Auf eine Gegenvorstellung kann keine nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgen.

Die Rechtsbeschwerde ist gleichwohl mangels wirksamer Zulassung nach § 70 Abs. 1 FamFG nicht statthaft und damit unzulässig.
Nach § 70 Abs. 1 FamFG ist gegen einen Beschluss die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn das Beschwerdegericht sie in dem angefochtenen Beschluss ausdrücklich zugelassen hat, sei es in der Beschlussformel oder in den Gründen1.
Diese Voraussetzung liegt nicht vor, da der Beschluss vom 30.08.2022 keinen Ausspruch der Zulassung der Rechtsbeschwerde enthält. Der Beschluss des Beschwerdegerichts vom 25.11.2022 stellt auch keine Berichtigung seines Beschlusses vom 30.08.2022 dar. Eine Berichtigung des Ausgangsbeschlusses nach § 42 Abs. 1 FamFG kommt im vorliegenden Fall offensichtlich nicht in Betracht, weil keine für Dritte ohne weiteres erkennbare Umstände ersichtlich sind, welche hier die Annahme rechtfertigen könnten, dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht beschlossen und nur versehentlich nicht im Ausgangsbeschluss ausgesprochen war.
Die vom Beschwerdegericht nachträglich isoliert ausgesprochene Zulassung der Rechtsbeschwerde bindet den Bundesgerichtshof entgegen § 70 Abs. 2 Satz 2 FamFG nicht. Die nachträgliche Zulassung ist unwirksam, weil sie verfahrensrechtlich nicht ausgesprochen werden durfte2.
Eine in der Beschwerdeentscheidung unterbliebene Zulassung der Rechtsbeschwerde kann nicht durch einen Ergänzungsbeschluss nach § 43 Abs. 1 FamFG nachgeholt werden. Schweigt das Beschwerdegericht in seinem Ausgangsbeschluss wie hier zur Frage der Zulassung, ist die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, und zwar auch dann nicht, wenn das Beschwerdegericht die Möglichkeit der Zulassung gar nicht bedacht haben sollte3. Eine nachträgliche Zulassung holt dann keine unterbliebene Entscheidung nach, sondern sie widerspricht der bereits getroffenen Entscheidung und ändert diese ab4.
Allerdings kann das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde nachträglich auf die von einem Verfahrensbeteiligten ordnungsgemäß angebrachte Anhörungsrüge (§ 44 FamFG) für das Rechtsbeschwerdegericht bindend zulassen, wenn bei der vorangegangenen Entscheidung, die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen, ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör dieses Beteiligten vorgelegen hat. So liegt der Fall hier aber nicht.
Die Anhörungsrüge räumt dem Gericht keine umfassende Abhilfemöglichkeit ein, sondern dient allein der Behebung von Verstößen gegen die grundgesetzliche Garantie des rechtlichen Gehörs. Die unterbliebene Zulassung der Rechtsbeschwerde kann für sich genommen den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzen. Die nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde auf die Anhörungsrüge eines Beteiligten gemäß § 44 FamFG kommt deshalb nur dann ausnahmsweise in Betracht, wenn das Beschwerdegericht bei seiner ursprünglichen Entscheidung über die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde auf die Zulassungsentscheidung bezogenen Vortrag der Beteiligten verfahrensfehlerhaft übergangen hat oder wenn das Beschwerdeverfahren aufgrund eines Gehörsverstoßes gemäß § 44 Abs. 5 FamFG fortgesetzt wird und sich erst aus dem anschließend gewährten rechtlichen Gehör ein Grund für die Zulassung ergibt5.
Die Betroffene hat ihren Schriftsatz vom 14.09.2022 selbst als Gegenvorstellung bezeichnet und darin nicht wie es § 44 Abs. 2 Satz 4 FamFG voraussetzen würde dargelegt, dass das Beschwerdegericht das rechtliche Gehör der Betroffenen in entscheidungserheblicher Weise verletzt hätte. Vielmehr hat die Betroffene in ihrer Eingabe grundsätzliche Bedeutung für die Beantwortung der Rechtsfrage reklamiert, ob der Einsatz von Eigengeld des Betreuten unterhalb des Schonbetrages von 5.000 € für die Zahlung der Betreuervergütung verlangt werden kann, wenn wegen einer durch die Dauertestamentsvollstreckung geschützten Erbschaft weiteres Vermögen aufseiten des Betreuten vorhanden sei. Insoweit stellt die Gegenvorstellung der Betroffenen wie dies auch in der Einleitung des Schriftsatzes vom 14.09.2022 ausdrücklich klargestellt wird nicht auf die Verletzung rechtlichen Gehörs, sondern (allein) darauf ab, dass das Beschwerdegericht durch die unterbliebene Zulassung der Rechtsbeschwerde den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Sache in objektiv willkürlicher Weise verneint und dadurch unter Verletzung von Art. 101 Abs. 1, 19 Abs. 4 GG den Instanzenzug verkürzt habe.
