Der Flugbeförderungsvertrag ist regelmäßig nicht auf ein absolutes Fixgeschäft gerichtet. Die Verspätung eines Flugs begründet regelmäßig keinen Sachmangel der Beförderungsleistung.

Dies entschied jetzt der Bundesgerichtshof im Rahmen eines Rechtsstreits um eine Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. c i.V. mit Art. 4 Abs. 3 der „Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Parlaments und des Rates über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/1991 vom 11. Februar 2004“1 (im Folgenden: Verordnung).
Diese war vorliegend jedoch nicht einschlägig, so dass sich in der Folge für den BGH die Frage nach einem Mangel der Flugleistung stellte.
Ausgleichszahlung nach der EU-Fluggastverordnung
Auf den Flug von Washington nach Phoenix ist die Verordnung nicht anwendbar. Nach Art. 3 Abs. 1 gilt die Verordnung für Fluggäste, die entweder einen Flug auf einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats antreten, oder – sofern ausführendes Luftfahrtunternehmen ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ist – für Fluggäste, die von einem Flughafen in einem Drittstaat einen Flug zu einem Flughafen in einem Mitgliedstaat antreten. Da es sich bei dem Flug von Washington nach Phoenix um einen inneramerikanischen Flug mit einem amerikanischen Luftfahrtunternehmen gehandelt hat, liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Daran ändert es auch nichts, dass der Kläger und seine Familie eine Flugreise von Frankfurt nach Phoenix gebucht haben. Denn der Flug i.S. der Verordnung ist nicht mit der Flugreise gleichzusetzen, die die Fluggäste unternehmen2. Flug ist vielmehr, wie auch Art. 2 Buchst. h der Verordnung zeigt, auch bei einem einheitlichen Beförderungsvertrag die einzelne „Einheit“ an der Luftbeförderung, die von einem Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird, das die entsprechende Flugroute festlegt3. Dass der Fluggast eine einheitliche Buchung vornimmt, wirkt sich hierauf nicht aus4.
Der Anspruch aus Art. 4 Abs. 3 der Verordnung richtet sich zudem gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen. Dies ist nach Art. 2 Buchst. b der Verordnung das Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrags mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt. Luftfahrtunternehmen in diesem Sinne war für den Flug von Washington nach Phoenix nicht die Beklagte, sondern United Airlines. Denn nach der Legaldefinition des Art. 2 Buchst. b der Verordnung ist allein entscheidend, welches Luftfahrtunternehmen den Flug tatsächlich durchführt, nicht hingegen, mit welchem Luftfahrtunternehmen der Vertrag über die Flugreise geschlossen worden ist.
Schließlich hat der BGH entschieden, dass einem Fluggast, der einen Flug wegen eines verspäteten Zubringerflugs nicht erreicht, kein Anspruch auf eine Ausgleichsleistung nach Art. 4 Abs. 3, Art. 7 der Verordnung zusteht, und zwar auch dann nicht, wenn beide Flüge gemeinsam gebucht sind und von demselben Luftfahrtunternehmen durchgeführt werden5.
Sachmangel
Desweiteren haben die vorher mit dem Rechtsstreit befassten Gerichte, das Amtsgericht Köln und das Landgericht Köln, nach Ansicht des BGH zu Recht einen Anspruch auf Minderung des Flugpreises verneint.
Bei dem Flugbeförderungsvertrag handelt es sich entgegen der Auffassung der Revision6 in der Regel nicht um ein absolutes Fixgeschäft, bei dem sich die Ansprüche des Fluggastes nach §§ 275, 283, 326 BGB richten. Beim absoluten Fixgeschäft begründet die Nichteinhaltung der Leistungszeit Unmöglichkeit der Leistung7. Die Qualifikation eines Rechtsgeschäfts als absolutes Fixgeschäft erfordert daher, dass der Leistungszeitpunkt nach Sinn und Zweck des Vertrags und nach der Interessenlage der Parteien so wesentlich ist, dass eine verspätete Leistung keine Erfüllung mehr darstellt. Diese Voraussetzung trifft auf die verspätet durchgeführte Beförderungsleistung jedoch nicht zu. Das Interesse des Fluggastes, sein Ziel möglichst schnell zu erreichen, entfällt bei einer Verspätung des Fluges regelmäßig nicht. Der Vertragszweck kann vielmehr auch durch eine verspätete Beförderung noch erreicht werden. Der Wegfall der primären Leistungspflicht des Luftfahrtunternehmens nach § 275 Abs. 1 BGB, der bedeutete, dass der Fluggast seinen Anspruch auf Beförderung jedenfalls bei einer mehr als nur geringfügigen Verspätung verlöre, entspricht mithin regelmäßig nicht der Interessenlage des Gläubigers8. Dies gilt auch, wenn die verspätete Beförderung dazu führt, dass der Anschlussflug nicht mehr erreicht wird. Auch in diesem Fall besteht die Interessenlage des Gläubigers regelmäßig darin, gleichwohl so schnell wie möglich an das Reiseziel befördert zu werden. Dieser Beurteilung steht es nicht entgegen, dass der Bundesgerichtshof einen Luftbeförderungsvertrag in einem besonders gelagerten Einzelfall als Fixgeschäft qualifiziert hat9.
