Wird durch die Unterbringung gemäß 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB nur die regelmäßige Einnahme verordneter Medikamente sichergestellt, so ist sie unzulässig, wenn stattdessen auch eine Überwachung der Einnahme im häuslichen Umfeld durch einen ambulanten Pflegedienst möglich wäre.

So hat der Bundesgerichtshof in einem konkreten Fall auf die Rechtsbeschwerde des von der Unterbringung Betroffenen festgestellt, dass der Beschluss des Landgerichts Rostock[1] den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat. Die Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB setzt eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Betreuten voraus[2]. Der Grad der Gefahr ist in Relation zum möglichen Schaden ohne Vornahme der freiheitsentziehenden Maßnahme zu bemessen[3].
Die Genehmigung einer Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB muss zudem erforderlich sein[4]. Wenn die Gefahr durch andere Mittel als die freiheitsentziehende Unterbringung abgewendet werden kann, kommt eine Unterbringung als unverhältnismäßig nicht in Betracht[2].
Die Freiheit der Person nimmt – als Grundlage und Voraussetzung der Entfaltungsmöglichkeiten des Einzelnen – einen hohen Rang unter den Grundrechten ein. Das kommt darin zum Ausdruck, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG sie als „unverletzlich“ bezeichnet, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ihre Beschränkung nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes zulässt und Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG besondere Verfahrensgarantien statuiert. Präventive Eingriffe in das Freiheitsgrundrecht sind daher nur zulässig, wenn der Schutz hochwertiger Rechtsgüter dies unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfordert[5].
Ob die weitere Unterbringung nach diesen Maßstäben zu rechtfertigen war, hat das Landgericht unzureichend geprüft. Zwar hat das Landgericht in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sachverständigen festgestellt, dass der Betroffene unter einer chronifizierten paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie leidet, und dass diese Erkrankung einer langfristigen Medikation bedarf, um weiteren gesundheitlichen Schaden von ihm abzuwenden. Ebenso fehlerfrei hat das Landgericht festgestellt, dass der Betroffene nicht über die nötige Krankheits- und Therapieeinsicht verfügt, um die notwendigen Medikamente dauerhaft aus eigenem Antrieb einzunehmen, und dass die geschlossene Unterbringung grundsätzlich ein geeignetes Mittel sein kann, um eine medizinisch notwendige Behandlung sicherzustellen. Das Landgericht hat jedoch verfahrensfehlerhaft nicht die fortdauernde Erforderlichkeit der Unterbringung überprüft.
Die befragte Mitarbeiterin der Einrichtung hatte angegeben, nach ihrer Ansicht benötige der Betroffene keine geschlossene Unterbringung, sofern er seine Medikamente nehme. Daher käme eine überwachte Wohnform in Betracht. Der Betroffene selbst hat erklärt, dass er mit einer Überwachung der Medikamenteneinnahme durch den Pflegedienst des Deutschen Roten Kreuzes oder einen anderen Pflegedienst einverstanden sei. Er sehe ein, dass er Medikamente einnehmen müsse. Somit hatte der Betroffene erkannt, dass seine Unterbringung dadurch bedingt war, dass außerhalb der Einrichtung die Medikamenteneinnahme nicht gesichert war. Auch hatte er nach eigenem Bekunden in der Zwischenzeit eingesehen, dass er sich der Medikamenteneinnahme nicht würde entziehen können. Auf dieser Einsicht beruht offenbar sein mehrfach vorgebrachter Wunsch, die regelmäßige häusliche Medikamenteneinnahme durch einen Pflegedienst überwachen zu lassen. Zwar mag dieses Ansinnen nicht aus einer inzwischen gewonnenen Krankheits- und Therapieeinsicht, sondern aus dem schlichten Verlangen geboren sein, aus der geschlossenen Unterbringung frei zu kommen. Auf das Motiv für die Kooperationsbereitschaft des Betroffenen kommt es jedoch nicht an, sondern nur darauf, die medizinisch notwendigen Maßnahmen sicherzustellen.
Das Landgericht hätte daher – gegebenenfalls auf der Grundlage einer ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen – prüfen müssen, ob der neuerliche Vorschlag des Betroffenen, die regelmäßige Medikamenteneinnahme in häuslicher Umgebung durch einen Pflegedienst überwachen zu lassen, hinreichend tragfähig war. Wäre dies der Fall, war die weitere Unterbringung nicht mehr erforderlich und deshalb unzulässig. Indem das Landgericht diese Prüfung unterlassen hat, hat es den Sachverhalt unvollständig aufgeklärt und damit zugleich den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21. September 2011 – XII ZB 263/11
- LG Rostock, Beschluss vom 28.04.2011 – 3 T 76/11 (3) [↩]
- BGH, Beschlüsse vom 18.05.2011 – XII ZB 47/11, FamRZ 2011, 1141 Rn. 12 und vom 13.01.2010 – XII ZB 248/09, FamRZ 2010, 365 Rn. 14 mwN[↩][↩]
- Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann Betreuungsrecht 4. Aufl. § 1906 Rn. 91[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 23.01.2008 – XII ZB 185/07, FamRZ 2008, 866 Rn. 23[↩]
- vgl. BVerfG NJW 2011, 1931 Rn. 98 mwN[↩]