Grunddienstbarkeit – und die Pflicht zur Übernahme einer Baulast

Aus dem als gesetzliche Folge der Bestellung einer Grunddienstbarkeit entstandenen Begleitschuldverhältnis kann sich ergeben, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks auch eine (deckungsgleiche) Baulast übernehmen muss. Eine solche Verpflichtung setzt unter anderem voraus, dass die Grunddienstbarkeit nach ihrem Inhalt und Umfang die von einer Bebauung herrührenden Nutzungen umfasst, was bei einem uneingeschränkten Geh- und Fahrtrecht regelmäßig anzunehmen ist; es ist nicht erforderlich, dass die Grunddienstbarkeit zu dem Zweck bestellt wurde, die Bebauung des herrschenden Grundstücks zu ermöglichen1.

Grunddienstbarkeit – und die Pflicht zur Übernahme einer Baulast

In dem hier vom Bundesgerichtshof entscheidenen Fall streiten sich zwei Eigentümer benachbarter Grundstücke, die durch mehrere Teilungen eines ursprünglich einheitlichen Grundstücks entstanden sind. Die Grundstücke der Klägerin haben keine eigene Anbindung an eine öffentliche Straße. Diese erfolgt über das vordere Flurstück 4452/3 des Beklagten, das aus der ersten Grundstücksteilung im Jahr 1928 hervorgegangen ist. Es wurde damals mit einer Grunddienstbarkeit in Form eines Geh- und Fahrtrechts belastet, und zwar zugunsten der heutigen Grundstücke der Klägerin (Flurstücke 4452, 4452/12 und 4452/13), die 1937 durch eine zweite Teilung des Restgrundstücks entstanden sind. Das Flurstück 4452 der Klägerin ist seit ungefähr 1938 mit einem Wohnhaus bebaut; ihre Flurstücke 4452/12 und 4452/13 sind unbebaut. Die 1928 bestehende Umgebungsbebauung der Grundstücke ist nicht bekannt. Heute ist die umliegende Bebauung durch größere Zwei- und Dreifamilienhäuser geprägt. Die Klägerin beabsichtigt, auf dem bislang unbebauten Flurstück 4452/12, für das kein Bebauungsplan existiert, ein Wohnhaus zu errichten. Über den Umfang der geplanten Bebauung besteht zwischen den Parteien Streit.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von ihrem beklagten Nachbarn mit einem Haupt- und einem Hilfsantrag die Abgabe einer Baulasterklärung zugunsten ihrer drei Grundstücke. Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Offenburg hat die Klage abgewiesen2, das Oberlandesgericht Karlsruhe die Berufung der Klägerin zurückgewiesen3. Das Oberlandesgericht Karlsruhe verneint einen Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Übernahme einer Baulast als Nebenpflicht aus dem durch eine Grunddienstbarkeit begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis. Zwar ermögliche die Grunddienstbarkeit eine Wohnbebauung der Grundstücke der Klägerin. Das sei für einen Anspruch auf Baulastübernahme aber nicht ausreichend. Vielmehr müsse bei Bestellung der Grunddienstbarkeit eine künftige Bebauung des herrschenden Grundstücks bezweckt gewesen sein. Andernfalls könne die Nebenpflicht, Jahre oder Jahrzehnte nach Einräumung der Grunddienstbarkeit eine Baulast zu übernehmen, für den Eigentümer des dienenden Grundstücks eine erhebliche und überraschende Belastung darstellen. Erforderlich sei damit eine zweistufige Prüfung. Erstens müsse die Grunddienstbarkeit eine bauliche Nutzung des herrschenden Grundstücks ermöglichen. Zweitens müsse positiv festgestellt werden, dass die Grunddienstbarkeit für jeden erkennbar zum Zwecke der baulichen Nutzung bewilligt worden sei. Die zweite Voraussetzung sei nicht erfüllt. Es lasse sich nicht feststellen, dass mit der Bewilligung der Grunddienstbarkeit im Jahr 1928 der Zweck verfolgt worden sei, die bauliche Nutzung des herrschenden Grundstücks zu ermöglichen. Es könne somit offenbleiben, ob die Klage in Bezug auf die Flurstücke 4452 und 4452/13 auch daran scheitere, dass die Übernahme einer Baulast keine zwingende Voraussetzung für deren Bebauung darstelle.

