Gläubigerantrag und die Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes

Der Gläubiger muss das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes auch dann glaubhaft machen, wenn er nach Ausgleich seiner Forderung im Eröffnungsverfahren seinen Antrag weiterverfolgen will, weil in einem Zeitraum von zwei Jahren vor der Antragstellung bereits ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners anhängig war.

Gläubigerantrag und die Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes

Der Gläubiger muss das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes auch im Falle einer Fortführung des Verfahrens nach der am 1.01.2011 gemäß Art. 24 Abs. 2 des Haushaltsbegleitgesetzes 20111 in Kraft getretenen Bestimmung des § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO glaubhaft machen2. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO wird der Antrag eines Gläubigers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners nicht allein dadurch unzulässig, dass die Forderung des Gläubigers erfüllt wird, wenn in einem Zeitraum von zwei Jahren vor der Antragstellung bereits ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gestellt worden war.

Diese Bestimmung ist als Ausnahme einer trotz Erfüllung der den Antrag stützenden Forderung fortbestehenden Antragsbefugnis und eines hierdurch veränderten Rechtsschutzinteresses zu verstehen, der das Erfordernis der Glaubhaftmachung eines Insolvenzgrundes gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO unberührt lässt. Dies hat zur Folge, dass im Einzelfall zu prüfen ist, ob die mit Antragstellung erfolgte Glaubhaftmachung eines Insolvenzgrundes auch nach Erfüllung der den Antrag stützenden Forderung fortwirkt oder der Gläubiger den Insolvenzgrund erneut3 glaubhaft machen muss.

Bereits die einschränkende Formulierung, der Antrag werde „nicht allein“ durch den Ausgleich der ihn stützenden Forderung unzulässig, sowie die gemäß § 14 Abs.1 Satz 3 InsO „auch“ erforderliche Glaubhaftmachung des vorangegangenen Antrags auf Insolvenzeröffnung legen das Verständnis nahe, dass § 14 Abs.1 Satz 2 InsO nur auf das Erfordernis einer bestehenden Forderung des Antragstellers verzichtet, die in § 14 Abs.1 Satz 1 InsO bestimmten Zulässigkeitserfordernisse des Rechtsschutzinteresses sowie des Insolvenzgrundes im Übrigen aber unberührt lässt4, zumal das Haushaltsbegleitgesetz 2011 § 14 Abs.1 Satz 1 InsO lediglich ergänzt, inhaltlich aber nicht verändert hat.

Jedenfalls ergibt sich das erforderliche enge Verständnis von § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO als Sonderfall einer trotz Erfüllung der dem Antrag zu Grunde gelegten Forderung fortbestehenden Antragsbefugnis eindeutig aus den Gesetzesmaterialien. Die Begründung zum Haushaltsbegleitgesetz 20115 nennt in Übereinstimmung mit allen zu dieser Bestimmung vorangegangenen Entwurfsbegründungen6 die Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes und das Fortbestehen eines Rechtsschutzinteresses als kumulativ erforderliche Zulässigkeitsvoraussetzungen, wobei an die Prüfung beider Voraussetzungen nach Erfüllung der Forderung des Gläubigers besonders strenge Anforderungen zu stellen sind.

Dieses Verständnis wird auch von dem gesetzgeberischen Ziel getragen, die wirtschaftliche Tätigkeit insolventer Unternehmen einzuschränken und die Zahlungsfähigkeit des Schuldners möglichst früh abzuklären7. So sollen auch die Verluste reduziert werden, die Gläubiger durch Insolvenzanfechtungen in später folgenden Insolvenzverfahren erleiden. Dieses Ziel wird für die Fälle genannt, in denen der Gläubiger zuverlässige Kenntnis über das Vorliegen eines Insolvenzgrundes besitzt8. Gerade in diesen Fällen wird dem Gläubiger die Glaubhaftmachung eines Eröffnungsgrundes aber oftmals möglich sein.

