Gebührenstreitwert für zukünftige Nutzungsentschädigung

Anders als bei einer Klage auf künftige Mietzahlungen, für die überwiegend § 9 ZPO angewandt wird, bestimmt sich der Streitwert einer Klage auf Zahlung zukünftiger Nutzungsentschädigung gemäß § 259 ZPO nach § 48 Abs. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO.

Gebührenstreitwert für zukünftige Nutzungsentschädigung

§ 41 Abs. 1 GKG findet bei Streitigkeiten über Zahlungsverpflichtungen aus einem Mietvertrag grundsätzlich keine Anwendung, auch wenn die Parteien letztlich über den Fortbestand des zu Grunde liegenden Mietverhältnisses streiten, denn der für die Wertfestsetzung maßgebliche Streitgegenstand ist nicht durch den Streit über Bestehen oder Dauer des Mietverhältnisses bestimmt, sondern durch einen Einzelanspruch aus dem Mietverhältnis, nämlich die künftige Geldforderung des Vermieters1.

Die Frage, ob der Gebührenstreitwert einer auf Zahlung zukünftiger Nutzungsentschädigung bis zur Räumung gerichteten Klage nach § 9 ZPO oder § 3 ZPO zu bestimmen ist, ist umstritten. Mit der ganz herrschenden Meinung geht das Oberlandesgericht Stuttgart hier davon aus, dass die Bestimmung des Streitwerts – anders als für künftige Miete, für die überwiegend § 9 ZPO angewandt wird – gem. § 3 ZPO zu erfolgen hat2.

Entgegen der vom Oberlandesgericht Hamm und dem Landgericht Berlin vertretenen Ansicht3 ist § 9 ZPO in Fällen wie dem vorliegenden nicht anzuwenden. Es ist zwar zutreffend, dass es sich bei der vom Mieter bis zur Räumung zu zahlenden Nutzungsentschädigung um eine wiederkehrende Leistung von ungewisser Dauer handelt, doch reicht dies allein für eine Anwendung von § 9 ZPO nicht aus. Zu berücksichtigen sind vielmehr die Grundsätze, die bereits von den Vereinigten Zivilsenaten des Reichsgerichts4 über Sinn und Zweck sowie über die Anwendung des § 9 ZPO entwickelt worden sind5. Hiernach betrifft § 9 ZPO nur solche Rechte, die ihrer Natur nach und erfahrungsgemäß eine Dauer von wenigstens 42 Monaten haben oder jedenfalls eine solche Dauer haben können6. Zwischen der Einreichung der Klage auf Räumung und der Herausgabe der Mieträume – also dem Zeitraum, für den der Anspruch auf künftige Nutzungsentschädigung geltend gemacht wird – liegt in aller Regel jedoch ein Zeitraum von weniger als 42 Monaten.

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Den Gebührenstreitwert einer auf Zahlung zukünftiger Nutzungsentschädigung bis zur Räumung gerichteten Klage nach § 3 ZPO zu bestimmen, steht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20. April 20057 und die des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 7. Februar 19978 ebenso wenig entgegen wie die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17. März 20049. Diesen Entscheidungen lag jeweils ein Sachverhalt zugrunde, in dem das Mietverhältnis nach der Darstellung der klagenden Partei eben gerade nicht beendet war und deshalb Miete und nicht Nutzungsentschädigung geltend gemacht wurde. Klagt der Vermieter nach (unstreitiger) Kündigung des Mietverhältnisses auf Zahlung von Nutzungsentschädigung bis zur Herausgabe und Räumung, fehlt es für eine Anwendung von § 9 ZPO aufgrund des beendeten Mietverhältnisses jedoch an einem Stammrecht10.