Auf die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision der Klägerin hob der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil auf und verwies den Rechtsstreit zurück an das Oberlandesgericht Karlsruhe; mit der vom Oberlandesgericht Karlsruhe gegebenen Begründung könne ein Anspruch der Klägerin auf Abgabe der beantragten Baulasterklärung nicht verneint werden:

Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Oberlandesgerichts Karlsruhe.

Weiterlesen:
Herausgabevollstreckung durch den Insolvenzverwalter

Aus dem als gesetzliche Folge der Bestellung einer Grunddienstbarkeit entstandenen Begleitschuldverhältnis kann sich ergeben, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks auch eine (deckungsgleiche) Baulast übernehmen muss. Voraussetzung hierfür ist, dass eine beiderseitige Interessenabwägung einen Vorrang des Grunddienstbarkeitsberechtigten ergibt. Dabei hat der Bundesgerichtshof bisher dahingehend formuliert, dass darauf abzustellen ist, ob die Grunddienstbarkeit zu dem Zweck bestellt wurde, das Grundstück des Berechtigten baulich zu nutzen, ob die Übernahme der Baulast zwingende Voraussetzung für die Bebauung des Grundstücks ist, ob eine Befreiung von dem Baulastzwang in Betracht kommt, ob bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit Anlass bestand, bereits die Übernahme einer Baulast zu erwägen, und schließlich, ob Inhalt und Umfang der geforderten Baulast der Dienstbarkeit entsprechen4.

Ob ein Anspruch auf Übernahme einer Baulast besteht, bestimmt danach das durch die Grunddienstbarkeit begründete gesetzliche Schuldverhältnis. Dieses hat dienende Funktion und umfasst die das Nutzungsrecht begleitenden Pflichten des aus der Dienstbarkeit Berechtigten5, aber auch entsprechende Pflichten des Eigentümers des belasteten Grundstücks6. Das gesetzliche Begleitschuldverhältnis kann Nebenpflichten, auch zu einem positiven Tun, auch über den genannten, im Gesetz ausdrücklich geregelten Umfang (§§ 1020 bis 1023 BGB) hinaus begründen, weil für den Dienstbarkeitsumfang das jeweilige Bedürfnis des Berechtigten maßgebend ist. Wächst dieses nachträglich, so wird dadurch der Umfang der sich aus der Dienstbarkeit ergebenden Rechte und Pflichten erweitert, sofern sich die Steigerung in den Grenzen einer der Art nach gleichbleibenden Benutzung des dienenden Grundstücks hält und nicht auf eine unvorhersehbare willkürliche Änderung in der Benutzung des herrschenden Grundstücks zurückzuführen ist. Die Abgrenzung der aus der Grunddienstbarkeit und dem hierdurch begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis hergeleiteten Rechten und Pflichten beruht im Kern auf einer Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen und damit auf dem Grundsatz von Treu und Glauben7.

Die das Nutzungsrecht begleitenden Pflichten der beteiligten Grundstückseigentümer ergeben sich daher aus dem Inhalt und dem Umfang der bestellten Grunddienstbarkeit. Ein Anspruch auf Einräumung einer Baulast lässt sich aus dem Begleitschuldverhältnis nur ableiten, wenn die Grunddienstbarkeit nach ihrem Inhalt und Umfang die Nutzungen erfasst, die durch die Bebauung des herrschenden Grundstücks hervorgerufen werden; hiervon geht auch das Oberlandesgericht Karlsruhe aus.

