Begehrt eine Partei gemäß § 256 ZPO die Feststellung, es handele sich bei einer Forderung um eine Verbindlichkeit aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, ist Streitgegenstand die Frage, ob ein entsprechendes Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner besteht. Das Gericht muss dann klären, ob dem Gläubiger ein materiell-rechtlicher Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung zusteht. Es kann sich nicht darauf beschränken zu prüfen, ob der Schuldner im Hinblick auf die geltend gemachte Forderung vorsätzlich gehandelt hat.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall nehmen der Ehemann der im Jahr 1979 geborenen und am 26.02.2018 verstorbenen M sowie deren im Jahr 2004 geborenes gemeinsames Kind den beklagten früheren Arzt auf Ersatz von Unterhaltsschaden (§ 844 Abs. 2 BGB) sowie auf Feststellung, dass diese Verbindlichkeiten solche aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung sind, in Anspruch. Der frühere Arzt wurde mit rechtskräftigem Strafurteil der vorsätzlichen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit leichtfertigem Verursachen des Todes einer Person durch die Verabreichung von Betäubungsmitteln schuldig gesprochen, weil er der M. während des gemeinsam vollzogenen Geschlechtsverkehrs in seiner Wohnung am 20.02.2018 ohne deren Wissen auf nicht geklärtem Weg Kokain und andere Substanzen verabreichte, sodass die M. einige Tage später an den Folgen eines Herzkreislaufstillstandes im Krankenhaus verstarb. Wegen dieser Tat und weiterer Taten zum Nachteil anderer Sexualpartnerinnen wurde der Arzt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. In einem früheren Verfahren haben die Hinterbliebenen den Arzt bereits erfolgreich auf Zahlung von Hinterbliebenengeld, Ersatz der Beerdigungskosten und hierauf bezogene Feststellung des Rechtsgrundes der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung in Anspruch genommen.
Im vorliegenden Verfahren hat das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Halle die beantragte Feststellung, dass der Arzt zur Entrichtung einer Geldrente verpflichtet ist, ausgesprochen und die Klage im Übrigen, d.h. hinsichtlich der begehrten Feststellung des Rechtsgrundes der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, abgewiesen1. Auf die Berufung der Hinterbliebenen hat das Oberlandesgericht Naumburg die begehrte Feststellung des Rechtsgrundes der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung ausgesprochen2. Auf die (Anschluss-)Revision des Arztes hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht Naumburg zurückverwiesen; das Oberlandesgericht Naumburg hätte den Anträgen der Hinterbliebenen, dass es sich bei den Verbindlichkeiten des Arztes um solche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung handelt, unter den konkreten Umständen seiner Entscheidung nicht stattgegeben dürfen:
Allerdings fehlte es den Hinterbliebenenn allerdings nicht bereits am erforderlichen Feststellungsinteresse.
Die Klage auf Feststellung, dass eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung vorliegt, betrifft ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO3. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Hinterbliebenen ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis alsbald festgestellt werde. Ein solches Interesse ist gegeben, wenn dem konkreten vom Feststellungsantrag betroffenen Recht des Hinterbliebenens eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und der erstrebte Feststellungsausspruch geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen4.
Das Interesse an der Feststellung, eine bestimmte Forderung stamme aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, folgt allgemein aus dem Umstand, dass der Forderungsgrund nicht ohne Weiteres Teil des Titels über den Bestand der Forderung wird5, sich im Falle einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung aber aus eben diesem Forderungsgrund Privilegien des Forderungsinhabers ergeben können6. Dies ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt etwa für die erweiterten Vollstreckungsmöglichkeiten des § 850f Abs. 2 ZPO oder § 302 Nr. 1 InsO7 sowie für das Aufrechnungsverbot nach § 393 BGB8.
Maßgeblicher Zeitpunkt, in dem das Feststellungsinteresse vorliegen muss, ist die letzte mündliche Tatsachenverhandlung9.
Nach diesen Grundsätzen folgt das Feststellungsinteresse der Hinterbliebenen hier, wie von ihnen auch ausdrücklich geltend gemacht, ohne Weiteres bereits aus § 850f Abs. 2 ZPO. Zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der Berufungsverhandlung stand zudem die Entscheidung über den Bestand der mit dem Feststellungsbegehren in Bezug genommenen „Verbindlichkeiten“ des Arztes, nämlich dessen Verpflichtung zum Ersatz des Unterhaltsschadens nach § 844 Abs. 2 BGB, noch zur Entscheidung an.
Die Forderungen der Hinterbliebenen beruhen auf der zum Nachteil der M. begangenen vorsätzlichen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) und damit auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Arztes.
Die erfolgsqualifizierten Delikte (vgl. etwa § 221 Abs. 3, § 226 Abs. 1, §§ 227, 251 StGB) sind Straftaten mit einem typischen Gefährlichkeitsgehalt, die, wenn sich die im Grundtatbestand angelegte Gefahr verwirklicht, mit wesentlich höherer Strafe bedroht sind als die einfache Tat. Die erfolgsqualifizierten Delikte werden strafrechtlich als Vorsatztat behandelt (§ 11 Abs. 2 StGB), weil ihr Grundtatbestand für sich allein eine selbständig strafbare Vorsatztat darstellt10.
