Auch wenn der Rechtsanwalt (nach Eingang des Urteils in der Kanzlei) seine Angestellte im Wege einer Einzelanweisung angehalten hat, die fehlerhaft eingetragene Frist zur Berufungsbegründung zu korrigieren, so befreit ihn dies nicht davon, im Rahmen der Vorbereitung einer Prozesshandlung (wie der Einlegung der Berufung) die Richtigkeit der Notierung der Berufungsbegründungsfrist eigenverantwortlich zu prüfen.

Die Sorgfaltspflicht in Fristsachen verlangt von einem Rechtsanwalt, alles ihm Zumutbare zu tun, um die Wahrung von Rechtsmittelfristen zu gewährleisten. Dabei kann die Berechnung und Notierung von Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft übertragen werden. Dann hat der Rechtsanwalt aber durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden [1].
Darüber hinaus hat ein Rechtsanwalt den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen immer dann eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung, vorgelegt werden. In diesem Fall muss er auch alle weiteren unerledigten Fristen einschließlich ihrer Notierung in den Handakten prüfen, wobei er sich grundsätzlich auf die Prüfung der Vermerke in den Handakten beschränken darf. Diese anwaltliche Prüfungspflicht besteht auch dann, wenn die Handakte zur Bearbeitung nicht zugleich vorgelegt worden ist, so dass in diesen Fällen die Vorlage der Handakte zur Fristenkontrolle zu veranlassen ist [2].
Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Annahme, der Prozessbevollmächtigten der Klägerin sei im Streitfall als individueller Sorgfaltsverstoß vorzuwerfen, dass sie bei Einlegung der Berufung keine (erneute) Fristenprüfung unter Vorlage der Handakte vorgenommen habe, für den Bundesgerichtshof frei von Rechtsfehlern.
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte in dem hier entschiedenen Fall nach ihrem glaubhaft gemachten Vorbringen bereits nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils die maßgeblichen Fristen, auch für die Einreichung der Berufungsbegründung, berechnet und die entsprechende Notierung dieser Fristen ihrer Büroangestellten aufgegeben. Bei der verfügten sofortigen Wiedervorlage stellte die Rechtsanwältin sodann fest, dass die am 11.12 2012 ablaufende Berufungsbegründungsfrist von der Kanzleiangestellten J. fehlerhaft auf den 12.12 2012 notiert worden war. Sie erteilte ihr daraufhin mündlich und schriftlich (auf einem DIN A 4 – Blatt mit den Hinweisen „Eilt“ und „Sofort“) die Anweisung, die Eintragung bezüglich der Berufungsbegründungsfrist sofort überall auf den 11.12 2012 abzuändern. Die Korrektur der fehlerhaft eingetragenen Frist unterblieb jedoch gleichwohl, die schriftliche Anweisung wurde lediglich in der Akte abgeheftet. Etwa drei Wochen später, nach Erhalt des Auftrags, gegen das Urteil des Landgerichts Berufung einzulegen, fertigte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin sodann die Berufungsschrift, ohne sich dabei die Handakte vorlegen zu lassen. Dies hätte sie jedoch veranlassen müssen, um auf diese Weise eigenverantwortlich prüfen zu können, dass (auch) die Berufungsbegründungsfrist richtig notiert worden ist.
Vergeblich macht die Klägerin geltend, nachdem hier die Prozessbevollmächtigte die maßgeblichen Fristen unmittelbar nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils selbst berechnet habe und auch darauf habe vertrauen dürfen, dass ihre schriftlich und mündlich erteilte Korrekturanweisung befolgt werde, habe es keiner erneuten Überprüfung bedurft. Vielmehr schließt die sorgfältige Vorbereitung einer fristgebundenen Prozesshandlung stets auch die selbständige Prüfung aller gesetzlichen Anforderungen an ihre Zulässigkeit mit ein. Der Rechtsanwalt, der im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung mit einer Sache befasst wird, hat dies deshalb zum Anlass zu nehmen, die Fristvermerke in der Handakte zu überprüfen [3]. Diese Aufgabe ist von der Fristenberechnung und Fristenkontrolle zu unterscheiden, die lediglich der rechtzeitigen Vorlage der Akten zum Zweck ihrer Bearbeitung durch den Rechtsanwalt dienen. Nur insoweit kann sich der Rechtsanwalt von der routinemäßigen Fristenüberwachung entlasten. Deshalb ist er im Rahmen seiner Vorbereitung einer Prozesshandlung nicht davon befreit, die Einhaltung der maßgeblichen Fristen nochmals zu überprüfen. Zwar muss die Prozesshandlung nicht in einem Zuge und zeitnah mit dem Ablauf einer für sie geltenden Frist vorbereitet werden. Das ändert aber nichts an der Eigenverantwortung des Rechtsanwalts für die Richtigkeit und die Einhaltung der etwa von ihm schon zu einem früheren Zeitpunkt berechneten Frist [4].
Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin in diesem Zusammenhang auf den Grundsatz, dass ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen dürfe, dass eine ausgebildete und bisher zuverlässig tätige Bürokraft eine konkrete Einzelanweisung befolge und ordnungsgemäß ausführe. Zwar trifft es im Allgemeinen zu, dass sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in einem solchen Falle der Rechtsanwalt nicht anschließend über die Ausführung seiner Weisung vergewissern muss [5]. Diese Rechtsprechung kommt aber vorliegend nicht zum Tragen. Denn selbst wenn sich die Prozessbevollmächtigte der Klägerin unmittelbar nach Erteilung der Weisung, obwohl sie dazu nicht verpflichtet gewesen wäre, über die Befolgung ihrer Anordnung vergewissert hätte, so hätte sie dies gleichwohl – nicht anders, als wenn sie die Fristennotiz selbst vorgenommen hätte – nicht der Pflicht enthoben, im Rahmen der Vorbereitung der Einlegung der Berufung die richtige Notierung der Berufungsbegründungsfrist nochmals zu überprüfen [6].
