Zu einer ordnungsgemäßen Büroorganisation gehört eine klare Anweisung, dass stets und unter allen Umständen zuerst die Fristen im Kalender eingetragen werden müssen, bevor ein entsprechender Erledigungsvermerk in der Akte eingetragen werden kann.

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt nach § 233 ZPO voraus, dass eine Partei ohne ihr Verschulden gehindert war, die versäumte Frist einzuhalten. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn nicht auszuschließen ist, dass an der Fristversäumnis ursächlich auch ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten der Klägerin bei der Fristenkontrolle mitgewirkt hat; dieses muss sich die Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.
Die Sorgfaltspflicht in Fristsachen verlangt von einem Rechtsanwalt alles ihm Zumutbare zu tun, um die Wahrung von Rechtsmittelfristen zu gewährleisten. Dabei kann die Berechnung und Notierung von Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft übertragen werden. Dann hat der Rechtsanwalt aber durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden. Zu den zur Ermöglichung einer Gegenkontrolle erforderlichen Vorkehrungen im Rahmen der Fristenkontrolle gehört insbesondere, dass die Rechtsmittelfristen in der Handakte notiert werden und die Handakte durch entsprechende Erledigungsvermerke oder auf sonstige Weise erkennen lässt, dass die Fristen in den Fristenkalender eingetragen worden sind1.
Soweit die Rechtsprechung Erledigungsvermerke des Büropersonals zu den jeweils in den Handakten eingetragenen Fristen fordert, soll sichergestellt werden, dass die Fristen tatsächlich eingetragen sind und dem Anwalt eine entsprechende Kontrolle anhand der Handakten möglich ist. Zu einer ordnungsgemäßen Büroorganisation gehört daher eine klare Anweisung, dass stets und unter allen Umständen zuerst die Fristen im Kalender eingetragen werden müssen, bevor ein entsprechender Vermerk in der Akte eingetragen werden kann. Denn sonst besteht die Gefahr, dass der Erledigungsvermerk in der Handakte bereits vor der Eintragung in einen Kalender angebracht wird und die Gegenkontrolle versagt2.
Dass im Büro des Prozessbevollmächtigten der Klägerin solche organisatorischen Anweisungen bestanden, lässt sich im vorliegend vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsverfahren nicht entnehmen. Der geschilderte Geschehensablauf, dass zunächst auf dem Übersichtsblatt zur Berufungsakte die Wiedervorlagefrist zum 27.02.2012 eingetragen und mit einem ErledigungsHäkchen versehen wurde, bevor die Eintragung der Frist tatsächlich erledigt wurde, spricht für das Gegenteil.
Eines vorherigen Hinweises der anwaltlich vertretenen Klägerin auf diesen Gesichtspunkt bedurfte es nicht. Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine wirksame Organisation des Fristenwesens stellt, sind bekannt und müssen einem Anwalt auch ohne richterliche Hinweise geläufig sein. Tragen die zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags gemachten Angaben diesen Anforderungen nicht Rechnung, deutet das nicht auf Unklarheiten oder Lücken des Vortrags hin, die aufzuklären oder zu füllen wären, sondern erlaubt den Schluss darauf, dass entsprechende organisatorische Maßnahmen gefehlt haben3.
Die unzureichende Organisation im Büro des Prozessbevollmächtigten der Klägerin war auch kausal für das Fristversäumnis. Hätte die Büroangestellte U. die Vorfrist zunächst in den Fristenkalender eingetragen, wäre die Akte dem Prozessbevollmächtigten bei unterstellt im Übrigen ordnungsgemäßem Vorgehen rechtzeitig vorgelegt worden und die Berufungsfrist hätte eingehalten werden können.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26. November 2013 – II ZB 13/12
- vgl. BGH, Beschluss vom 05.02.2003 – VIII ZB 115/02, NJW 2003, 1815, 1816; Beschluss vom 22.01.2008 – VI ZB 46/07, NJW 2008, 1670 Rn. 6; Beschluss vom 08.02.2010 – II ZB 10/09, MDR 2010, 533 Rn. 7; Beschluss vom 23.01.2013 – XII ZB 167/11, NJW-RR 2013, 1010 Rn. 10[↩]
- BGH, Beschluss vom 10.03.1992 – VI ZB 4/92, NJW-RR 1992, 826; Beschluss vom 04.03.2004 – IX ZB 71/03, FamRZ 2004, 1552; Beschluss vom 10.03.2011 – VII ZB 37/10, NJW 2011, 1597 Rn. 13; vgl. auch BGH, Beschluss vom 23.01.2013 – XII ZB 167/11, NJW-RR 2013, 1010 Rn. 12; Musielak/Grandel, ZPO, 10. Aufl., § 233 Rn. 18[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 24.01.2012 – II ZB 3/11, NJW-RR 2012, 747 Rn. 12 mwN[↩]