Das Beschwerdegericht konnte die wirksame Zulassung der Rechtsbeschwerde auch nicht in analoger Anwendung von § 44 FamFG auf die Gegenvorstellung der Betroffenen aussprechen.
Allerdings hat der Bundesgerichtshof in mehreren Entscheidungen die auf eine Gegenvorstellung hin ausgesprochene Zulassung der Rechtsbeschwerde in analoger Anwendung von § 321 a ZPO bzw. § 44 FamFG unter der Voraussetzung gebilligt, dass die Zulassung zuvor willkürlich unterblieben ist, und hat dies aus dem Anspruch des Rechtsmittelführers auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG hergeleitet6.
Demgegenüber ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in jüngerer Zeit darauf hingewiesen worden, dass es gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Rechtsmittelklarheit verstößt, wenn die Rechtsprechung wie bei der Gegenvorstellung außerordentliche Rechtsbehelfe außerhalb des geschriebenen Rechts schaffe, um tatsächliche oder vermeintliche Lücken im bisherigen Rechtsschutzsystem zu schließen. Für die nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde auf eine Gegenvorstellung könne grundsätzlich nichts anderes gelten, wenn das Beschwerdegericht nach den Bestimmungen der jeweiligen Verfahrensordnung einer Innenbindung an seine Entscheidung unterliegt und deshalb seine getroffene Entscheidung ohne eine besondere gesetzliche Grundlage im Verfahrensrecht nicht mehr ändern darf7.
Ob der Bundesgerichtshof hiernach an seiner bisherigen Rechtsprechung festhält und ob die unterlassene Zulassung der Rechtsbeschwerde als Verstoß gegen andere Verfahrensgrundrechte in analoger Anwendung von § 321 a ZPO bzw. § 44 FamFG überhaupt mit einer Gegenvorstellung gerügt werden kann, braucht im vorliegenden Fall indessen nicht entschieden werden.
Denn sowohl der Anspruch auf den gesetzlichen Richter als auch das Recht auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes schützen nicht vor jeder fehlerhaften Anwendung der Verfahrensordnung, sondern setzen eine willkürlich unterlassene Zulassung oder eine unzumutbare, sachlich nicht mehr zu rechtfertigende Verkürzung des Instanzenzuges voraus8. Auch nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eröffnet die Gegenvorstellung für das Gericht deshalb nicht die Möglichkeit, bereits deshalb nachträglich die Rechtsbeschwerde zuzulassen, weil es seine Entscheidung auf das Vorbringen in der Gegenvorstellung überdacht hat und nunmehr der Auffassung ist, die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 FamFG lägen vor. Dies gilt selbst dann, wenn diese Auffassung objektiv richtig wäre. Der Beschluss über die nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde muss vielmehr auf der Feststellung beruhen, dass das Gericht mit seiner ursprünglichen Entscheidung, die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen, gegen Verfahrensgrundrechte des Rechtsmittelführers verstoßen hat9. Der Beschluss des Beschwerdegerichts lässt im vorliegenden Fall mangels jeglicher Begründung nicht erkennen, dass es diese strengen Voraussetzungen geprüft und bejaht hätte.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14. Juni 2023 – XII ZB 517/22
- vgl. BGH, Beschluss vom 20.07.2011 XII ZB 445/10 FamRZ 2011, 1728 Rn. 15[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 28.02.2018 XII ZB 634/17 FamRZ 2018, 936 Rn. 7 mwN[↩]
- vgl. BGH Beschluss vom 14.10.2020 – IV ZB 4/20 FamRZ 2020, 2016 Rn. 11 mwN[↩]
- BGH, Beschluss vom 09.07.2014 XII ZB 7/14 FamRZ 2014, 1620 Rn. 12 mwN[↩]
- vgl. zu § 321 a ZPO: BGH Beschluss vom 13.05.2020 – VII ZB 41/19 NJW-RR 2020, 1190 Rn. 14 mwN und Urteil vom 07.02.2023 – VI ZR 137/22 NJW 2023, 1718 Rn. 23 mwN[↩]
- BGH Beschlüsse vom 12.12.2012 – IV ZB 26/12 NJW-RR 2013, 256 Rn. 6 mwN; BGH Beschluss vom 04.07.2007 – VII ZB 28/07 , NJW-RR 2007, 1654 Rn. 3 mwN; BGH, Beschluss vom 28.02.2018 XII ZB 634/17 FamRZ 2018, 936 Rn. 8 mwN[↩]
- vgl. BGHZ 220, 90 = ZIP 2018, 2229 Rn. 13 ff.; BGH Beschluss vom 14.10.2020 – IV ZB 4/20 FamRZ 2020, 2016 Rn. 10[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 28.02.2018 XII ZB 634/17 FamRZ 2018, 936 Rn. 8[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 28.02.2018 XII ZB 634/17 FamRZ 2018, 936 Rn. 9 f.; BGH Beschluss vom 09.06.2016 – IX ZB 92/15 NJW-RR 2016, 955 Rn. 9 f. und Urteil vom 04.03.2011 – V ZR 123/10 NJW 2011, 1516 Rn. 10[↩]