Grundstück gegen Pflege

Kann ein Familienangehöriger, der als Gegenleistung für die Übertragung eines Grundstücks die Pflege des Übergebers übernommen hat, seine Leistung wegen Umzugs des Übergebers in ein Pflegeheim nicht mehr erbringen, wird sich dem im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung zu ermittelnden hypothetischen Parteiwillen nach einem aktuellen Urteil dees Bundesgerichtshofs im Zweifel nicht entnehmen lassen, dass an die Stelle des ersparten Zeitaufwands ein Zahlungsanspruch des Übergebers treten soll.

Grundstück gegen Pflege

Allerdings ist eine ergänzende Vertragsauslegung geboten, wenn die Beteiligten eines Übergabevertrages bei dessen Abschluss davon ausgegangen sind, der Übergeber könne im Alter zu Hause gepflegt werden, und deshalb keine Regelung für den Fall seines Umzugs in ein Senioren- oder Pflegeheim getroffen haben1.

Eine solche Regelungslücke ist unter Berücksichtigung der von den Parteien eingegangenen Bindungen zu schließen. Sollen die Verpflichtungen des Übernehmers zu der Alterssicherung des Übergebers beitragen oder diese umfassend gewährleisten, entspricht es dessen Absicherungsinteresse, dass ihm im Umfang der ersparten Aufwendungen ein Anspruch auf Beteiligung an den Pflegekosten zusteht, wenn er in einem Maße pflegebedürftig wird, dass er professionelle Pflege braucht und der Übernehmer seine Pflegeverpflichtung deshalb nicht mehr selbst erfüllen kann2.

Der Umfang der ersparten Aufwendungen richtet sich nach dem Inhalt der ursprünglichen Verpflichtung zu Wart und Pflege3. An die Stelle nicht mehr zu erbringender Sachleistungen treten Zahlungsverpflichtungen, die den Wert der ersparten Aufwendungen für diese Leistungen abschöpfen4. Hinsichtlich vereinbarter Pflege- und sonstiger Dienstleistungen (z.B. Reinigung von Wohnung und Bekleidung, Zubereitung von Mahlzeiten) ist zu differenzieren:

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Sind die Vertragsparteien bei Abschluss des Übergabevertrages übereinstimmend davon ausgegangen, dass der Übernehmer hierfür eine Hilfskraft engagiert und bezahlt, zählt das Entgelt für die Hilfskraft zu den infolge des Heimaufenthalts ersparten Aufwendungen. Dagegen tritt an die Stelle von Pflege- und Dienstleistungen, die nach der Vorstellung der Vertragsparteien von dem Übernehmer oder dessen Familienangehörigen persönlich erbracht werden sollten, kein Zahlungsanspruch des Übergebers.

Andernfalls führte die ergänzende Vertragsauslegung zu einer unzulässigen Erweiterung des Vertragsgegenstandes. Der Übernehmer verpflichtet sich zu der Pflege und Betreuung des Übergebers meist in der Annahme, die geschuldeten Dienste selbst oder durch Familienangehörige, also ohne finanziellen Aufwand, erbringen zu können. Es entspricht deshalb in aller Regel nicht dem – für die ergänzende Vertragsauslegung maßgeblichen – hypothetischen Parteiwillen, dass Geldzahlungen an die Stelle der versprochenen Dienste treten, wenn diese aus Gründen, die der Übernehmer nicht zu vertreten hat, nicht mehr erbracht werden können. Müsste der Übernehmer den aufgrund des Heimaufenthalts des Übergebers entstandenen (Frei-)Zeitgewinn in Geld ausgleichen, wäre jedoch genau dies die Folge.

Abweichendes ergibt sich, anders als das Oberlandesgericht Düsseldorf meint5 meint, nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21. November 20026. Die darin enthaltenen Erwägungen zu dem Umfang der von der Übernehmerin geschuldeten Pflegeleistungen dienten nicht dazu, die infolge des Heimaufenthalts der Übergeberin ersparte Zeit für Pflegeleistungen zu konkretisieren. Sie sollten vielmehr verdeutlichen, dass die Übernehmerin keine Vollzeitpflege schuldete und deshalb auch dann keine professionellen Pflegekräfte hätte engagieren und bezahlen müssen (woraus sich dann ersparte Aufwendungen ergeben hätten), wenn deren Inanspruchnahme für eine ordnungsgemäße häusliche Pflege der Übergeberin im Laufe der Zeit unumgänglich geworden wäre.

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 29. Januar 2010 – V ZR 132/09

  1. vgl. BGH, Beschluss vom 21.11.2002 – V ZB 40/02, NJW 2003, 1126, 1127; Beschluss vom 23.01.2003 – V ZB 48/02, NJW-RR 2003, 577, 578; Urteil vom 09.01.2009 – V ZR 168/07, NJW 2009, 1348 [für ein Wohnrecht] sowie Krüger, ZNotP 2010, 2[]
  2. vgl. BGH, Beschluss vom 21.11.2002 – V ZB 40/02, NJW 2003, 1126, 1127[]
  3. BGH, aaO[]
  4. BGH, Beschluss vom 23.01.2003 – V ZB 48/02, NJW-RR 2003, 577, 578[]
  5. OLG Düsseldorf, RNotZ 2005, 485; sowie Urteil vom 05.04.2004 – I-9 U 180/03[]
  6. BGH, Urteil vom 21.11.2002 – V ZB 40/02, NJW 2003, 1126[]

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