Beantragt ein Rechtsanwalt für seine Partei die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat und nennt dazu ein konkretes Datum für den Fristablauf, das innerhalb der Frist von einem Monat nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist liegt, ist das Verlängerungsgesuch dahin auszulegen, dass eine Fristverlängerung nur bis zum konkret benannten Datum begehrt wird.

Die aufgrund einer fehlerhaften Berechnung der Berufungsbegründungsfrist verursachte Fehlvorstellung des Prozessbevollmächtigten, für eine weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist sei die Zustimmung des Gegners gemäß § 520 Abs. 2 S. 2 und 3 ZPO erforderlich, begründet ein der Partei zuzurechnendes Verschulden, das eine Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist ausschließt.
Im vorliegenden Fall hatte das Oberlandesgericht Stuttgart auf Antrag der Beklagten, die Berufungsbegründungsfrist „um einen Monat bis zum 22.09.2014 zu verlängern“ mit Verfügung der stellvertretenden Senatsvorsitzenden vom 26.08.2014 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung „bis zum 22.09.2014“ verlängert, wobei in der Verfügung als automatisierter Textbaustein der Hinweis abgedruckt war, dass eine weitere Fristverlängerung einer Einwilligungserklärung der Gegenseite (§ 520 Abs. 2 ZPO) bedarf.
Am Morgen des 22.09.2014 hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagte vom Sachverständigen Dipl. Ing. R. berufungswichtige Informationen erfragen wollen, was aber nicht gelungen sei, da der Sachverständige nicht erreichbar war. Eine hierauf bei den klägerischen Prozessbevollmächtigten bereits vormittags erfragte Zustimmung zu einer weiteren Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist wurde von diesen am 22.09.2014 um 13:50 Uhr telefonisch verweigert. Im irrigen Glauben, die Berufungsgebegründungsfrist laufe noch an diesem Tag ab, machte sich der Prozessbevollmächtigte der Beklagten an die Fertigung der Berufungsbegründungsfrist. Diese Arbeiten hat er um 23:50 Uhr abgebrochen, um den Schriftsatz noch fristgerecht per Telefax beim Oberlandesgericht Stuttgart einreichen zu können. Hierbei ist ihm beim Wählen der Telefaxnummer infolge eines Augenblicksversagens aufgrund erheblicher Erschöpfung ein Fehler unterlaufen, als er statt der Telefaxnummer des Oberlandesgerichtes die des Landgerichts Stuttgart gewählt habe. Aus dem vom Telefax-Gerät der Anwaltskanzlei um 0:00 Uhr ausgedruckten Sendebericht sei dann zu ersehen gewesen, dass das Telefax um 23:58 Uhr vollständig an den Telefax-Anschluss des Landgerichts übermittelt worden sei. Für eine neuerliche Versendung an den Telefax-Anschluss des Oberlandesgerichts vor Mitternacht habe keine Zeit mehr bestanden.
Das Oberlandesgericht versagte die beantragte Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist.
Mit dieser Verlängerung der Frist zur Einreichung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22.09.2014 hat die stellvertretende Senatsvorsitzende mit ihrer Verfügung vom 26.08.2014 dem Antrag der Beklagten vom 25.08.2014 voll entsprochen. Zwar ist die Formulierung des Antrages, die Frist „um einen Monat bis zum 22.09.2014 zu verlängern“, nach §§ 133, 157 BGB auslegungsbedürftig, weil mit „einem Monat“ ein Zeitraum angegeben wird, der länger ist, als der durch die Bezeichnung des konkreten Fristendes „22.09.2014“ fixierte Zeitraum. Aufgrund der eindeutigen Angabe des Endtermins ist der Antrag aber dahin auszulegen, dass eine Verlängerung nur bis zu diesem Zeitpunkt (22.09.2014) begehrt worden ist. Mit dem Hinweis „um einen Monat“ hat der Beklagtenvertreter lediglich seine – fehlerhafte – Ermittlung des beantragten Fristendes zum 22.09.2014 offen gelegt, ohne damit eine Fristverlängerung über den 22.09.2014 hinaus zu begehren. Abgesehen davon hatte der Beklagtenvertreter auch kein weitergehendes Erklärungsbewusstsein. Vielmehr war er selbst davon ausgegangen, mit diesem Antrag die Monatsfrist des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO ausgeschöpft zu haben. Denn andernfalls hätte er sich – nach seinen eigenen Ausführungen – nicht um eine Zustimmung zu einer weiteren Fristverlängerung bei der Klägerseite bemüht. Dass dies auf einer fehlerhaften Fristberechnung des Beklagtenvertreters beruht, ändert am Inhalt des gestellten Antrages nichts.
