Gläubigersicherung, Insolvenzanfechtung und Benachteiligungsvorsatz

Das einen Benachteiligungsvorsatz und dessen Kenntnis nahelegende Beweisanzeichen der Inkongruenz setzt voraus, dass ernsthafte Zweifel an der Liquiditätslage des Schuldners bestehen. Ein Benachteiligungsvorsatz und dessen Kenntnis kann nicht allein aus dem Umstand hergeleitet werden, dass der Schuldner seinem Gläubiger eine sofort bei Bestellung und nicht erst im Insolvenzfall wirksame Sicherung gewährt.

Gläubigersicherung, Insolvenzanfechtung und Benachteiligungsvorsatz

Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können – weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt – meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Soweit dabei Rechtsbegriffe betroffen sind, muss deren Kenntnis außerdem oft aus der Kenntnis von Anknüpfungstatsachen erschlossen werden. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass solche Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung hat der Tatrichter gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen1. Im Streitfall kommen die Beweisanzeichen der Inkongruenz einer Deckung2 sowie der gezielten Gewährung eines Sondervorteils für den Insolvenzfall3 in Betracht.

Das die Schlussfolgerung auf einen Benachteiligungsvorsatz gestattende Beweisanzeichen der Inkongruenz sah der Bundesgerichtshof im vorliegend entschiedenen Fall als nicht verwirklicht: Zwar hat der Kläger durch die Bestellung einer Grundschuld seitens der Schuldnerin eine inkongruente Deckung erlangt.

Die Gewährung einer Sicherheit ist nur dann kongruent, wenn der Sicherungsnehmer einen Anspruch auf gerade diese Sicherheit hatte. Wird ein Anspruch auf Sicherung in demselben Vertrag eingeräumt, durch den der gesicherte Anspruch selbst entsteht, liegt in der späteren Gewährung der Sicherheit keine inkongruente Deckung, weil von Anfang an ein Anspruch auf die Sicherung bestand. Wird hingegen eine bereits bestehende Verbindlichkeit nachträglich besichert, kann darin eine inkongruente Deckung liegen. Inkongruent ist also eine nach Entstehen einer Verbindlichkeit gewährte Sicherung4. Im Streitfall erweist sich die Gewährung der Grundschuld als inkongruent, weil dem Kläger aus der ursprünglichen Pensionszusage kein Anspruch auf eine Sicherung – weder im Blick auf die zunächst verpfändeten Versicherungen noch die hier in Rede stehende Grundschuld – zustand und es sich deshalb um eine nachträgliche Besicherung handelt5.

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Das Beweisanzeichen der Inkongruenz greift hier jedoch nicht durch, weil im Zeitpunkt der Grundschuldgewährung keine Zweifel an der Liquidität der Schuldnerin bestanden.

Eine inkongruente Deckung bildet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann ein Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und für die Kenntnis des Gläubigers von diesem Vorsatz, wenn die Wirkungen der Rechtshandlung zu einem Zeitpunkt eintraten, als zumindest aus der Sicht des Empfängers der Leistung Anlass bestand, an der Liquidität des Schuldners zu zweifeln6. Die Einstufung einer inkongruenten Deckung als Beweisanzeichen eines Benachteiligungsvorsatzes beruht darauf, dass nach allgemeiner Erfahrung im Geschäftsverkehr Schuldner regelmäßig nicht bereit sind, anderes oder gar mehr zu leisten als sie schulden, und eine solche Begünstigung folglich bei dem Empfänger den Verdacht wecken muss, dass wegen seiner Bevorzugung für andere Gläubiger entsprechend weniger übrigbleibt7. Verdächtig wird die Inkongruenz – in Abkehr früherer Rechtsprechung8 – allerdings erst, sobald ernsthafte Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des Schuldners auftreten, die Gegenmaßnahmen gut informierter und durchsetzungskräftiger Gläubiger auslösen, welche in einer späteren Insolvenz die Gleichbehandlung aller Gläubiger durchbrechen. Der auslösende Umstand für die von einer inkongruenten Deckung vermittelte Indizwirkung liegt danach in einer ernsthaften Besorgnis bevorstehender Zahlungskürzungen oder stockungen des Schuldners, weil sich damit die Gefährdung der anderen, nicht in gleicher Weise begünstigten Gläubiger aufdrängt9.