Hätte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin bei Fertigung der Berufungsschrift – wie geboten – die notwendige Prüfung vorgenommen, wäre die fehlerhafte Fristennotierung aufgefallen und korrigiert worden.
Entsprechendes gilt – ohne dass es hierauf noch entscheidend ankommt – auch im Hinblick darauf, dass sich die Prozessbevollmächtigte der Klägerin ein zweites Mal ihrer Kontrollpflicht entzogen und einer Prüfungsmöglichkeit dadurch begeben hat, dass sie mit Blick auf die aus ihrer Sicht wegen einer Parallelsache ohne weiteres mögliche fristwahrende Bearbeitung der Berufungsbegründung auf eine Vorlage der Sache auch zu der notierten Vorfrist verzichtet und stattdessen lediglich die Anweisung erteilt hat, ihr die Akte erst „zur Ablauffrist“ wieder vorzulegen.
Die Notierung einer Vorfrist hat den Sinn, dass der sachbearbeitende Rechtsanwalt rechtzeitig und eigenverantwortlich prüfen kann, ob die entsprechende Frist zutreffend notiert ist und ob ihm noch ausreichend Zeit für die Bearbeitung, Fertigung und Übermittlung der Rechtsmittelbegründung verbleibt [7]. Zwar muss der Rechtsanwalt die auf eine Vorfrist gelegte Sache nicht stets sogleich bearbeiten, weil er grundsätzlich darin frei ist, ob er die Begründungsfrist vollständig ausschöpfen möchte. Er kann die Handakte deswegen auch zur Wiedervorlage am Tag des Fristablaufs zurückgeben und erst dann vorlegen lassen. Allerdings erfordert der Zweck der Vorfrist dann vorab eine erneute sorgfältige Prüfung der Begründungsfrist, weil nur so sichergestellt werden kann, dass die Berufungsbegründung rechtzeitig erstellt und dem Gericht übermittelt werden kann [8].
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat im hier entschiedenen Fall eine derartige Prüfung nicht vorgenommen, sondern auf eine Vorlage zur Vorfrist verzichtet. Darin lag ein maßgebliches Versäumnis, weil anderenfalls zumindest zu diesem Zeitpunkt aufgefallen wäre, dass die Berufungsbegründungsfrist noch immer unzutreffend notiert war.
Dieser Prüfung war die Rechtsanwältin nicht deshalb enthoben, weil sie, als ihr die Akten zur notierten Vorfrist vorgelegt werden sollten, mündlich die Wiedervorlage „zur Ablauffrist“ angeordnet hatte. Entgegen der Auffassung der Revision vermochte diese mündliche Anweisung kein Vertrauen der Prozessbevollmächtigten darauf begründen, dass ihr die Sache noch am letzten Tag vor Ablauf der Berufungsbegründungfrist, vorgelegt werde, und sie jedenfalls noch rechtzeitig einen Verlängerungsantrag, der keinen besonderen Zeitaufwand erforderlich gemacht hätte, hätte stellen können.
Dies würde selbst dann gelten, wenn die Klägerin die Anordnung „Kann heute nicht; bitte vorlegen zum Ablauf am Elften“ gelautet hätte. Denn da die erteilte Weisung nicht sofort, sondern erst einige Tage später hätte ausgeführt werden sollen, bestand in jedem Falle die Gefahr, dass sie (im Drange der Geschäfte) in Vergessenheit geriet. Deshalb hätten gegen ein solches „Vergessen“ ausreichende organisatorische Vorkehrungen getroffen sein müssen [9]. Dazu fehlt jeder Sachvortrag.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. September 2014 – III ZR 47/14
- st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 23.01.2013 – XII ZB 167/11, NJW-RR 2013, 1010 Rn. 10 mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 08.02.2010 – II ZB 10/09, BeckRS 2010, 05459 Rn. 7; vom 22.09.2011 – III ZB 25/11, BeckRS 2011, 24117 Rn. 8; und vom 20.12 2012 – III ZB 47/12, BeckRS 2013, 02649 Rn. 7, jeweils mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 09.07.2014 – XII ZB 709/13, BeckRS 2014, 15666 Rn. 14[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 13.11.1975 – III ZB 18/75, VersR 1976, 342 f sowie BGH, Beschlüsse vom 17.03.2004 – IV ZB 41/03, NJW-RR 2004, 1150 und 8.01.2013 – VI ZB 52/12, NJOZ 2013, 936 Rn. 9[↩]
- vgl. im Einzelnen dazu BGH, Beschlüsse vom 08.02.2010 aaO Rn. 9 mwN; vom 08.01.2013 aaO Rn. 8; und vom 22.01.2013 – VIII ZB 46/12, NJW-RR 2013, 699 Rn. 12; BGH, Beschluss vom 22.09.2011 aaO Rn. 10[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 17.03.2004 aaO[↩]
- vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 15.08.2007 – XII ZB 82/07, NJW-RR 2008, 76 Rn. 14; und vom 24.01.2012 – II ZB 3/11, NJW-RR 2012, 747 Rn. 9[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 15.08.2007 aaO Rn. 15, 16[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 08.02.2010 aaO mwN vom 22.01.2013 aaO Rn. 15; BGH, Beschluss vom 22.09.2011 aaO[↩]
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