Inhalt und Umfang einer zeitlich unbegrenzten Dienstbarkeit liegen nicht in jeder Beziehung von vornherein für alle Zeiten fest, sondern sind gewissen Veränderungen unterworfen, die sich aus der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung ergeben. Insbesondere kann der Umfang einer Dienstbarkeit mit dem Bedürfnis des herrschenden Grundstücks wachsen, wenn sich die Bedarfssteigerung in den Grenzen einer der Art nach gleichbleibenden Benutzung dieses Grundstücks hält und nicht auf eine zur Zeit der Dienstbarkeitsbestellung nicht vorhersehbare oder auf eine willkürliche Benutzungsänderung zurückzuführen ist8. Anders ist es, wenn der Inhalt der Grunddienstbarkeit festgelegt ist.

Diese Grundsätze gelten auch für den Inhalt eines Wegerechts, wie er sich aus dem Wortlaut und Sinn der Grundbucheintragung und der nach § 874 BGB in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt. Umstände außerhalb dieser Urkunden dürfen insoweit mit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind9.

Ist das Wegerecht für eine bestimmte Nutzungsart des herrschenden Grundstücks vereinbart, erlaubt es eine davon abweichende Nutzung nicht10. Eine Beschränkung des Wegerechts beispielsweise auf land- und forstwirtschaftliche Zwecke steht einer baulichen Veränderung für eine Wohnnutzung des herrschenden Grundstücks entgegen. Dies dient vorrangig den Interessen des Grunddienstbarkeitsverpflichteten11. Ein Anspruch auf Übernahme einer Baulast zu der Ermöglichung einer Wohnbebauung ist dann ausgeschlossen. Für eine solche Beschränkung des Wegerechts bedarf es eindeutiger Anhaltspunkte12; der Verpflichtete trägt die Darlegungs- und Beweislast13.

Weiterlesen:
Vorsicht frei rollender Einkaufswagen!

Anders ist es bei einem auf Dauer eingeräumten Wegerecht, bei dem aus der Eintragung im Grundbuch und der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung auf einen von Nutzungsart und umfang des herrschenden Grundstücks unabhängigen Umfang der Dienstbarkeit geschlossen werden kann14. Ein uneingeschränktes Geh- und Fahrtrecht sichert die Zuwegung grundsätzlich für jede zulässige Nutzung des herrschenden Grundstücks15. Dazu gehört – wie das Oberlandesgericht Karlsruhe zutreffend sieht – die bauliche Nutzung des herrschenden Grundstücks16. Bedarfssteigerungen kann der Eigentümer des dienenden Grundstücks nicht bereits deshalb abwehren, weil sich die Art der Grundstücksnutzung aufgrund der Bebauung des herrschenden Grundstücks ändert. Die Grenze liegt in einer willkürlichen Benutzungsänderung. Ist das herrschende Grundstück bei Bestellung unbebaut, gestattet das Wegerecht nur Nutzungen infolge einer Bebauung, die vorhersehbar ist. Das ist anzunehmen, wenn das Grundstück in einem Gebiet liegt, in dem mit einer baulichen Erschließung, wenn auch langfristig, zu rechnen ist17. Wandelt sich die Bebauung der Umgebungsgrundstücke, wie es z.B. in Stadtrandlagen der Fall sein kann, nimmt das Wegerecht an dieser Entwicklung teil.

Um ein uneingeschränktes Wegerecht handelt es sich hier; die dahingehende Auslegung des Oberlandesgerichts Karlsruhe hält der – revisionsrechtlich uneingeschränkten18 – Nachprüfung stand.

Anders als das Oberlandesgericht Karlsruhe meint, kommt es nicht zusätzlich auf die mit der Bestellung des dinglichen Rechts verfolgten Absichten der Parteien der Bestellungsurkunde an. Wenn und soweit der Inhalt eines uneingeschränkten Wegerechts die Bebauung des herrschenden Grundstücks ermöglicht, muss für den Anspruch auf Einräumung einer Baulast – auch wenn die bisherige Bundesgerichtshofsrechtsprechung so verstanden werden kann – nicht zusätzlich festgestellt werden, dass die Grunddienstbarkeit zu dem Zweck bestellt wurde, die Bebauung des herrschenden Grundstücks zu ermöglichen.