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Die Inkongruenz der Deckung allein stellt kein ausreichendes Beweisanzeichen für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin dar, wenn es – wie hier – an einer finanziell beengten Lage fehlt10.

Ein Benachteiligungsvorsatz kann nicht aus der gezielten Gewährung eines Sondervorteils für den Insolvenzfall hergeleitet werden, weil die hier eingeräumte Sicherung unabhängig von einer Verfahrenseröffnung Bestand hatte.

Eine Vereinbarung, die Nachteile für das Schuldnervermögen erst im Insolvenzfall begründet, gestattet den Schluss auf einen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und seine Kenntnis bei dem Anfechtungsgegner11. Die gezielte Gewährung eines Sondervorteils gerade für den Insolvenzfall muss zwangsläufig die Rechte der anderen Gläubiger schmälern und begründet darum nach allgemeiner Erfahrung den Schluss auf einen entsprechenden Willen12. In dieser Weise verhält es sich, sofern eine besondere Sicherung aufschiebend bedingt gerade für den Fall der Insolvenz des Schuldners vereinbart wird13, um bei Insolvenzreife dem Sicherungsnehmer Sicherungsgut zu verschaffen und damit den übrigen Gläubigern zu entziehen14.

Eine derartige Gestaltung ist hier nicht gegeben.

Dem Kläger wurde mit der Grundschuld eine sofort gültige und nicht erst im Insolvenzfall wirksame Sicherung gewährt, auf die er ungeachtet einer Insolvenz der Schuldnerin zugreifen konnte. Da die Sicherung außerhalb einer Insolvenz der Schuldnerin verwertet werden konnte, brauchte der Kläger nicht mit einer erst durch die Verfahrenseröffnung bedingten Gläubigerbenachteiligung zu rechnen. Der Umstand, dass Sicherungen vor allem bei Zahlungsschwierigkeiten des Sicherungsgebers wirtschaftlich bedeutsam werden, begründet nicht die Vermutung, dass eine Gläubigerbenachteiligung gewollt war und dies von dem Sicherungsnehmer erkannt wurde. Bei einer sofort wirksamen und unbedingten Sicherheitenbestellung kann ein Benachteiligungsvorsatz und dessen Kenntnis nur angenommen werden, wenn die Beteiligten den Eintritt einer Insolvenz während der Dauer des Sicherungsgeschäfts konkret für wahrscheinlich halten15. Dafür ist im Streitfall jedoch nichts ersichtlich.

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Diese Würdigung beruht auf der Erkenntnis, dass wirksam (vgl. § 81 Abs. 1, §§ 88, 91 Abs. 1 und 2 InsO) begründete dingliche Sicherungen, die dem Schutz des Gläubigers gegen wirtschaftliche Schwierigkeiten seines Schuldners dienen, auch und gerade in der Insolvenz beachtlich sind und den Gläubiger gemäß §§ 49 ff InsO zur abgesonderten Befriedigung berechtigen. Zwar kann die Gewährung einer Sicherung wie die Befriedigung der Insolvenzanfechtung unterliegen (vgl. §§ 130, 131 InsO). Das gilt auch für den Anwendungsbereich des § 133 Abs. 1 InsO16. Bei der Auslegung der einschlägigen Vorschriften ist aber zu beachten, dass Absonderungsrechte dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG unterstehen17. Fehlt es an Beweisanzeichen eines Benachteiligungsvorsatzes, können Sicherungsgeschäfte nicht für die Dauer von zehn Jahren der Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO unterstellt werden18, nur weil sie regelmäßig erst in der Krise wirtschaftlich bedeutsam werden. Würde die Vorsatzanfechtung des § 133 Abs. 1 InsO bereits allein deswegen durchgreifen, weil die Sicherung auch für den Insolvenzfall gewährt wurde, wären sämtliche innerhalb der Anfechtungsfrist von zehn Jahren bestellten Sicherungen – insbesondere auch bei einem ernsthaften, letztlich aber fehlgeschlagenen Sanierungsversuch19 – nach Verfahrenseröffnung ohne weiteres anfechtbar. Als Folge der damit verbundenen Aushöhlung der Absonderungsrechte wäre zu befürchten, dass die Bereitschaft zur Kreditgewährung in Ermangelung anfechtungsfester Sicherungen nachhaltig beeinträchtigt würde20. Dies entspricht indessen nicht der Vorstellung des Gesetzgebers, der anknüpfend an die Vorläuferregelungen der Konkursordnung mit der institutionellen Garantie der Absonderungsrechte21 die zivilrechtliche Haftungsordnung auch bei der Verwertung des Schuldnervermögens22 und mithin ein Sicherungsbedürfnis der Gläubiger grundsätzlich auch für den Insolvenzfall anerkannt hat23. Vor diesem Hintergrund ist für eine Vorsatzanfechtung kein Raum, wenn es sich – wie vorliegend – um ein übliches, nicht vor dem Hintergrund einer konkreten Insolvenzgefahr abgeschlossenes Sicherungsgeschäft handelt.