Die Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes muss ohnehin nicht gerade durch Vorlage einer Bescheinigung über einen erfolglosen Vollstreckungsversuch erfolgen; der antragstellende Gläubiger kann den Eröffnungsgrund auch auf andere Weise glaubhaft machen9. Es ist ausreichend, wenn der Gläubiger Indizien glaubhaft macht, die einzeln oder in ihrer Häufung nach der allgemeinen Erfahrung den hinreichend sicheren Schluss auf das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes zulassen10. So stellt die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen ein starkes Indiz dar, welches für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit spricht, weil diese Forderungen in der Regel wegen der drohenden Strafbarkeit gemäß § 266a StGB bis zuletzt bedient werden11. Eine einmal nach außen in Erscheinung getretene Zahlungsunfähigkeit wirkt fort, sie kann nur dadurch wieder beseitigt werden, dass die geschuldeten Zahlungen an die Gesamtheit der Gläubiger wieder aufgenommen werden12.

Die auch im Fall des § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO erforderliche Glaubhaftmachung eines Insolvenzgrundes kann nicht auf eine (nicht erfüllte) sekundäre Darlegungslast des Schuldners für seine Behauptung gestützt werden, der zunächst glaubhaft gemacht gewesene Eröffnungsgrund bestehe nicht13. Im Zulassungsverfahren kann es auf entsprechende Darlegungen des Schuldners nicht ankommen, weil das Insolvenzgericht zunächst nur die Zulässigkeit des Eröffnungsantrags prüft14. Erst nach Zulassung des Antrags erfolgt eine Anhörung des Schuldners mit einer etwaigen Gegenglaubhaftmachung zu dem zulässigkeitsbegründenden Vorbringen nach § 14 Abs. 2 InsO15. Eine sekundäre Darlegungslast des Schuldners kann deshalb nicht angenommen werden.

Unzutreffend ist demgegenüber die Auffassung, die aufgrund der Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge über einen Zeitraum von 16 Monaten bestehende Indizwirkung für die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners16 sei entfallen, weil der Schuldner die Gesamtforderung am 1.06.2011 in einer Summe vollständig ausgeglichen und die Gläubigerin weitere Zahlungsrückstände nicht vorgetragen habe. Die – wie glaubhaft gemacht – einmal nach außen in Erscheinung getretene Zahlungsunfähigkeit kann nur dadurch beseitigt worden sein, dass der Schuldner seine Zahlungen insgesamt wieder aufgenommen hat17. Hierzu hat das Beschwerdegericht, das auf Grundlage seiner Auffassung bislang von einer Anhörung des Schuldners gemäß § 14 Abs. 2 InsO abgesehen hat, nichts festgestellt.

Als Erstantrag im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO sind auch solche Anträge zu berücksichtigen, die bereits vor Inkrafttreten des § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO gestellt wurden18. Es hätte deshalb weiterer Feststellungen dazu bedurft, wann der Erstantrag gestellt worden ist. Dass dies innerhalb der Zweijahresfrist des § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO erfolgte, ist anhand des Aktenzeichens aus 2010 glaubhaft gemacht.

Die Fortführung des Verfahrens kann schließlich auch nicht mit der Begründung ausgeschlossen werden, es fehle der Gläubigerin an einem rechtlichen Interesse an der Aufrechterhaltung ihres Antrags19. Ein derartiges Interesse hat die Gläubigerin im vorliegenden Fall zwar nicht dargelegt und glaubhaft gemacht. Hierauf war die Gläubigerin jedoch zunächst hinzuweisen; ein fortdauerndes Rechtsschutzinteresse bei Sozialversicherungsträgern wird in der Regel anzunehmen sein, wenn der Schuldner weiterhin Arbeitnehmer beschäftigt20

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11. April 2013 – IX ZB 256/11

