Gebrauchtwagenkauf bei eBay – und die fehlerhaft angegebene Laufleistung

Die Angabe einer (zu niedrigen) Laufleistung bei einem Gebrauchtwagenverkauf auf eBay stellt nach Ansicht des Landgerichts Kiel keine Beschaffenheitsangabe (§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB) dar.

Gebrauchtwagenkauf bei eBay – und die fehlerhaft angegebene Laufleistung

Eine Sache ist mit einem Mangel behaftet, wenn der Ist-Zustand der Kaufsache vom Sollzustand abweicht, der sich entweder aus der vereinbarten Beschaffenheit ableitet oder aus der Beschaffenheit, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann, § 424 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 BGB.

Nach ständiger Rechtsprechung liegt ein Mangel vor, wenn ein Gebrauchtwagen tatsächlich eine höhere Fahrleistung hat als der Kilometerzähler anzeigt1. Zudem käme eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit in Betracht, wenn man davon ausginge, dass die Angaben des Verkäufer bei ebay, auf die sich beide Parteien bezogen haben, zu einer solchen Vereinbarung geführt hätten. Ob das Fahrzeug einen höheren Kilometerstand aufweist als in dem ebay-Angebot angegeben, ist zwischen den Parteien streitig. Das Bestreiten mit Nichtwissen durch den Verkäufer ist insoweit zulässig, weil nicht ersichtlich ist, dass der Verkäufer eigene Erkenntnisse über die Laufleistung hätte. Er hatte den Wagen erst wenige Wochen vor der Veräußerung erstanden, weitere Informationen als den abgelesenen Tachostand und die Angaben des Verkäufers und aus den TÜV-Berichten standen ihm nicht zur Verfügung.

Es bedarf jedoch keiner Klärung, ob die Laufleistung des Fahrzeuges höher ist als in dem ebay-Angebot angegeben. Denn einem Anspruch steht jedenfalls der vereinbarte Gewährleistungsausschluss entgegen. Aus § 444 BGB folgt im Umkehrschluss, dass die Rechte des Käufers wegen eines Mangels grundsätzlich begrenzt oder ausgeschlossen werden können. Der Gewährleistungsausschluss ist zwischen den Parteien unstreitig vereinbart worden, dies geschah in dem Telefonat, in welchem die Parteien sich unter Bezugnahme auf das ebay-Inserat über die Veräußerung des Pkw einigten. Der Verkäufer hatte dort unter der Rubrik „Beschreibung“ erklärt: „Das Auto wird ohne Garantie und Gewährleistung verkauft“.

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Dem Gewährleistungsausschluss steht nicht § 444 BGB entgegen. Hiernach kann sich der Verkäufer auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat.

Der Haftungsausschluss ist nicht wegen arglistigen Verschweigens eines Mangels gemäß § 444 Alt. 1 BGB unwirksam. Arglistiges Verschweigen setzt in objektiver Hinsicht eine Täuschung durch Unterlassen zum Zwecke der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums und in subjektiver Hinsicht Arglist voraus. Das Verschweigen von Tatsachen stellt nur dann eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich der verschwiegenen Tatsachen eine Aufklärungspflicht bestand, wobei entscheidend ist, ob der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung Aufklärung erwarten durfte2. In subjektiver Hinsicht setzt die Arglist zumindest Eventualvorsatz voraus3. Dagegen genügt keine Leichtfertigkeit oder grob fahrlässige Unkenntnis4. Es kommt darauf an, ob der Verkäufer den Mangel kennt oder ihn zumindest für möglich hält und zugleich weiß oder doch damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit den vereinbarten Inhalt geschlossen hätte5.