Allerdings hat der Bundesgerichtshof das Kriterium des mit der Bestellung der Grunddienstbarkeit verfolgten Zwecks der baulichen Nutzung als erste Voraussetzung für den Anspruch auf Einräumung der Baulast formuliert19 und in ständiger Rechtsprechung aufgegriffen . Der Begriff des „Zwecks“ ist aber missverständlich und in der Sache nie tragend geworden. Der Bundesgerichtshof hat ihn im Rahmen der Interessenabwägung auch nicht im Sinne einer finalen Bestimmung verstanden. Er hat nämlich nicht die subjektiven Vorstellungen der Beteiligten bei der Bestellung der Dienstbarkeit, sondern – wie stets bei der Auslegung eines dinglichen Rechts – den Inhalt der Grunddienstbarkeit geprüft, wie er sich aus dem Grundbuch ergibt. In einer Entscheidung hat der Bundesgerichtshof deshalb ausdrücklich offengelassen, ob es für den Anspruch auf Einräumung der Baulast darauf ankommt, dass bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit die künftige Bebauung bezweckt war, oder ob es ausreicht, wenn sie nur – mittelbar – objektiv ermöglicht wurde20.

Um ein uneingeschränktes Wegerecht handelt es sich hier; die dahingehende Auslegung des Oberlandesgerichts Karlsruhe hält der – revisionsrechtlich uneingeschränkten18 – Nachprüfung stand und wird von der Revision als ihr günstig hingenommen.

Weiterlesen:
Wiedereinsetzung - und der Vortrag des Prozessbevollmächtigten

Anders als das Oberlandesgericht Karlsruhe meint, kommt es nicht zusätzlich auf die mit der Bestellung des dinglichen Rechts verfolgten Absichten der Parteien der Bestellungsurkunde an. Wenn und soweit der Inhalt eines uneingeschränkten Wegerechts die Bebauung des herrschenden Grundstücks ermöglicht, muss für den Anspruch auf Einräumung einer Baulast – auch wenn die bisherige Bundesgerichtshofsrechtsprechung so verstanden werden kann – nicht zusätzlich festgestellt werden, dass die Grunddienstbarkeit zu dem Zweck bestellt wurde, die Bebauung des herrschenden Grundstücks zu ermöglichen.

Allerdings hat der Bundesgerichtshof das Kriterium des mit der Bestellung der Grunddienstbarkeit verfolgten Zwecks der baulichen Nutzung als erste Voraussetzung für den Anspruch auf Einräumung der Baulast formuliert19 und in ständiger Rechtsprechung aufgegriffen. Der Begriff des „Zwecks“ ist aber missverständlich und in der Sache nie tragend geworden. Der Bundesgerichtshof hat ihn im Rahmen der Interessenabwägung auch nicht im Sinne einer finalen Bestimmung verstanden. Er hat nämlich nicht die subjektiven Vorstellungen der Beteiligten bei der Bestellung der Dienstbarkeit, sondern – wie stets bei der Auslegung eines dinglichen Rechts – den Inhalt der Grunddienstbarkeit geprüft, wie er sich aus dem Grundbuch ergibt. In einer Entscheidung hat der Bundesgerichtshof deshalb ausdrücklich offengelassen, ob es für den Anspruch auf Einräumung der Baulast darauf ankommt, dass bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit die künftige Bebauung bezweckt war, oder ob es ausreicht, wenn sie nur – mittelbar – objektiv ermöglicht wurde21.

Richtigerweise kommt es für die Verpflichtung, eine Baulast zu übernehmen, nicht darauf an, dass die Bebauung bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit bezweckt war; an dem missverständlichen Kriterium des „Zwecks“ der Grunddienstbarkeit hält der Bundesgerichtshof nicht fest. Eine solche Verpflichtung setzt unter anderem voraus, dass die Grunddienstbarkeit nach ihrem Inhalt und Umfang die von einer Bebauung herrührenden Nutzungen umfasst, was bei einem uneingeschränkten Geh- und Fahrtrecht regelmäßig anzunehmen ist; es ist nicht erforderlich, dass die Grunddienstbarkeit zu dem Zweck bestellt wurde, die Bebauung des herrschenden Grundstücks zu ermöglichen.

