Die Berichtigung des Grundbuchs erfolgt auf Grund eines Unrichtigkeitsnachweises nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GBO, wenn das Versorgungsunternehmen seinen Antrag auf Berichtigung des Grundbuchs nicht auf eine Bewilligung des Betroffenen nach § 19 GBO i.V.m. § 8 Abs. 1 SachenR-DV stützt, sondern eine Berichtigung gemäß dem Inhalt einer von der Aufsichtsbehörde erstellten Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung1 verlangt2.

Nach der Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung des Landkreises ist für das Berichtigungsverfahren nach § 22 GBO davon auszugehen, dass an dem Grundstück zunächst nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Abs. 5 GBBerG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe b SachenR-DV kraft Gesetzes außerhalb des Grundbuchs eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit des Antragstellers entstanden ist.
Für das Berichtigungsverfahren nach § 22 Abs. 1 GBO ersetzt die Bescheinigung der Aufsichtsbehörde den sonst in der Form des § 29 GBO zu führenden Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs2.
Der Bescheinigung der Behörde kommt für den Nachweis des Entstehens einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zwar keine materiellrechtliche3, aber eine bindende Wirkung für das Berichtigungsverfahren vor dem Grundbuchamt zu4. Für die Eintragung der Berichtigung ist die von der Behörde ausgestellte Bescheinigung ausreichend5. Der Eigentümer, der der Erteilung der Bescheinigung nicht widersprochen hat, wird auf die Klage auf Berichtigung des Grundbuchs nach § 894 BGB verwiesen (§ 9 Abs. 5 Satz 4 GBBerG), wobei das Unternehmen dann allerdings die Beweislast für die Richtigkeit des von der Behörde bescheinigten Lagenachweises trägt (§ 9 Abs. 5 Satz 5 GBBerG).
Das Grundbuch ist in Ansehung des außerhalb des Grundbuchs entstandenen Rechts nur dann unrichtig, wenn dieses Recht im Zeitpunkt des Eingangs des Berichtigungsantrags noch besteht. Ein Antragsteller, der eine Berichtigung des Grundbuchs nach § 22 Abs. 1 GBO beantragt, hat – mit Ausnahme ganz entfernt liegender, theoretischer Möglichkeiten – lückenlos alles auszuräumen, was der begehrten berichtigenden Eintragung entgegenstehen könnte6. Dazu gehört insbesondere auch die Möglichkeit eines lastenfreien gutgläubigen Erwerbs7.
Die außerhalb des Grundbuchs entstandenen, jedoch nicht gebuchten beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten der Versorgungsunternehmen können durch einen gutgläubig lastenfreien Erwerb des Grundstücks nach § 9 Abs. 1 Satz 2 GBBerG i.V.m. § 892 Abs. 1 Satz 1 BGB erlöschen, wenn der Antrag auf Eintragung der Umschreibung des Eigentums nach dem 31.12 2010 gestellt wird. Die Anlagen- und Leitungsdienstbarkeiten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 GBBerG sind – anders als die vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestehenden Grunddienstbarkeiten nach Art. 187 Abs. 1 EGBGB – nämlich nicht auf Dauer, sondern nur für eine befristete Zeit von dem Buchungszwang zur Erhaltung ihrer Wirksamkeit gegenüber dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs befreit worden8.
Der Anlage- und Leitungsrechtsbescheinigung der Aufsichtsbehörde kommt keine Bedeutung für die Entscheidung der Frage zu, ob die außerhalb des Grundbuchs entstandene Dienstbarkeit (§ 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 GBBerG i.V.m. § 1 SachenR-DV) durch einen gutgläubigen Erwerb nach § 892 Abs. 1 Satz 1 BGB wieder erloschen ist. Die Bescheinigung gibt nämlich nur über das Entstehen, aber nicht über das mögliche Erlöschen der Dienstbarkeit Auskunft. Der Inhalt der Bescheinigung der Behörde nach § 9 Abs. 4 GBBerG reicht nicht über das hinaus, was nach § 7 Abs. 2 SachenR-DV Gegenstand der Prüfung der Behörde ist. Das sind die der Behörde von dem Versorgungsunternehmen vorzulegenden Unterlagen über den Verlauf der Leitungen, die von diesem betroffenen Grundstücke, die Nutzung der Anlage am 3.10.1990 sowie den Betrieb der Anlage am 25.12 1993. Ob über das belastete Grundstück zwischenzeitlich verfügt worden und ob der Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung nach dem für den Schutz des guten Glaubens maßgeblichen Stichtag, dem 31.12 2010, bei dem Grundbuchamt eingegangen ist, unterliegt nicht der behördlichen Prüfung. Diese Frage kann und muss das Grundbuchamt auf Grund der ihm vorliegenden Eintragungsunterlagen selbst entscheiden9.
Ein gutgläubig lastenfreier Erwerb nach § 892 Abs. 1 BGB ist hier möglich, weil im Februar 2012 – somit nach dem Ablauf der Schutzfrist für die nicht gebuchten Rechte – ein Antrag auf Umschreibung des Eigentums in Vollzug eines notariellen Kaufvertrags bei dem Grundbuchamt einging, die zwei Tage später erfolgte.
Kommt ein gutgläubig lastenfreier Erwerb gemäß § 892 Abs. 1 BGB in Betracht, darf das Grundbuchamt das nicht gebuchte Recht im Wege der Grundbuchberichtigung nach § 22 Abs. 1 GBO nur eintragen, wenn der Antragsteller nachweist, dass der Erwerber die Unrichtigkeit des Grundbuchs positiv kannte10. So etwas hat der Antragsteller weder vorgetragen noch den Nachweis dafür in der erforderlichen Form des § 29 Abs. 1 GBO11 geführt. Der Eintragungsantrag ist daher mangels Nachweises der Unrichtigkeit des Grundbuchs wegen der Möglichkeit eines gutgläubig lastenfreien Erwerbs zurückzuweisen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23. Juli 2015 – V ZB 1/14
- vgl. BGH, Beschluss vom 24.11.2005 – V ZB 94/05, BGHZ 165, 119, 122[↩]
- vgl. OLG Jena, FGPrax 2012, 55, 56; Beschluss vom 29.08.2011 – 9 W 356/11 10; Böhringer, Rpfleger 2002, 186, 188; ders., Rpfleger 2011, 409, 410[↩][↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 09.05.2014 – V ZR 176/13, NJW 2014, 2959 Rn. 9 f.[↩]
- vgl. OLG Jena, FGPrax 2012, 55, 66; Beschluss vom 30.05.2012 – 9 W 240/12 3[↩]
- BT-Drs. 12/6228, 78[↩]
- BayObLGZ 1985, 225, 228, KG, KGR 2004, 544; OLG Hamm, OLGZ 1989, 9, 10[↩]
- BayObLGZ 1985, 401, 402; 1995, 413, 416; KG, Rpfleger 1973, 21, 23[↩]
- vgl. BT-Drs. 12/6228, S. 75, 76; Böhringer, ZfIR 2011, 409; Schmidt-Räntsch, ZfIR 2011, 625, 631[↩]
- vgl. KG, GWF/Recht und Steuern 2012, 43; OLG Brandenburg, NJW-RR 2015, 15; OLG Jena, FGPrax 2012, 55, 56[↩]
- BayObLGZ 1985, 401, 402[↩]
- BayObLGZ 1971, 336, 339; 1985, 225, 228; 1885, 401, 402[↩]