Die Voraussetzungen des arglistigen Verschweigens sind nicht erfüllt. Es ist weder vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass der Verkäufer Kenntnis von der erhöhten Laufleistung oder von den weiteren Unfallschäden hatte. Zwar könnte man auf die Idee kommen, dass der Verkäufer gerade deshalb das Fahrzeug schon nach kurzer Zeit wieder loswerden wollte, weil er diese Umstände herausgefunden hatte. Konkrete Anhaltspunkte, die eine solche Motivation bestätigen würden, liegen jedoch nicht vor, im Gegenteil spricht der vom Verkäufer vorgelegte Kaufvertrag, aus dem sich der niedrigere Kilometerstand und die Abwesenheit von Unfallschäden ergaben, gegen die Vermutung, ebenso die Anhörung des Verkäufers, der angab, er habe sich für ein anderes Fahrzeug interessiert. Der Verkäufer hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung angegeben, er habe keine Kenntnis von der tatsächlich erhöhten Laufleistung gehabt; Hätte er Kenntnis hiervon gehabt, so hätte er das Fahrzeug selbst nicht gekauft und es auch nicht weiterverkauft. Die Angaben des Verkäufers sind glaubhaft, zumal der Verkäufer beim Fahrzeugkauf zwei TÜV-Berichte erhalten hatte, welche einen geringen Kilometerstand aufweisen. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Verkäufer nicht auf die Richtigkeit der vorgelegten TÜV-Berichte vertrauen durfte. Selbst wenn der Kilometerstand des Autos bei der Hauptuntersuchung von untergeordneter Bedeutung ist, musste sich der Verkäufer auf die TÜV-Berichte – gerade wegen des fehlenden Servicehefts – verlassen können. Der Umstand allein, dass der Verkäufer dem Käufer ein Serviceheft nicht übergeben hatte, spricht nicht gegen ihn. Der Verkäufer hat im Rahmen seiner Anhörung dazu ausgeführt, er habe selbst kein Serviceheft von dem Streitverkündeten erhalten.

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Der Haftungsausschluss ist auch nicht durch die Vereinbarung einer garantierten Beschaffenheit nach § 444 Alt. 2 BGB unwirksam. Der Verkäufer hat keine Garantie dafür übernommen, dass das Auto eine Laufleistung von 152.000 km aufweist und auch keine entsprechende Beschaffenheit mit dem Verkäufer vereinbart.

Eine Garantie setzt voraus, dass der Verkäufer in vertragsmäßig bindender Weise die Gewähr für das Vorhandensein der vereinbarten Beschaffenheit der Kaufsache übernimmt und damit seine Bereitschaft zu erkennen gibt, für alle Folgen des Fehlens dieser Beschaffenheit einzustehen6. Eine ausdrückliche Erklärung dieser Art hat der Käufer nicht abgegeben. Mit Rücksicht auf die weitreichenden Folgen ist insbesondere bei der Annahme einer stillschweigenden Übernahme einer solchen Einstandspflicht Zurückhaltung geboten7. Es ist nur im Ausnahmefall, nämlich dann, wenn besondere Umstände vorliegen, die bei dem Käufer die berechtigte Erwartung wecken, der Verkäufer wolle für eine bestimmte Eigenschaft einstehen, von einer stillschweigenden oder schlüssigen Garantieübernahme auszugehen. So kann es sich etwa verhalten, wenn der Verkäufer bei den vorvertraglichen Verhandlungen auf ausdrückliche Nachfrage erklärt, die Gesamtleistung des Fahrzeugs stimme mit dem Tachometerstand überein8 oder wenn der Verkäufer sich als Erstbesitzer bezeichnet, denn auf die Kilometerangabe einer Verkäufers, der sein Fahrzeug vom „Tachostand Null“ an kennt, darf der Käufer in aller Regel vertrauen9. So liegt es hier indes nicht, der Verkäufer hat eine entsprechende Bestätigung nicht abgegeben, der Käufer hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung berichtet, bei der Übergabe des Fahrzeugs sei der Kilometerstand überhaupt nicht mehr angesprochen worden. Einziger Anhaltspunkt ist damit die Angabe im ebay-Inserat.

