Eine Gerichtsstandbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO kommt nicht mehr in Betracht, wenn die Klage vollständig zurückgenommen wurde. Dies gilt auch dann, wenn noch eine Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 ZPO zu treffen ist. Eine Klagerücknahme ist gegenüber dem Gericht zu erklären, bei dem die Sache anhängig ist.

Eine Gerichtsstandbestimmung ist grundsätzlich nur zulässig, solange noch gerichtliche Entscheidungen durch das in der Hauptsache zuständige Gericht zu treffen sind.
An dieser Voraussetzung fehlt es etwa, wenn lediglich noch ein bereits erlassener Vollstreckungsbescheid zuzustellen ist; die Zustellung hat unabhängig von der Zuständigkeit in der Hauptsache durch dasjenige Gericht zu erfolgen, das den Bescheid erlassen hat1. Anders liegt es im Falle einer einseitigen Erledigungserklärung; über deren Zulässigkeit und Begründetheit hat das in der Hauptsache zuständige Gericht zu entscheiden2
Die nach einer vollständigen Rücknahme der Klage zu treffende Kostenentscheidung gemäß § 269 Abs. 3 ZPO ist grundsätzlich durch dasjenige Gericht zu treffen, bei dem die Hauptsache im Zeitpunkt der Klagerücknahme anhängig ist. Dies gilt unabhängig davon, ob das Gericht zur Entscheidung über die zurückgenommene Klage zuständig war.
Die Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 ZPO richtet sich in der Regel allein nach formellen Kriterien. Die Zuständigkeit für solche Entscheidungen ist nicht an die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Hauptsache geknüpft. So ist auch die Entscheidung über die Kosten einer beim Berufungsgericht eingelegten und vor Abgabe zurückgenommenen Nichtzulassungsbeschwerde nicht von dem für die Entscheidung über das Rechtsmittel zuständigen Bundesgerichtshof zu treffen, sondern von dem Gericht, bei dem das Rechtsmittel eingelegt wurde und bei Rücknahme noch anhängig war3.
Für den Fall, dass der Kläger eine Kostenentscheidung nach billigem Ermessen gemäß § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO anstrebt, gilt nichts anderes.
Für die Ausübung des billigen Ermessens kann zwar von Bedeutung sein, ob die Klage zu einem früheren Zeitpunkt zulässig und begründet war. Dennoch geht es nicht um eine verbindliche Entscheidung dieser Frage, sondern um eine an Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit und Billigkeit orientierte Entscheidung über die Kosten, wie sie nach § 91a ZPO auch nach einer beiderseitigen Erledigungserklärung zu treffen ist.
Eine Kostenentscheidung gemäß § 91a ZPO ist durch dasjenige Gericht zu treffen, bei dem die Sache im Zeitpunkt der Erledigungserklärung anhängig ist4. Für eine Entscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO kann nichts anderes gelten.
Dass für eine Kostenentscheidung nach Rücknahme eines Mahnantrags etwas anderes gilt, spricht nicht gegen, sondern für das oben aufgezeigte Ergebnis.
Wenn nach Rücknahme eines Mahnantrags eine Kostenentscheidung entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO in Betracht kommt, ist das Verfahren an das für das streitige Verfahren zuständige Gericht abzugeben. Grund hierfür ist, dass das Mahnverfahren für eine solche Entscheidung weder bestimmt noch geeignet ist5.
Nach einer Klagerücknahme liegt eine andere Ausgangslage vor. In dieser Konstellation war schon vor der Rücknahme ein streitiges Verfahren anhängig, in dem eine Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO ergehen kann.
Im vorliegenden Streitfall kam damit die Bestimmung eines zuständigen Gerichts nicht mehr in Betracht; der Kläger hat die isolierte Widerklage wirksam zurückgenommen.
Nach § 269 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist die Klagerücknahme dem Gericht gegenüber zu erklären. Dies ist das Gericht, bei dem die Sache anhängig ist6. Das Landgericht Baden-Baden war danach im Streitfall der richtige Adressat. Die Hauptsache war nach der Verweisung durch das Landgericht Potsdam dort anhängig. Dass das Landgericht Baden-Baden die Übernahme der Sache abgelehnt und das Oberlandesgericht Karlsruhe um Gerichtsstandbestimmung ersucht hat, führte nicht zu einer anderweitigen Anhängigkeit in der Hauptsache. Eine Zustimmung der hiesigen Beklagten war nicht erforderlich, weil noch keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat.
Nach den oben aufgezeigten Grundsätzen ist für eine Gerichtsstandbestimmung damit kein Raum mehr.
Eine Gerichtsstandbestimmung ist auch nicht in analoger Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO veranlasst.
Im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit ist regelmäßig eine deklaratorische Zuständigkeitsbestimmung entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO geboten, wenn die Verfahrensweise eines Gerichts die Annahme rechtfertigt, dass eine baldige Beilegung des Zuständigkeitsstreits nicht erwartet werden kann7.
Im vorliegenden Streitfall bestehen keine diesbezüglichen Anhaltspunkte. Die Klage ist erst nach Einleitung des Verfahrens zur Gerichtsstandbestimmung zurückgenommen worden. Dass das Landgericht Baden-Baden trotz der neu eingetretenen Prozesssituation eine Übernahme weiterhin ablehnen wird, ist nicht anzunehmen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14. März 2023 – X ARZ 586/22
- BAG, Beschluss vom 02.08.1982 – 5 AR 146/82, NJW 1983, 472[↩]
- vgl. BayObLG, Beschluss vom 31.01.1996 – 1Z AR 5/96, BayObLGZ 1996, 14[↩]
- BGH, Beschluss vom 15.03.2022 – X ZR 16/22, NJW-RR 2022, 648[↩]
- BGH, Beschluss vom 18.03.2010 – I ZB 37/09, GRUR 2010, 1037 Rn. 9 – Unzuständigkeitsrüge; BVerwG, Beschluss vom 08.04.2016 – 1 WDS-VR 11.15 16; BAG, Beschluss vom 16.08.2016 – 9 AS 4/16, NJW 2016, 3469 Rn. 12[↩]
- BGH, Beschluss vom 28.10.2004 – III ZB 43/04, NJW 2005, 512[↩]
- Assmann in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl., § 269 Rn. 51; BeckOKZPO/Bacher, 47. Edition, Stand 1.12.2022, § 269 Rn. 3[↩]
- BGH, Beschluss vom 02.12.1982 – I ARZ 586/82, NJW 1983, 1062; BAG, Beschluss vom 16.08.2016 – 9 AS 4/16, NJW 2016, 3469[↩]