Erlangt ein Gläubiger mehrere Monate nach einem von ihm gegen den Schuldner gestellten Insolvenzantrag durch diesen Befriedigung seiner Forderung und nimmt er anschließend den Antrag zurück, kann die Vorsatzanfechtung unter dem Gesichtspunkt einer inkongruenten Deckung durchgreifen.

Die aufgrund eines Insolvenzantrags erzielte Deckung ist auch außerhalb der gesetzlichen Krise stets inkongruent im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO. Der Insolvenzantrag ist niemals ein geeignetes Mittel, um Ansprüche außerhalb eines Insolvenzverfahrens durchzusetzen. Die dadurch bewirkten Leistungen sind inkongruent, weil sie weder dem Inhalt des Schuldverhältnisses entsprechen noch mit Zwangsmitteln erlangt worden sind, die dem einzelnen Gläubiger zur Durchsetzung seiner Ansprüche vom Gesetz zur Verfügung gestellt werden1. Dem Schuldner, der einen Gläubiger nach gestelltem Insolvenzantrag befriedigt, kommt es nicht in erster Linie auf die Erfüllung seiner gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten an, sondern er will diesen Gläubiger zur Rücknahme des Insolvenzantrags bewegen2.
So verhält es sich auch im hier vom Bundesgerichshof entschiedenen Streitfall: Die Zahlung des Schuldners zielte ersichtlich darauf, die Gläubigerin zur Rücknahme des von ihr gestellten Insolvenzantrags zu veranlassen. Dabei nahm der Schuldner in Kauf, infolge der zugunsten der Gläubigerinn bewirkten Zahlung künftige Gläubiger nicht befriedigen zu können3. Folglich war die Zahlung von einem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners getragen.
Diesen Benachteiligungsvorsatz hat die Gläubigerin erkannt.
Eine inkongruente Deckung bildet ein Beweisanzeichen für die Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes, wenn die Wirkungen der Rechtshandlung zu einem Zeitpunkt eintraten, als zumindest aus der Sicht des Empfängers der Leistung Anlass bestand, an der Liquidität des Schuldners zu zweifeln4.
Derartige Zweifel an der Liquidität des Schuldners waren ungeachtet seiner mündlichen Erklärung, die Gläubigerin als letzte seiner Gläubiger zu befriedigen, weiter gegeben. Schon mit Rücksicht auf den seit Antragstellung bis zur Zahlung verstrichenen Zeitraum von sieben Monaten musste die Gläubigerin zu der Erkenntnis gelangen, dass der Schuldner weiterhin außerstande war, seine fälligen Verbindlichkeiten binnen drei Wochen zu begleichen, und deshalb eine Zahlungseinstellung nahelag5. Angesichts des von dem Schuldner über einen längeren Zeitraum vor sich hergeschobenen Forderungsrückstands6 war eine Befriedigung sämtlicher Gläubiger zu einem bestimmten Stichtag, ohne dass sich die liquiditätsbestimmenden Rahmenbedingungen geändert hätten, nicht geeignet, die bestehenden Zweifel an der Liquidität des Schuldners auszuräumen. Da der Schuldner die Gläubigerin mit Hilfe der Zahlung zu einer Antragsrücknahme drängte, konnte diese nicht die Erwartung hegen, dass der Antrag – wäre er aufrechterhalten worden – mangels eines Insolvenzgrundes abgewiesen worden wäre. Vor diesem Hintergrund konnte sich die Gläubigerin jedenfalls Zweifeln an der Liquidität des Schuldners nicht verschließen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. Oktober 2012 – IX ZR 117/11
- BGH, Urteil vom 18.12.2003 – IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242, 247[↩]
- BGH, Urteil vom 08.12.2005 – IX ZR 182/01, ZInsO 2006, 94 Rn. 21[↩]
- BGH, Urteil vom 13.08.2009 – IX ZR 159/06, WM 2009, 1943 Rn. 5[↩]
- BGH, Urteil vom 18.12.2003, aaO, S. 251; vom 05.06.2008 – IX ZR 163/07, WM 2008, 1459 Rn.19[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 30.06.2011 – IX ZR 134/10, WM 2011, 1429 Rn. 12[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 30.06.2011, aaO, Rn. 16[↩]