Die genannten Delikte sind geeignet, die Feststellung des Rechtsgrundes der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung zu begründen. Auch wenn der Tod des Opfers nicht vom Vorsatz des Täters umfasst war, hat sich die schwere Folge doch aus der gegen das Opfer vorsätzlich ausgeübten Gewalt ergeben und ist der Geschädigte Opfer einer Vorsatztat geworden11. Im Unterschied etwa zur Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination bei einer vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 StGB in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung12 wohnt bei der Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) dem Vorsatz der Körperverletzung von vornherein eine Schädigungstendenz zulasten des später zu Tode Gekommenen inne.
Das Feststellungsbegehren der Hinterbliebenen lässt sich danach grundsätzlich ohne Weiteres auf die vom Arzt zum Nachteil der M. begangene vorsätzliche Körperverletzung mit Todesfolge stützen, § 844 i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 227 StGB. Der Arzt hat sich in Ersatzansprüche der Hinterbliebenen begründender Weise vorsätzlich gegen die Gesundheit der M. vergangen.
Im Ergebnis zu Recht wird aber geltend gemacht, dass das Oberlandesgericht Naumburg nicht hätte feststellen dürfen, es handele sich bei den „Verbindlichkeiten des Arztes“ um solche aus unerlaubter Handlung, wenn es zugleich die Anträge der Hinterbliebenen hinsichtlich dieser Verbindlichkeiten selbst als unzulässig abweist.
egehrt eine Partei gemäß § 256 ZPO die Feststellung, es handele sich bei einer Forderung um eine Verbindlichkeit aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, ist Streitgegenstand die Frage, ob ein entsprechendes Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner besteht. Das Gericht muss dann klären, ob dem Gläubiger ein materiell-rechtlicher Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung zusteht. Es kann sich nicht darauf beschränken zu prüfen, ob der Schuldner im Hinblick auf die geltend gemachte Forderung vorsätzlich gehandelt hat13.
Auf dieser Grundlage erweist sich die vom Oberlandesgericht Naumburg ausgesprochene isolierte Feststellung des Rechtsgrundes der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung als rechtsfehlerhaft, weil das Oberlandesgericht Naumburg zugleich die Anträge der Hinterbliebenen auf Ersatz des Unterhaltsschadens abgewiesen hat.
Das Begehren der Hinterbliebenen auf Feststellung, dass es sich bei den Verbindlichkeiten des Arztes um solche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung handelt, bezieht sich unter den Umständen des Streitfalles auch nicht auf andere, sondern allein auf die im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Ansprüche auf Ersatz des Unterhaltsschadens gemäß § 844 Abs. 2 BGB. Die weiteren Ersatzansprüche der Hinterbliebenen waren bereits Gegenstand eines früheren Verfahrens, in welchem die Hinterbliebenen – bezogen auf die dort geltend gemachten Ansprüche – ebenfalls die Feststellung des Rechtsgrundes der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung erwirkt haben.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. Juni 2025 – VI ZR 204/23
- LG Halle, Urteil vom 17.01.2022 – 4 O 60/19[↩]
- OLG Naumburg, Urteil vom 25.05.2023 – 3 U 23/22[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 30.11.1989 – III ZR 215/88, BGHZ 109, 275, 276 7; Beschluss vom 03.03.2016 – IX ZB 33/14, BGHZ 209, 168 Rn. 23[↩]
- st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 05.10.2021 – VI ZR 136/20, NJW-RR 2022, 23 Rn. 15 mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 05.04.2005 – VII ZB 17/05, NJW 2005, 1663 7; vom 06.09.2012 – VII ZB 84/10, NJW 2013, 239 Rn. 10[↩]
- BGH, Urteil vom 21.12.2021 – VI ZR 457/20, NJW-RR 2022, 566 Rn. 9[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 03.03.2016 – IX ZB 33/14, BGHZ 209, 168 Rn. 23; Urteil vom 02.12.2010 – IX ZR 41/10, ZIP 2011, 39 Rn. 7; Beschluss vom 26.09.2002 – IX ZB 180/02, BGHZ 152, 166, 168 ff. 6 ff.[↩]
- BGH, Urteil vom 21.12.2021 – VI ZR 457/20, NJW-RR 2022, 566 Rn. 10 mwN[↩]
- BGH, Urteil vom 25.03.2025 – VI ZR 277/24 8; vgl. BGH, Urteil vom 02.09.2021 – VII ZR 124/20, NZBau 2022, 20 Rn. 23 mwN[↩]
- BGH, Urteil vom 21.06.2007 – IX ZR 29/06, NJW 2007, 2854 Rn.19; vgl. Radtke in MünchKomm, StGB, 5. Aufl., § 11 Rn. 161[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 21.06.2007 – IX ZR 29/06, NJW 2007, 2854 Rn.19[↩]
- vgl. zu einem solchen Fall BGH, Urteil vom 21.06.2007 – IX ZR 29/06, NJW 2007, 2854 Rn. 22[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 03.03.2016 – IX ZB 33/14, BGHZ 209, 168 Rn. 23 mwN[↩]
Bildnachweis:
- Bundesgerichtshof (Eingangsbereich): Andreas Praefcke | CC BY 3.0 Unported