Grundbucheintragungen sind, wie oben ausgeführt, nächstliegend und objektiv auszulegen. Das verbietet es, den Zweck, den die Beteiligten bei der Bewilligung der Grunddienstbarkeit verfolgt haben, einzubeziehen, sofern dieser aus dem Grundbuch nicht hervorgeht. Zwar können auch außerhalb der Eintragung und Bewilligung liegende Umstände bei der Ermittlung von Inhalt und Umfang einer Grunddienstbarkeit mit herangezogen werden, dies aber nur, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind22. Dazu gehören die subjektiven Vorstellungen der Beteiligten zu dem mit der Bestellung der Grunddienstbarkeit verfolgten Zweck nicht; sie finden als innere Tatsachen keinen Niederschlag in der Eintragung oder der ihr zugrundeliegenden Bewilligung und sind, vor allem, wenn Jahre oder – wie hier – Jahrzehnte verstrichen sind und die Eigentümer gewechselt haben, auch nicht zuverlässig feststellbar. Die jetzigen Eigentümer, auf deren Interessen es für die Abwägung ankommt, können sich demgegenüber auf die Grundbucheintragung verlassen, aus der sich eine Beschränkung der Grunddienstbarkeit gerade nicht ergibt. Für sie macht es keinen Unterschied, ob die Grunddienstbarkeit bestellt wurde, um das herrschende Grundstück bebauen zu können, oder ob die Grunddienstbarkeit nach ihrem Inhalt und Umfang die Bebauung des Grundstücks ermöglicht. In beiden Fällen sind die Nutzungen, die durch die Bebauung des herrschenden Grundstücks hervorgerufen werden, von der Grunddienstbarkeit erfasst. Weil die Ausweitung der Nutzungen in dem dinglichen Recht von vornherein angelegt ist, sind die gesteigerten Nutzungen für den Verpflichteten vorhersehbar und nicht überraschend. Das ist im Rahmen der Interessenabwägung zugunsten des Berechtigten zu berücksichtigen. Die Grenze liegt lediglich in der willkürlichen Nutzungsänderung.

Weiterlesen:
Geschäftsraummiete oder Immobilienleasing?

Eine restriktive Sichtweise ist entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Karlsruhe nicht wegen des öffentlichrechtlichen Charakters der Baulast geboten.

Richtig ist zwar, dass die Baulast im Verhältnis zur Grunddienstbarkeit eine zusätzliche Belastung des Grundstücks bewirkt. Sie begründet ein öffentlichrechtliches Verhältnis zu der Bauaufsichtsbehörde und ist der privaten Dispositionsbefugnis entzogen23. Dieser Nachteil wirkt sich aber nur in ganz seltenen Ausnahmefällen aus, etwa wenn eine Grunddienstbarkeit in einem Zwangsversteigerungsverfahren als nicht in das geringste Gebot fallend gelöscht wird, die Baulast aber fortbesteht24, oder wenn der Begünstigte auf die Grunddienstbarkeit verzichtet. Diese von dem Oberlandesgericht Karlsruhe in den Blick genommenen Möglichkeiten sind jedoch so fernliegend und atypisch, dass es mit dem Grundsatz von Treu und Glauben unvereinbar wäre, einen faktischen Rechtsverlust hierauf zu stützen25.