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Die Frage, ob die Angabe der Laufleistung als Beschaffenheitsangabe (§ 434 Abs. 1 Satz 1) oder als Beschaffenheitsgarantie (§ 444 Alt. 2) zu bewerten ist, muss unter Berücksichtigung der beim Abschluss eines Kaufvertrages über ein Gebrauchtfahrzeug typischerweise gegebenen Interessenlage beantwortet werden6. Hierbei kommt es zunächst auf die Stellung des Verkäufers an. Ist er ein Gebrauchtwagenhändler, kann in einer beim Gebrauchtwagenkauf ohne Einschränkung oder Zusätze abgegebenen Erklärung des gewerblichen Gebrauchtwagenhändlers zu einer bestimmten Kilometerlaufleistung des Fahrzeugs die Übernahme einer Beschaffenheitsgarantie liegen10. Anders ist dies jedoch zu bewerten, wenn es sich bei dem Verkäufer um eine Privatperson handelt, wie im vorliegenden Fall. Beim Privatverkauf steht dem Interesse des Käufers gleichwertig das Interesse des Verkäufers gegenüber, für nicht mehr als dasjenige einstehen zu müssen, was er nach seiner laienhaften Kenntnis zu beurteilen vermag11. Der Käufer kann nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass der Verkäufer als Laie nachprüfen kann, ob der Tachometerstand die Laufleistung des Fahrzeugs zutreffend wiedergibt. Alleine aus der Angabe der Laufleistung kann der Käufer beim Privatverkauf eines Gebrauchtfahrzeugs daher nicht schließen, der Verkäufer wolle für die Richtigkeit dieser Angabe unter allen Umständen einstehen. Will der Käufer beim privaten Gebrauchtwagenkauf eine Garantie für die Laufleistung des Fahrzeugs haben, muss er sich diese regelmäßig ausdrücklich von dem Verkäufer geben lassen12. Die Angaben des Verkäufers im Rahmen des Internetinserats begründen keine schlüssige Garantie, weil es hier an einem durch den Verkäufer geschaffenen Vertrauenstatbestand, für die Laufleistung uneingeschränkt und verschuldensunabhängig einstehen zu wollen, fehlt. Die Angabe, der Verkäufer verkaufe seinen „schönen Mercedes“, enthält lediglich eine subjektive Einschätzung und ist nicht geeignet, eine Garantieübernahme in Bezug auf eine bestimmte Eigenschaft zu begründen. Der Käufer hat den Verkäufer im weiteren Verlauf nach seinen Angaben im Termin am 4.06.2014 nicht mehr auf den Tachometerstand angesprochen, während der Verkäufer erklärt hat, dass es bereits Vorbesitzer gab, was gerade gegen ein Einstehenwollen spricht.