  1. BGBl. I 2010 S. 1885[]
  2. vgl. auch AG Wuppertal, ZIP 2012, 1090, 1091; AG Wuppertal, ZIP 2012, 1363, 1364; AG Ludwigshafen, BeckRS 2012, 08155; Pape/Uhländer/Zimmer, InsO, § 14 Rn. 17; Beth, NZI 2012, 1; Harder, NJWSpezial 2012, 277 f; Wimmer, jurisPRInsR 23/2010 Anm. 1; aA AG Göttingen, ZInsO 2011, 2090, 2091; HmbKomm-InsO/Wehr, 4. Aufl., § 14 Rn. 72; FKInsO/Schmerbach, 7. Aufl., § 14 Rn. 88j ff; Pape in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2011, § 14 Rn. 136 f; ders., ZInsO 2011, 2154, 2163; Frind, ZInsO 2011, 412, 416; ders. EWiR 2012, 285, 286; Hackländer/Schur, ZInsO 2012, 901 ff[]
  3. vgl. BR-Drucks. 618/05, S. 15 f[]
  4. vgl. AG Köln, ZInsO 2011, 1517, 1518; Beth, NZI 2012, 1, 2; Harder, NJWSpezial 2012, 277 f[]
  5. BT-Drucks. 17/3030, S. 42[]
  6. BR-Drucks. 618/05, S. 15; BT-Drucks. 16/886, S. 11; BT-Drucks. 16/7416, S. 27[]
  7. vgl. BT-Drucks. 17/3030, S. 42; BR-Drucks. 618/05, S. 14; BT-Drucks. 16/886, S. 11[]
  8. vgl. BR-Drucks. 618/05, S. 14; BT-Drucks. 16/886, S. 11; BT-Drucks. 17/3030, S. 42[]
  9. BGH, Beschluss vom 05.02.2004 – IX ZB 29/03, WM 2004, 1686, 1688; vom 23.10.2008 – IX ZB 7/08, WuM 2009, 144 Rn. 3; vom 12.07.2012 – IX ZB 264/11, ZInsO 2012, 1418 Rn. 9[]
  10. MünchKomm-InsO/Schmahl, 2. Aufl., § 14 Rn. 31 mwN; Pape in Kübler/Prütting/Bork, aaO Rn. 87 ff mwN; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 14 Rn. 80 ff[]
  11. BGH, Beschluss vom 13.06.2006 – IX ZB 238/05, WM 2006, 1631 Rn. 6; vom 28.04.2008 – II ZR 51/07, ZInsO 2008, 1019 Rn. 2[]
  12. BGH, Beschluss vom 13.06.2006, aaO Rn. 8[]
  13. so aber AG Köln, ZInsO 2011, 1517; Kadenbach in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, § 14 Rn. 16[]
  14. vgl. HK-InsO/Kirchhof, 6. Aufl., § 14 Rn. 42; Pape, aaO Rn. 1, 149; Uhlenbruck, aaO Rn. 91 ff[]
  15. vgl. Pape, aaO Rn. 1, 155 ff; Uhlenbruck, aaO Rn. 95 ff[]
  16. vgl. BGH, Beschluss vom 13.06.2006, aaO Rn. 6; vom 28.04.2008, aaO Rn. 2[]
  17. vgl. BGH, Beschluss vom 13.06.2006, aaO Rn. 8[]
  18. vgl. LG Leipzig, NZI 2012, 274, 275[]
  19. vgl. BGH, Beschluss vom 12.07.2012 – IX ZB 18/12, WM 2012, 1639 Rn. 7; LG Freiburg, ZInsO 2012, 1232 f.; Nerlich/Römermann/Mönning, InsO, 2012, § 14 Rn. 91 ff.; HmbKomm-InsO/Wehr, 4. Aufl., § 14 Rn. 72; Pape in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2011, § 14 Rn. 130 ff.; Beth, NZI 2012, 1, 2; Marotzke, ZInsO 2011, 841, 848 f.; a.A. Müller/Rautmann, ZInsO 2013, 378, 379 f.[]
  20. BGH, Beschluss vom 12.07.2012, a.a.O., Rn. 7[]