Die Grunddienstbarkeit würde zudem ganz erheblich entwertet, wenn durch das später hinzugetretene öffentlichrechtliche Erfordernis einer Baulast das zivilrechtlich dinglich gesicherte Recht zur Bedarfssteigerung ausgeschlossen wäre. Das gilt jedenfalls dann, wenn nach der bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit geltenden Rechtslage – wie hier im Jahr 1927 – derartige Anforderungen nicht vorgesehen waren. Hier hätte die Grunddienstbarkeit die Bebauung des herrschenden Grundstücks in den auf ihre Bestellung folgenden Jahrzehnten zunächst ohne Weiteres ermöglicht. Der Umstand, dass die Sicherung der Zuwegung durch eine Grunddienstbarkeit heute bauordnungsrechtlich nicht mehr ausreicht, sondern die Erteilung einer Baugenehmigung von der Übernahme einer Baulast abhängt (hier nach § 4 Abs. 1 Halbs. 1 LBO BW)26, gereicht nicht dem Dienstbarkeitsverpflichteten zum Vorteil, sondern führt in der Interessenabwägung dazu, dass er durch Übernahme einer Baulast an der Verwirklichung des dinglichen Rechts mitwirken muss.

Wie es sich verhält, wenn die Grunddienstbarkeit schon zur Zeit ihrer Bestellung nach allgemeiner Rechtsauffassung bauordnungsrechtlich nicht als ausreichende Sicherung der Zufahrt hätte angesehen werden können und sich die Grundstückseigentümer gleichwohl damit zufrieden gegeben hätten, hat der Bundesgerichtshof bislang offen gelassen27. Jedenfalls ist ein Ausschluss des Anspruchs auf Abgabe einer Baulasterklärung nicht schon dann anzunehmen, wenn die Baulast bauordnungsrechtlich erforderlich war, sich die Grundstückseigentümer dieses Umstandes jedoch nicht bewusst waren, oder wenn eine darauf bezogene schuldrechtliche Verpflichtung bei einer Veräußerung nicht weitergegeben worden ist. Vielmehr wird ein solcher Ausschluss nur in Betracht kommen, wenn die Beteiligten um die Erforderlichkeit der Baulast wussten und sehenden Auges auf eine Einräumung verzichteten28. Das bedarf aber keiner abschließenden Entscheidung.

Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht Karlsruhe zurückzuverweisen, da er nicht zur Endentscheidung reif war (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Bundesgerichtshof auf Folgendes hin:

Nach dem Vorbringen der Revision soll sich ein Anspruch auf Baulastübernahme aus einer ergänzenden Vertragsauslegung des Erbteilungsvertrags aus dem Jahr 1937 ergeben, mit dem das Flurstück 4452 zum zweiten Mal geteilt worden ist. Gegenüber einem Anspruch aus dem durch die Grunddienstbarkeit begründeten Schuldverhältnis wäre ein vertraglicher Anspruch auf Übernahme einer Baulast vorrangig29. Das setzt aber unter anderem voraus, dass die Parteien Vertragspartner bzw. deren Rechtsnachfolger sind. Feststellungen dazu sind bislang nicht getroffen.

Weiterlesen:
Die WEG-Gemeinschaft und die unberechtigte Untervermietung eines Kfz-Stellplatzes

Der aus dem Begleitschuldverhältnis folgende Anspruch auf Übernahme einer Baulast setzt voraus, dass die Baulast zwingende Voraussetzung für die Bebauung ist; andernfalls ist dem Eigentümer des dienenden Grundstücks die Einräumung der Baulast nicht zumutbar. Ob dieses Kriterium für die Flurstücke 4452/13 und 4452 der Klägerin erfüllt ist, hat das Oberlandesgericht Karlsruhe – aus seiner Sicht folgerichtig – offengelassen. Das bedarf der abschließenden Prüfung. Eine baurechtliche Relevanz der Baulast ist hinsichtlich des Flurstücks 4452 zweifelhaft, weil es bereits bebaut ist. Zugunsten des Flurstücks 4452/13 könnte die Baulast deshalb erforderlich sein, weil es sich dabei ausweislich des von dem Oberlandesgericht Karlsruhe in Bezug genommenen Lageplan um ein gefangenes Wegegrundstück handelt, das in Verlängerung des durch die Grunddienstbarkeit gesicherten Wegs als Zuwegung zu den Flurstücken 4452/12 und 4452 benötigt wird. Anders wäre es, wenn die Übernahme einer sogenannten Eigenbaulast durch die Klägerin30 ausreichen sollte.