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Die Angabe im ebay-Inserat und auch die Aussage des Verkäufers am Telefon, „das Fahrzeug ist so, wie es da steht im Internet“, sonst sei damit nichts, sind als bloße Wissenserklärungen auszulegen und stellen damit weder eine Garantie noch eine Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. 434 Abs. 1 S. 1 BGB dar13. Eine solche Beschaffenheitsvereinbarung wäre bereits ausreichend, um den Gewährleistungsausschluss unwirksam zu machen. Schließlich kann eine ausdrücklich vereinbarte Beschaffenheit nicht von einem zugleich vereinbarten Gewährleistungsausschluss erfasst werden; der Gewährleistungsausschluss kann sich damit nur auf solche Mängel beziehen, die darin bestehen, dass die Sache sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetztes Verwendung eignet, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB12. Die Parteien haben die Laufleistung von 152.000 km nicht als Beschaffenheit vereinbart. Eine Beschaffenheitsvereinbarung kann ausdrücklich oder stillschweigend getroffen werden und setzt voraus, dass der Käufer bestimmte Erwartungen an den Kaufgegenstand formuliert und der Verkäufer zustimmend reagiert14. Ob durch die Angebotsbeschreibung eine Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 Abs. 1 Alt. 1 BGB) des Inhalts, dass das angebotene Fahrzeug eine Laufleistung von 152.000 km hat, eine Beschaffenheitsvereinbarung erfolgte, ist durch umfassende Würdigung der abgegebenen Willenserklärungen unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falls zu ermitteln15. Der Verkäufer hat in dem Internetinserat einen Kilometerstand von 152.000 km angegeben. Beinhaltet das Angebot des Verkäufers lediglich die Angabe eines „Kilometerstandes“, stellt sich dies aus der maßgeblichen Käufersicht grundsätzlich nicht als bloße Wiedergabe des Tachometerstandes dar, sondern ist Angabe der für den Käufer entscheidenden Laufleistung des Fahrzeugs, sofern kein deutlicher gegenteiliger Hinweis gegeben ist16. Einen gegenteiligen Hinweis oder klärenden Zusatz (z.B. „laut Angaben des Vorbesitzers“, „abgelesener Tachostand“) hat der Verkäufer in sein Inserat zwar nicht aufgenommen. Es ist jedoch unstreitig, dass dem Käufer bei Besichtigung des Autos die TÜV-Berichte übergeben wurden und der Käufer daraufhin den Kilometerstand nicht weiter problematisiert hat, wie sich aus seiner persönlichen Anhörung im Termin ergibt. Der Verkäufer hatte auch darauf hingewiesen, dass er das Fahrzeug selbst erst vor fünf Wochen erworben hatte und dass es bereits drei Vorbesitzer gab. Diese Erklärungen des Verkäufers lassen nicht auf eine Beschaffenheitsvereinbarung, sondern auf eine bloße Wissenserklärung schließen17. Schließlich war es für den Käufer aus den Umständen ohne weiteres erkennbar und nachvollziehbar, dass sich der Verkäufer mit diesen Angaben lediglich auf die ihm zugänglichen und auch dem Käufer zugänglich gemachte Quellen (Tachostand und TÜV Berichte) berief und nicht etwa auf eigenes Wissen oder eigene überlegene Kenntnis und daher auch nicht in vertraglich bindender Weise für die Richtigkeit dieser Angaben einstehen wollte. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem Fall, der der Entscheidung des Bundesgerichtshof vom 29.11.200618 zugrunde lag: Dort hatte der Käufer das Fahrzeug ohne persönliches Gespräch und ohne Inaugenscheinseinnahme direkt über das Kaufformular bei ebay erstanden. Dort war wegen der besonderen Schutzwürdigkeit des Käufers von einer Beschaffenheitsvereinbarung ausgegangen worden. Vorliegend bestand jedoch keine besondere Schutzwürdigkeit des Käufers: Der Kaufvertrag wurde zwischen den Parteien nicht unmittelbar auf Grund des Angebots bei eBay abgeschlossen. Es kam vielmehr zu einem am Telefon nach persönlichem Gespräch geschlossenen und sodann schriftlich geänderten Kaufvertrag, nachdem der Verkäufer die Auktion bei eBay aufgrund der Anzahlung von 500, 00 € abgebrochen und der Käufer das Fahrzeug in Augenschein genommen hatte. Demnach musste er sich nicht ausschließlich auf das im Internet eingestellte Foto und die Angebotsbeschreibung des Verkäufer verlassen.

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Landgericht Kiel, Urteil vom 13. August 2014 – 9 O 262/13

  1. OLG Köln MDR 1975, 53; BGH NJW 2007, 1346, 1347[]
  2. BGH NJW-RR 1991, 439, 440[]
  3. BGH NJW 2012, 2793[]
  4. BGH NJW-RR 2012, 1078, 1079[]
  5. BGH NJW 2013, 2182, 2183[]
  6. BGH NJW 2007, 1346, 1348[][]
  7. BGHZ 128, 111, 114; 132, 55, 57 f.; BGH WM 1996, 452, 453[]
  8. OLG Koblenz NJW 2004, 1670, 1671[]
  9. OLG Köln NJW 1999, 2601, 2602[]
  10. OLG Düsseldorf NJW-RR 2013, 761[]
  11. BGH NJW 1991, 1880[]
  12. BGH NJW 2007, 1346, 1349[][]
  13. vgl. dazu OLG Hamm in MDR 2005, 500, Palandt-Weidenkaff, BGB, 73. Auflage 2014, § 434 Rn. 15[]
  14. BGH NJW 2009, 2807, 2808[]
  15. vgl. BGH NJW 2012, 2723, 2724[]
  16. BGH NJW 2007, 1346, 1347[]
  17. vgl. dazu BGH NJW 2008, 1517, 1518; Palandt-Weidenkaff a.a.O, § 434 Rn. 68[]
  18. BGH, Urteil vom 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, NJW 2007, 1346[]