Formularmäßige Sicherungsabtretung von Ansprüchen des Autokäufers an die Finanzierungsbank

Die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Finanzierungsbank enthaltene Klausel über die Sicherungsabtretung von Ansprüchen des Käufers und Darlehensnehmers gegen den Hersteller eines Dieselfahrzeugs Ansprüche auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung erfasst und auch dann unwirksam ist, wenn der Käufer nicht Verbraucher, sondern Unternehmer ist.

Formularmäßige Sicherungsabtretung von Ansprüchen des Autokäufers an die Finanzierungsbank

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall nimmt der Autokäufer die beklagte Fahrzeugherstellerin wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in zwei Kraftfahrzeugen auf Schadensersatz in Anspruch. Am 20. August 2018 und am 11. März 2019 kaufte er unter seiner Firma von der Fahrzeugherstellerin jeweils einen Neuwagen. Die Fahrzeuge sind mit Dieselmotoren der Baureihe OM 651 (Schadstoffklasse: EURO 6) ausgestattet. Den Kaufpreis finanzierte der Autokäufer in beiden Fällen mittels eines Darlehens bei einer Bank. Den Darlehensverträgen lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank für Unternehmer zugrunde. Dort hieß es unter anderem:

II. Sicherheiten

Der Darlehensnehmer räumt der Bank zur Sicherung aller gegenwärtigen und bis zur Rückzahlung des Darlehens noch entstehenden sowie bedingten und befristeten Ansprüche der Bank aus der Geschäftsverbindung einschließlich einer etwaigen Rückabwicklung, gleich aus welchem Rechtsgrund, Sicherheiten gemäß nachstehenden Ziffern 1 und 2 ein. […]

[…]

2. Abtretung von sonstigen Ansprüchen

Der Darlehensnehmer tritt ferner hiermit folgende – gegenwärtige und zukünftige – Ansprüche an die Bank ab, die diese Abtretung annimmt:

  • […]
  • […]
  • gegen den Verkäufer für den Fall einer Rückgängigmachung des finanzierten Vertrages oder Herabsetzung der Vergütung.
  • gegen die […] [Fahrzeugherstellerin], […], gleich aus welchem Rechtsgrund. Ausgenommen von der Abtretung sind Gewährleistungsansprüche aus Kaufvertrag des Darlehensnehmers gegen die […] [Fahrzeugherstellerin] oder einen Vertreter der […] [Fahrzeugherstellerin]. Der Darlehensnehmer hat der Bank auf Anforderung jederzeit die Namen und Anschriften der Drittschuldner mitzuteilen.

[…]

5. Rückgabe der Sicherheiten

Die Bank verpflichtet sich, nach Wegfall des Sicherungszweckes (alle Zahlungen unanfechtbar erfolgt) sämtliche Sicherungsrechte (Abschnitt II. Ziff. 1, 2) zurückzuübertragen […] Bestehen mehrere Sicherheiten, hat die Bank auf Verlangen des Darlehensnehmers schon vorher nach ihrer Wahl einzelne Sicherheiten oder Teile davon freizugeben, falls deren realisierbarer Wert 120% der gesicherten Ansprüche der Bank überschreitet. […]“

Der Autokäufer hat die Fahrzeugherstellerin in erster Instanz in erster Linie unter dem Gesichtspunkt des Rücktritts vom Kaufvertrag und in zweiter Linie unter dem Gesichtspunkt einer deliktischen Schädigung wegen des Inverkehrbringens der Fahrzeuge auf Zahlung an sich, Freistellung von seinen Darlehensverbindlichkeiten, Feststellung des Annahmeverzugs und Erstattung vorgerichtlich verauslagter Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen.

Das erstinstanzlich mit dem Fall befasste Landgericht Stuttgart hat die Klage abgewiesen1. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat die Berufung des Autokäufers, der zu dem ersten Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Stuttgart nicht erschienen ist, durch Versäumnisurteil zurückgewiesen. Dagegen hat der Autokäufer Einspruch eingelegt und den Rechtsstreit nach Veräußerung der Fahrzeuge an einen Dritten mit Ausnahme seiner Anträge auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten für erledigt erklärt. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat das Versäumnisurteil aufrechterhalten2. Mit seiner vom Oberlandesgericht Stuttgart insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Autokäufer seine zuletzt gestellten Anträge weiter, soweit er sie auf seine deliktische Schädigung durch das Inverkehrbringen der Fahrzeuge stützt. Die Fahrzeugherstellerin hat sich im Verlauf des Revisionsverfahrens der Teilerledigungserklärung des Autokäufers angeschlossen.