Der in der Verfügung vom 26.08.2014 enthaltene, ohne weiteres als Textbaustein erkennbare Hinweis, dass mit einer weiteren Fristverlängerung nur unter der Voraussetzung einer Einwilligung der Gegenseite gerechnet werden könne, betrifft aufgrund der ausdrücklichen Zitierung von § 520 Abs. 2 ZPO erkennbar den Fall, dass eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist begehrt wird, die über einen Monat hinausgeht (vgl. § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Dieser Monat war bei einer Fristverlängerung bis zum 22.09.2014 – worauf die Beklagte zu Recht hinweist – zwar nicht ausgeschöpft gewesen. Dass über dieses Datum hinaus noch bis zum Montag, den 29.09.2014, (§ 222 Abs. 2 ZPO) ohne Zustimmung des Gegners die Berufungsbegründungsfrist hätte verlängert werden können, ändert nichts an dem ausdrücklichen Erklärungsinhalt der Verfügung. Durch die eindeutige Angabe des Fristendes in der Verfügung ist unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht worden, dass die Frist nur bis zum 22.09.2014 verlängert worden ist. Dies hat so auch der Beklagtenvertreter verstanden. Denn andernfalls hätte dieser am Montag, den 22.09.2014, nicht kurz vor Mitternacht seine Arbeit an der Berufungsbegründungsschrift abgebrochen, um diese noch vor Mitternacht faxen zu können.
Da die Frist zur Berufungsbegründung mit Ablauf des 22.09.2014 geendet hatte, konnte im Rahmen des Telefonats am 23.09.2014 schon aus diesem Grund keine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mehr erfolgen. Wird eine Fristverlängerung erst nach Ablauf der Frist beantragt, kann eine Verlängerung nicht mehr erfolgen1. Mit Ablauf der Berufungsbegründungsfrist ist das erstinstanzliche Urteil rechtskräftig geworden. Dies steht nicht zur Disposition des Gerichts. Auf den Inhalt des Telefonats vom 23.09.2014 kommt es daher schon aus diesem Grund nicht an. Im Übrigen wurde auch nach dem Vortrag der Beklagten eine weitere Fristverlängerung nicht beantragt, sondern über die Folgen einer Fristversäumung gesprochen. Darüber hinaus hat der Senatsvorsitzende in der Verfügung vom 09.10.2014 darauf hingewiesen, dass er die Angestellte des Beklagtenvertreters, Frau H., so verstanden habe, dass es sich nur um eine um einen Tag verspätet eingereichte Berufungserwiderung handele. Dies wird auch durch die von der Beklagtenseite behauptete Aktennotiz von Frau H. gestützt, in der der Senatsvorsitzende darauf hingewiesen haben soll, dass der Schriftsatz im Zweifel berücksichtigt werde, „da ja keine Verzögerung vorliegt.“ Denn die Frage der Verzögerung im Sinne von § 296 ZPO hätte sich bei der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht gestellt, wohl aber bei einer Versäumung der Berufungserwiderungsfrist.
Der Umstand, dass Landgericht und Oberlandesgericht über einen gemeinsamen Telefax-Server verfügen, begründet – entgegen der Ansicht der Beklagten – organisatorisch keinen gemeinsamen Postbriefkasten. Denn Empfangsvorrichtung ist nicht der gemeinsame Server, sondern der durch die jeweilige Telefax-Nummer auszuwählende Telefaxanschluss. Über einen gemeinsamen Telefax-Anschluss verfügen Landgericht und Oberlandesgericht aber gerade nicht. Bei Störungen werden die Telefaxe zwar auf dem gemeinsamen Server zwischengespeichert, werden dann aber entsprechend der vom Absender durch das Wählen der jeweiligen Telefaxnummer erfolgten Zuordnung entweder vom Landgericht oder vom Oberlandesgericht per Computer abgerufen und ausgedruckt. Dementsprechend ist die vom Beklagtenvertreter am Montag 22.09.2014 kurz vor Mitternacht an das Landgericht Stuttgart gefaxte Berufungsbegründung auch beim Landgericht Stuttgart am 23.09.2014 über deren Computer ausgedruckt worden und dann aufgrund der Adressierung im Schriftsatz an das Oberlandesgericht weitergeleitet worden.
Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist kann der Beklagten nicht gewährt werden. Ihr zulässiger Wiedereinsetzungsantrag ist unbegründet, §§ 233, 234, 238, 234, 236 ZPO.
Das Wählen der falschen Telefax-Nummer als auch das rechtzeitige Unterlassen der Beantragung einer weiteren Verlängerung der Frist zur Einlegung der Berufung stellen ein Verschulden des Prozessbevollmächtigen dar, das sich die Beklagte nach § 85 Abs. 2 ZPO wie eigenes Verschulden zurechnen lassen muss.
Dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten selbst die falsche Telefaxnummer gewählt hatte, stellt ein eigenes Verschulden des Prozessbevollmächtigten dar, das sich die Beklagte nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
Dass der Beklagtenvertreter irrtümlich davon ausgegangen war, über den 22.09.2014 hinaus eine weitere Verlängerung der Frist zur Einlegung der Berufungsbegründung nur mit Zustimmung des Gegners erhalten zu können, ist nicht auf den Textbausteinhinweis in der Verfügung des Oberlandesgerichts vom 26.08.2014 zurückzuführen, sondern auf eine eigene unzutreffende Fristberechnung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten. Darüber hinaus dürfte dieser Umstand ohnehin nicht als ursächlich dafür anzusehen sein, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten versehentlich die falsche Telefaxnummer gewählt hatte.
Der Hinweis in der Verfügung vom 26.08.2014, dass mit einer weiteren Fristverlängerung nur gerechnet werden könne, wenn eine Einwilligung des Gegners vorliege oder anwaltlich versichert werde, stellt keinen Hinweis auf eine im Ermessen des Gerichts liegende Verfahrensweise dar, sondern allein einen Hinweis auf die Gesetzeslage. Dies wird aus der Zitierung von § 520 Abs. 2 ZPO deutlich. Dass diese Gesetzeslage dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten bekannt war, darf bei einem Rechtsanwalt unterstellt werden.
Ursache des Irrtums des Prozessbevollmächtigten der Beklagten war zudem auch nicht eine Fehlvorstellung über die Rechtslage, sondern eine falsche Fristberechnung. Zumindest ex post betrachtet, ergibt sich dies unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich der Beklagtenvertreter am 22.09.2014 um eine Zustimmung des Gegners zu einer weiteren Fristverlängerung bemüht hatte, aber auch aus seinem Fristverlängerungsantrag vom 25.08.2014, in dem eine Fristverlängerung „um einen Monat bis 22.09.2014“ begehrt worden war. Ob der insoweit oben dargestellte Widerspruch bereits damals vom Gericht hätte erkannt werden müssen, kann offen bleiben. Denn dies ändert nichts daran, dass ein Rechtsanwalt Rechtsmittelfristen selbst korrekt zu berechnen, zu überwachen und im Interesse seines Mandanten Verlängerungsmöglichkeiten auszuschöpfen hat, wenn dies erforderlich ist. Dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nicht die auch ohne Zustimmung des Gegners bis 27.09.2014 mögliche Fristverlängerung beantragt hat, ist daher nicht auf einen falschen Hinweis des Gerichts, sondern eine eigene fehlerhafte Fristberechnung zurückzuführen. Hätte er erkannt, dass die Monatsfrist des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO noch nicht abgelaufen war, hätte er als Rechtsanwalt sich durch den konkreten Textbausteinhinweis in der Verfügung vom 26.08.2014 von einem Fristverlängerungsgesuch nicht abhalten lassen (dürfen).
Dass der Beklagtenvertreter somit kurz vor Ablauf des 22.09.2014 in den Zustand der Erschöpfung und nervlicher Anspannung geraten war und deshalb die falsche Telefaxnummer gewählt hatte, hat er diesen Zustand primär selbst verursacht. Denn er war aufgrund eigener fehlerhafter Fristberechnung einer Fehlvorstellung über die Monatsfrist des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO erlegen.
Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 3. November 2014 – 10 U 81/14
- vgl. BGH, Beschluss vom 17.12.1991 – VI ZB 26/91, BGHZ 116, 377 – 379; BGH, Beschluss vom 20.10.2009 – VIII ZB 97/08, NJW-RR 2010, 998 -1000; Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl.2014, § 520 Rn. 16a[↩]