Weil sich der Anspruch auf Einräumung einer (deckungsgleichen) Baulast aus dem Begleitschuldverhältnis nur ableiten lässt, wenn die Grunddienstbarkeit nach ihrem Inhalt und Umfang die Nutzungen erfasst, die durch die Bebauung des herrschenden Grundstücks hervorgerufen werden, scheidet der Anspruch aus, wenn das Bauvorhaben, für das die Baulast übernommen werden soll, nicht von der Grunddienstbarkeit gedeckt sein sollte. Dann wäre die Übernahme der Baulast dem Eigentümer des dienenden Grundstücks nicht zumutbar. Das ist bei einer willkürlichen Benutzungsänderung der Fall, die nicht der Umgebungsbebauung entspricht31.

Soweit der Beklagte geltend macht, die Zufahrt zu den Grundstücken der Klägerin müsse für Rettungs- und Feuerwehrfahrzeuge eine lichte Breite von 3, 50 Metern aufweisen und gehe damit über den Inhalt der Grunddienstbarkeit hinaus, weil das Wegerecht nur auf einer Breite von 3 Metern ausgeübt werden dürfe, steht dies nach den getroffenen Feststellungen dem Anspruch auf Übernahme einer Baulast nicht entgegen. Nach § 4 Abs. 1 Halbs. 1 LBO BW erfordert die Errichtung eines Gebäudes auf einem Grundstück, das – wie hier – nicht an einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche liegt, zwar eine befahrbare, öffentlichrechtlich gesicherte Zufahrt. Diese muss eine angemessene Breite aufweisen, was entsprechend dem Schutzzweck der Regelung, insbesondere nach den Belangen des Brandschutzes im konkreten Einzelfall zu bestimmen ist32. Für die Belange des Brandschutzes ist nach § 3 Satz 4 der Allgemeinen Ausführungsverordnung des Ministeriums für Landesentwicklung und Wohnen zur Landesbauordnung Baden-Württemberg vom 05.02.2010 (LBOAVO) eine Breite von mindestens 3 Metern im Allgemeinen aber als ausreichend anzusehen. Nur wenn die Zufahrt auf einer Länge von mehr als 12 Metern beidseitig durch Bauteile begrenzt wird, muss die lichte Breite mindestens 3, 5 Meter betragen (§ 3 Satz 5 LBOAVO). Dass dies der Fall ist, ergibt sich aus dem Vortrag, auf den der Beklagte verweist, nicht.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 30. Juni 2023 – V ZR 165/22