Gemäß § 3 ZPO ist der Streitwert nach freiem Ermessen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Letzteres bedeutet, dass maßgeblich für die Bestimmung des Streitwerts allein das Interesse des Klägers im Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung sein kann. Hier ging es dem Kl. darum, sich nach erfolgter Kündigung Nutzungsentschädigung bis zur voraussichtlichen Räumung – nach ergangenem Räumungstitel, notfalls im Wege der Zwangsvollstreckung – zu sichern. Dies muss in einfacher gelagerten Fällen wie dem vorliegenden wiederum dazu führen, den Gebührenstreitwert auf den 12-fachen Betrag der geforderten monatlichen Nutzungsentschädigung festzusetzen11. Im entschiedenen Fall hat der Kläger in seiner Klageschrift vorgetragen, dass über einen Zeitraum von mehreren Monaten Mietzinszahlungen gar nicht, jedenfalls in der Regel nicht pünktlich und nicht vollständig erfolgt sind, ohne dass der Mieter Einwände gegen seine Mietzinszahlungspflicht vorgebracht hätte. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte war im Zeitpunkt der Klageeinreichung also nicht davon auszugehen, dass die von dem Kläger zu erwartende Herausgabe der Mieträume durch den Beklagtem für einen späteren Zeitraum als den von zwölf Monaten erfolgen wird. Anhaltspunkte für eine Herausgabe zu einem früheren Zeitpunkt ergeben sich aus den Akten allerdings ebenso wenig. Zu diesem Zeitpunkt (Antragstellung) war vielmehr noch völlig offen, ob und gegebenenfalls mit welchem Vortrag sich der Beklagte gegen die Räumungsklage verteidigen würde. Dementsprechend muss für die Streitwertbestimmung auch unberücksichtigt bleiben, dass der Beklagte den Räumungsanspruch in I. Instanz zuletzt anerkannt hat.

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Soweit in vergleichbaren Entscheidungen mit der Begründung, dass zwischen der Einreichung einer ein Gewerbeobjekt betreffenden Räumungsklage und der Räumung dieses Objekts in aller Regel ein Zeitraum von fünf oder sechs Monaten ausreiche, sechs Monatsmieten in Ansatz gebrachten werden12, erscheint dies zwar grundsätzlich möglich und auch erstrebenswert, dürfte jedoch schon wegen der hiesigen tatsächlichen Gegebenheiten (Wartezeiten bei den Gerichtsvollziehern) nicht der Regelfall sein. Ein solch kurzer Zeitraum könnte deshalb allenfalls dann in Betracht gezogen werden, wenn bereits der Klageschrift Umstände zu entnehmen sind, aus denen auf eine kurzfristigere Räumung seitens des Bekl. geschlossen werden kann. Dies ist vorliegend aber nicht der Fall.

Die grundsätzliche Berücksichtigung eines Nutzungswertes in Höhe von zwölf Monaten entspricht auch der in § 41 Abs. 1, Abs. 2 S. 2 GKG zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Wertung. Dementsprechend verbietet sich auch trotz des Feststellungscharakter des § 259 ZPO ein Abschlag von 20%, zumal der Titel ggfs. ohne weiteres zum Leistungstitel wird. Werden zukünftige Ansprüche eingeklagt, ist eben ungewiss, für welchen Zeitraum tatsächlich eine Nutzungsentschädigung gezahlt wird.

Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 17. Januar 2011 – 5 U 158/10

  1. BGH NJW-RR 2005, 938; bereits BGH JurBüro 1966, 309[]
  2. KG Berlin NJW-RR 2007, 1579; OLG Frankfurt OLGR 2004, 201; KG Berlin KGR 2000, 234; OLG Bamberg JurBüro 1981, 1047; OLG Frankfurt MDR 1980, 761; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl. 2007, Rn. 3713; Meyer, Kommentar zum GKG und FamGKG, 11. Aufl. 2009, § 3 Rn. 22 „Nutzungsentschädigung“; Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl. 2010, GKG Anh I § 48 (§3 ZPO); Henssler, Die Klage auf künftige Leistung im Wohnraummietrecht in: NJW 1989, 138 (142); a.A. OLG Hamm FamRZ 2008, 1208; LG Berlin ZMR 2003, 264; Zöller, aaO, § 3 Rn.16, dort unter „Mietstreitigkeiten“, dort unter „Klage auf künftige Leistung“[]
  3. aaO[]
  4. in RGZ 24, 373, bestätigt in RGZ 37, 383; fortgeführt BGHZ 36, 144[]
  5. KG Berlin NJW-RR 2007, 1579[]
  6. BGHZ 36, 144[]
  7. BGH, NJW-RR 2005, 938[]
  8. OLG Stuttgart, NJW-RR 1997, 1303[]
  9. BGH, NZM 2004, 423[]
  10. Schneider/Herget, aaO[]
  11. so im Ergebnis auch OLG Frankfurt OLGR 2004, 201; KG Berlin NJW-RR 2007, 1579[]
  12. LG Nürnberg-Fürth WuM 2005, 664; KG Berlin KGR 2000, 234[]
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