, 331, 332[]
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