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart zu den noch rechtshängigen Anträgen auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten wegen zulasten des Autokäufers begangener unerlaubter Handlungen aufgehoben und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht Stuttgart zurückverwiesen.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat zwar rechtsfehlerfrei erkannt, bei den Sicherungsabtretungen von Ansprüchen gegen die Fahrzeugherstellerin „gleich aus welchem Rechtsgrund“ handele es sich um vorformulierte Allgemeine Geschäftsbedingungen, die Bestandteil der Darlehensverträge geworden seien. Weiter im Ergebnis rechtsfehlerfrei hat das Oberlandesgericht Stuttgart die Klauseln als nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kontrollfähig erachtet. Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind Gegenstand der Inhaltskontrolle solche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Die Klauseln, die der Bundesgerichtshof ohne Bindung an die Auslegung des Oberlandesgerichts Stuttgart selbst auslegen kann, sind so zu verstehen, mit Ausnahme von Gewährleistungsansprüchen aus Kaufvertrag erfassten sie sämtliche mit dem Erwerb des Fahrzeugs in Zusammenhang stehende Ansprüche des Autokäufers gegen die Fahrzeugherstellerin. Einbezogen sind auch Ansprüche aus unerlaubter Handlung und Ansprüche nach dem Produkthaftungsgesetz, die dem Autokäufer und Darlehensnehmer bei der Verwendung der gekauften Fahrzeuge entstehen. Die Klauseln erfassen damit in Abweichung von der gesetzlichen Regelung auch Rentenansprüche aus § 843 BGB bzw. aus § 9 ProdHaftG, § 843 Abs. 2 bis 4 BGB im Falle einer aus der Verwendung der Fahrzeuge entstehenden Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung. Solche Ansprüche sind nach § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO bis zu einer anderslautenden Entscheidung durch das Vollstreckungsgericht nicht pfändbar und damit nach § 400 BGB nicht abtretbar.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat aber unzutreffend angenommen, die Abtretungsklauseln seien wirksam, so dass der Autokäufer nicht aktivlegitimiert sei. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat dabei übersehen, dass die Klauseln einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 Nr.  1, §§ 134, 400 BGB, § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO ohne Wertungsmöglichkeit nicht standhalten. Sie weichen zulasten des Autokäufers von zwingenden Vorschriften ab. Unerheblich ist, ob der Autokäufer als Unternehmer oder als Verbraucher gehandelt hat. Die § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 400 BGB sind zwingendes Recht. § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist auch auf Renten anwendbar, die Selbständigen gezahlt werden. Insoweit ist der persönliche Schutzbereich weiter als sonst bei Regeln über die Pfändung von Arbeitseinkommen.

Die wegen ihrer Abweichung von § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 400 BGB ohne Wertungsmöglichkeit unwirksamen formularmäßigen Sicherungsabtretungen sämtlicher Ansprüche gegen die Fahrzeugherstellerin mit Ausnahme solcher aus kaufrechtlicher Gewährleistung können nicht mit der Maßgabe aufrechterhalten werden, dass andere Ansprüche als solche auf Zahlung von Renten, die wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten sind, wirksam abgetreten sind. Ein solches Verständnis liefe auf eine geltungserhaltende Reduktion hinaus, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unzulässig ist. Die Klauseln können auch nicht in einen inhaltlich zulässigen und einen inhaltlich unzulässigen Teil zerlegt werden.

Das Oberlandesgericht Stuttgart wird nach Zurückverweisung nunmehr in der Sache zu klären haben, ob die Fahrzeugherstellerin dem Autokäufer aus unerlaubter Handlung haftet.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 3. Juli 2023 – VIa ZR 155/23

  1. LG Stuttgart, Urtiel vom 18.10.2021 – 18 O 58/21[]
  2. OLG Stuttgart, Urteil vom 01.02.2023 – 23 U 4323/21[]

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