Auch im Streitfall ist nichts dafür ersichtlich, dass der zwischen den Parteien geschlossene Beförderungsvertrag ausnahmsweise als absolutes Fixgeschäft gewollt gewesen wäre, bei dem bei einer Verspätung des Erstfluges die Beförderungsverpflichtung der Beklagten wegfallen sollte.
Die Flugverspätung stellt auch keinen Mangel der Beförderungsleistung dar.
Allerdings wird in der amts- und landgerichtlichen Rechtsprechung10 und in der Literatur11 die Flugverspätung häufig als Mangel der Beförderungsleistung qualifiziert. Sofern hierfür überhaupt eine Begründung gegeben wird, wird sie darin gesehen, dass die Einhaltung der Pünktlichkeit eines Flugs zu den wesentlichen Leistungspflichten des Luftfahrtunternehmens gehöre und den Luftbeförderungsvertrag geradezu präge (Führich, aaO).
Damit kann jedoch die Annahme eines Werkmangels nicht begründet werden. Bei jeder Werkleistung, die nicht zu dem geschuldeten Zeitpunkt erbracht wird, verletzt der Werkunternehmer seine vertragliche Leistungspflicht. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Verzug des Werkunternehmers nicht ohne weiteres einen Mangel des schließlich erstellten Werks begründet, sondern vom Gesetz eigenständig geregelt ist. Für eine verspätete Leistungserbringung hat der Schuldner nach den Regeln der §§ 286, 280 BGB einzustehen. Diese eigenständige Regelung schließt zwar nicht aus, dass für die Eignung des Werks zum üblichen oder vereinbarten Gebrauch auch der Leistungszeitpunkt eine Rolle spielen kann12. Ein Mangel setzt jedoch voraus, dass das Werk selbst infolge der Zeitverzögerung nicht die geschuldete Beschaffenheit aufweist.
Bei einer Flugreise oder einer sonstigen Beförderungsleistung ist dies regelmäßig nicht der Fall13. Die Beförderungsleistung wird nicht dadurch schlechter, dass sie erst zu einem späteren Zeitpunkt erbracht wird. Ob dem Fluggast durch eine Verspätung ein Nachteil entsteht und welcher Art dieser ist, hängt vielmehr ganz von seinen persönlichen Verhältnissen ab. Ihm kann ein Geschäft entgehen; für ihn kann die Verspätung eine bloße Unbequemlichkeit darstellen; sie kann ihm sogar willkommen sein, etwa weil er selbst verspätet am Flughafen erscheint. Dies macht deutlich, dass es einen objektiven Minderwert einer verspäteten Beförderungsleistung nicht geben kann. Er lässt sich auch nicht aus den Dispositionen des Fluggastes ableiten, weil diese weder Bestandteil des Beförderungsvertrags noch auch nur dessen Geschäftsgrundlage sind. Anderes gilt auch nicht deshalb, weil der verspätete Zubringerflug das Erreichen des Anschlussflugs verhindert hat. Auch damit wird nicht die Beförderungsleistung schlechter, vielmehr kann sich im Einzelfall durch die Verzögerung ein Schaden einstellen, den das Gesetz durch die Regeln über den Verzug erfasst.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. Mai 2009 – Xa ZR 113/08
- ABl. EG L 46 v. 17.2.2004, S. 1[↩]
- EuGH, Urt. v. 10.7.2008 – C-173/07, RRa 2008, 237 Tz. 32 – Emirates Airlines/Schenkel[↩]
- EuGH, aaO Tz. 40[↩]
- EuGH, aaO Tz. 51[↩]
- BGH, Urteil vom 30.04.2009 – Xa ZR 78/08, zur Veröffentlichung bestimmt[↩]
- ebenso OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 930; OLG Frankfurt am Main NJW-RR 1997, 1136; AG Bad Homburg v.d.H. RRa 2001, 13; AG Düsseldorf RRa 1997, 183; AG Simmern RRa 2005, 279; Tonner in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 13a Rdn. 61[↩]
- BGHZ 60, 14, 16[↩]
- so auch A. Staudinger, RRa 2005, 249, 251; Führich, Sonderbeilage MDR 7/2007, S. 8[↩]
- BGH, Urteil vom 28.9.1978 – VII ZR 116/77, NJW 1979, 495[↩]
- LG Frankfurt am Main NJW-RR 1993, 1270, 1271; AG Frankfurt am Main NJW-RR 1996, 238; AG Bad Homburg v.d.H. RRa 2002, 88; AG Rüsselsheim RRa 2006, 136[↩]
- Führich, Reiserecht, 5. Aufl. Rdn. 1059; Sonderbeilage MDR 7/2007, S. 11; R. Schmid, RRa 2005, 151, 156; Wagner, RRa 2004, 102, 105[↩]
- in diesem Sinne Staudinger/Peters, BGB, Bearb. 2003, § 633 Rdn. 175[↩]
- ebenso A. Staudinger, RRa 2005, 249, 255[↩]
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