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. November 2013 – IX ZR 248/12

  1. BGH, Urteil vom 13.08.2009 – IX ZR 159/06, WM 2009, 1943 Rn. 8; vom 01.07.2010 – IX ZR 70/08, WM 2010, 1756 Rn. 9; vom 26.04.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 Rn.20; vom 10.01.2013 – IX ZR 28/12, NZI 2013, 253 Rn. 27[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 08.12.2011 – IX ZR 156/09, WM 2012, 146 Rn. 18; vom 08.03.2012 – IX ZR 51/11, WM 2012, 857 Rn. 41[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 19.04.2007 – IX ZR 59/06, WM 2007, 1218 Rn. 27[]
  4. BGH, Urteil vom 18.03.2010 – IX ZR 57/09, WM 2010, 851 Rn. 16[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 18.07.2013 – IX ZR 219/11, WM 2013, 1565 Rn. 34[]
  6. BGH, Urteil vom 18.12.2003 – IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242, 251; vom 05.06.2008 – IX ZR 163/07, WM 2008, 1459 Rn.19; vom 25.10.2012 – IX ZR 117/11, WM 2012, 2251 Rn. 13; vom 06.12.2012 – IX ZR 3/12, WM 2013,174 Rn. 46; vom 18.07.2013, aaO Rn. 33[]
  7. BGH, Urteil vom 30.09.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320, 326; vom 30.01.1997 – IX ZR 89/96, ZIP 1997, 513, 515[]
  8. vgl. BGH, Urteil vom 30.01.1997, aaO[]
  9. BGH, Urteil vom 18.03.2010 – IX ZR 57/09, WM 2010, 851 Rn. 15; vom 21.01.1999 – IX ZR 329/97, ZIP 1999, 406, 407[]
  10. BGH, Urteil vom 07.05.2013 – IX ZR 113/10, WM 2013, 1361 Rn. 10[]
  11. BGH, Beschluss vom 26.04.2012 – IX ZR 73/11, WM 2012, 1079 Rn. 8[]
  12. BGH, Urteil vom 11.11.1993 – IX ZR 257/92, BGHZ 124, 76, 82; vom 19.04.2007 – IX ZR 59/06, WM 2007, 1218 Rn. 27[]
  13. BGH, Urteil vom 18.02.1993 – IX ZR 129/92, ZIP 1993, 521, 522[]
  14. BGH, Urteil vom 02.04.1998 – IX ZR 232/96, WM 1998, 1037, 1042[]
  15. vgl. BGH, Urteil vom 10.07.1997 – IX ZR 161/96, ZIP 1997, 1596, 1600, insoweit in BGHZ 136, 220 nicht abgedruckt; MünchKomm-InsO/Kayser, 3. Aufl., § 133 Rn. 28[]
  16. vgl. nur BGH, Urteil vom 18.03.2010 – IX ZR 57/09, WM 2010, 851 Rn. 13, 16[]
  17. BGH, Urteil vom 01.12.2011 – IX ZR 11/11, BGHZ 192, 9 Rn. 16[]
  18. vgl. BGH, Urteil vom 05.03.2009 – IX ZR 85/07, BGHZ 180, 98 Rn. 13[]
  19. vgl. BGH, Urteil vom 21.02.2013 – IX ZR 52/10, WM 2013, 763 Rn. 11 mwN[]
  20. vgl. Jaeger/Henckel, InsO, Rn. 4 vor §§ 49 bis 52; Schmidt/Thole, InsO, 18. Aufl., § 49 Rn. 1[]
  21. MünchKomm-InsO/Ganter, 3. Aufl., Vor §§ 49 bis 52 Rn. 9[]
  22. BT-Drucks. 12/2443, S. 78 f[]
  23. MünchKomm-InsO/Ganter, aaO Rn. 10; vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 125; kritisch Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 18.07[]
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