  1. Fortbildung von BGH, Urteil vom 03.02.1989 – V ZR 224/87, BGHZ 106, 348 ff.[]
  2. LG Offenburg, Urteil vom 18.05.2021 – 3 O 404/20[]
  3. OLG Karlsruhe, Urteil vom 04.08.2022 – 4 U 151/21[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 03.02.1989 – V ZR 224/87, BGHZ 106, 348, 350 ff.; Urteil vom 22.10.2021 – V ZR 92/20, NJW 2022, 1447 Rn. 5 mwN[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 28.06.1985 – V ZR 111/84, BGHZ 95, 144, 146[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 03.02.1989 – V ZR 224/87, BGHZ 106, 348, 350[]
  7. zum Ganzen vgl. BGH, Urteil vom 03.02.1989 – V ZR 224/87, BGHZ 106, 348, 350 f. mwN[]
  8. st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 05.10.1965 – V ZR 73/63, BGHZ 44, 171, 172 f.; Urteil vom 20.05.1988 – V ZR 29/87, NJW-RR 1988, 1229, 1230; Urteil vom 30.09.1994 – V ZR 1/94, NJW-RR 1995, 15, 16[]
  9. vgl. zum Ganzen BGH, Urteil vom 11.04.2003 – V ZR 323/02, WM 2003, 1917, 1918 mwN[]
  10. vgl. BGH, Urteil vom 20.03.1963 – V ZR 143/61, NJW 1963, 1247; MünchKomm-BGB/Mohr, 9. Aufl., § 1018 Rn. 62; Staudinger/Weber, BGB [2017], § 1018 Rn. 155[]
  11. vgl. Amann, DNotZ 2015, 164, 165; Grziwotz, NJW 2008, 1851, 1852 f.[]
  12. vgl. BGH, Urteil vom 26.10.1984 – V ZR 67/83, BGHZ 92, 351, 355[]
  13. vgl. BGH, Urteil vom 22.10.2021 – V ZR 92/20, NJW 2022, 1447 Rn. 24[]
  14. vgl. dazu BGH, Urteil vom 26.10.1984 – V ZR 67/83, BGHZ 92, 351, 355; Urteil vom 30.09.1994 – V ZR 1/94, NJW-RR 1995, 15, 16[]
  15. vgl. auch Grziwotz, NJW 2008, 1851, 1853[]
  16. vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil vom 20.12.2012 – 13 U 97/12 22; OLG Hamm, Urteil vom 16.02.2017 – 5 U 78/16 86[]
  17. vgl. BGH, Urteil vom 30.09.1994 – V ZR 1/94, NJW-RR 1996, 15, 16[]
  18. vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2019 – V ZR 288/17, NJW-RR 2020, 77 Rn. 6 mwN[][]
  19. vgl. BGH, Urteil vom 03.02.1989 – V ZR 224/87, BGHZ 106, 348, 350 ff.[][]
  20. BGH, Urteil vom 03.7.1992 – V ZR 203/91, NJW-RR 1992, 1484[]
  21. BGH, Urteil vom 03.07.1992 – V ZR 203/91, NJW-RR 1992, 1484[]
  22. st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 30.09.1994 – V ZR 1/94, NJW-RR 1995, 15, 16; Urteil vom 13.10.2017 – V ZR 45/17, NJW-RR 2018, 333 Rn. 14; Urteil vom 22.10.2021 – V ZR 92/20, NJW 2022, 1447 Rn. 24[]
  23. vgl. BGH, Urteil vom 09.01.1981 – V ZR 58/79, BGHZ 79, 201, 209; Urteil vom 03.02.1989 – V ZR 224/87, BGHZ 106, 348, 353[]
  24. vgl. BGH, Urteil vom 19.11.2021 – V ZR 262/20, WuM 2022, 308 Rn. 15 mwN[]
  25. vgl. BGH, Urteil vom 03.02.1989 – V ZR 224/87, BGHZ 106, 348, 354; Urteil vom 06.10.1989 – V ZR 127/88, DNotZ 1991, 250, 252[]
  26. vgl. dazu BeckOK BauordnungsR BW/Balensiefen [1.03.2023], § 4 Rn. 12[]
  27. vgl. BGH, Urteil vom 03.02.1989 – V ZR 224/87, BGHZ 106, 348, 353; Urteil vom 06.10.1989 – V ZR 127/88, DNotZ 1991, 250, 252; Urteil vom 22.10.2021 – V ZR 92/20, NJW 2022, 1447 Rn.20[]
  28. vgl. BGH, Urteil vom 22.10.2021 – V ZR 92/20, aaO Rn.20 aE[]
  29. vgl. BGH, Urteil vom 18.03.1994 – V ZR 159/92, NJW 1994, 2757, 2758[]
  30. vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, BauR 2016, 1141 Rn. 39; Sauter, Landesbauordnung für Baden-Württemberg [April 2022], § 4 Rn.20[]
  31. zu einem solchen Fall vgl. BGH, Urteil vom 30.09.1994 – V ZR 1/94, NJW-RR 1995, 15, 16[]
  32. vgl. BeckOK BauordnungsR BW/Balensiefen [15.03.2023], § 4 Rn. 10 mwN[]
Weiterlesen:
Die Zufahrt über das Grundstück des Nachbarn

Bildnachweis: