Die Hemmung der Verjährung kann trotz unwirksamer öffentlicher Zustellung der Klageschrift in Betracht kommen, wenn die Bewirkung der öffentlichen Zustellung aufgrund entsprechender Äußerungen des zuständigen Richters für den Gläubiger unabwendbar war1.

Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung durch Zustellung der Klageschrift gemäß den entsprechenden Bestimmungen der Zivilprozessordnung gehemmt. Dabei ist eine unter Verstoß gegen § 185 ZPO angeordnete öffentliche Zustellung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zumindest wenn die Fehlerhaftigkeit der Zustellung für das Gericht erkennbar gewesen ist jedenfalls in dem Sinne unwirksam, dass sie die Zustellungsfiktion des § 188 ZPO nicht auslöst und dementsprechend keine Fristen in Lauf setzt2. Eine (erkennbar) unzulässige öffentliche Zustellung der Klage bewirkt danach keine Hemmung der Verjährung3. Die mit den Tatbeständen des § 204 BGB verfolgte Warnfunktion wird verfehlt, wenn eine Klage öffentlich zugestellt wird, obwohl der Aufenthaltsort des Beklagten nicht allgemein unbekannt ist und eine Zustellung auf anderem Wege möglich gewesen wäre. Berechtigte Interessen des Gläubigers erfordern es dabei nicht, einer erkennbar unzulässigen öffentlichen Zustellung der Klageschrift verjährungshemmende Wirkung beizumessen; denn es obliegt dem Gläubiger, die erforderlichen Nachforschungen anzustellen und so die Voraussetzungen für eine wirksame Zustellung der Klageschrift zu schaffen4.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war die vorgenommene öffentliche Zustellung der Klageschrift im hier entschiedenen Fall unwirksam, weil unabhängig von der Frage, ob der Aufenthaltsort des Beklagten bekannt gewesen ist, eine Zustellung an die Rechtsanwaltssozietät G hätte erfolgen und die Klägerin diese in die Wege hätte leiten können. Eine Zustellung an diese Kanzlei wäre gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 171 ZPO möglich gewesen; denn der damalige anwaltliche Vertreter des Beklagten hatte schon in dem der Klageschrift als Kopie beigefügten Schreiben vom 17.05.2006 im Zusammenhang mit den von der Klägerin erhobenen Forderungen mitgeteilt, seine Rechtsanwaltskanzlei könne für ein Klageverfahren als zustellungsbevollmächtigt angegeben werden5. Daraus war zu entnehmen, dass dem eine entsprechende, wenn auch zwangsläufig noch allgemeine, Bevollmächtigung bereits zugrunde lag. Deshalb hätte die Klägerin dies bereits in der Klageschrift berücksichtigen, jedenfalls aber nach zweimaligem Fehlschlagen einer Zustellung an den Beklagten an diese Rechtsanwälte zustellen lassen können. Angesichts dieser Umstände war für die Klägerin und auch das Landgericht erkennbar, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung der öffentlichen Zustellung noch nicht vorlagen und deshalb eine Hemmung der Verjährung nicht hat eintreten können.
Eine andere Beurteilung könnte sich jedoch nach dem Vortrag der Klägerin ergeben, wonach eine Zustellung an den damaligen Bevollmächtigten des Beklagten nicht möglich gewesen sei. Denn der seinerzeit zuständige Richter R. habe unmissverständlich erklärt, dies genüge nicht, weil er für die Zulässigkeit der Klage ebenfalls die Adresse des Beklagten benötige; auch nach einem Hinweis auf ein Telefonat mit dem Bevollmächtigten des Beklagten in der Zeit zwischen den beiden Anfragen an das Einwohnermeldeamt am 4. und 11.07.2007, bei dem eine ladungsfähige Adresse des Beklagten nicht habe in Erfahrung gebracht werden können, habe der Richter erklärt, damit sei die Anschrift immer noch unbekannt.
Beruht die Unwirksamkeit einer Zustellung auf einer unrichtigen Sachbehandlung durch das Gericht, kann eine Hemmung der Verjährung wegen höherer Gewalt in Betracht kommen (vgl. § 206 BGB). Sie greift jedoch nur ein, wenn die verjährungshemmende Wirkung einer Zustellung infolge eines – für den Gläubiger unabwendbaren – gerichtlichen Fehlers nicht eintritt6.
Auch wenn der Klägerin die Unwirksamkeit der öffentlichen Zustellung im Hinblick auf die Möglichkeit einer Zustellung an die Rechtsanwaltskanzlei erkennbar war, ist vorliegend von einer dementsprechenden Fallgestaltung auszugehen, wenn festgestellt wird, dass das Ausbleiben der Zustellung an den damaligen anwaltlichen Vertreter des Beklagten von der Klägerin nicht zu beeinflussen war und ihr keine mitwirkende Verantwortung für die Unwirksamkeit der öffentlichen Zustellung anzulasten ist.
Die Berufung auf eine für sie unabwendbare Beantragung der öffentlichen Zustellung der Klageschrift aufgrund des Verhaltens des zuständigen Richters setzt aber voraus, dass die Klägerin ihrerseits alles ihr Zumutbare getan hat, um der behaupteten Auffassung des Richters zu entsprechen, trotz des Hinweises auf die Anwaltskanzlei eine zustellungsfähige Adresse des Beklagten herauszufinden. Dieses Erfordernis folgt daraus, dass es im Rahmen des § 185 Nr. 1 ZPO stets Sache der Partei ist, die durch die Zustellung begünstigt wird, alle geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen anzustellen, um so eine wirksame Zustellung bewirken zu können, und ihre gegebenenfalls ergebnislosen Bemühungen im Einzelnen darzulegen. Dabei kann allerdings die Frage, ob der Aufenthaltsort des Beklagten allgemein unbekannt ist, nicht ohne Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten beantwortet werden7.
Zu einem möglichen Mitverantwortungsbeitrag der Klägerin in diesem Sinn und der danach maßgeblichen Frage, ob sie alle gebotenen Ermittlungsmöglichkeiten genutzt hat, um eine zustellungsfähige Adresse herauszufinden, hat das Berufungsgericht – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – bislang keine Feststellungen getroffen.
Nach dem bislang ersichtlichen Sach- und Streitstand ist derzeit lediglich davon auszugehen, dass der Klägervertreter nach zwei vergeblichen Zustellversuchen und nach einem entsprechenden Hinweis des Gerichts eine Anfrage an das Einwohnermeldeamt gerichtet hat, allerdings mit Angabe einer Adresse „J. 85“. In der daraufhin erteilten Auskunft ist eine Adresse in I. angegeben, gleichzeitig aber der Adress-Status mit „Verzogen“ bezeichnet worden. Auf eine weitere Anfrage enthält die Auskunft vom 12.07.2007 hinsichtlich der Adresse in I. den Hinweis, der Betroffene habe im Rahmen der automatisierten Suche im Melderegister nicht oder nicht ausreichend identifiziert werden können. Aus diesen Unterlagen und auch aus den von der Klägerin zusätzlich vorgelegten Online-Abfragen, aus denen lediglich die Adresse: „K. -Str. 82 bzw. 85“ in N. zu entnehmen ist, ging zwar die Zustellbarkeit an eine dieser Adressen nicht hinreichend hervor. Andererseits ist auf der Grundlage der darin enthaltenen Angaben auch nicht erkennbar, dass der Aufenthaltsort des Beklagten bereits allgemein unbekannt gewesen ist.
Es ist deshalb eine erneute Prüfung der Frage der Verjährung erforderlich, bei der gegebenenfalls nach ergänzendem Vorbringen der Parteien zu untersuchen ist, ob die Klägerin aufgrund weiterer Nachforschungen den Aufenthaltsort des Beklagten hätte ausfindig machen können.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Dezember 2016 – III ZR 89/15
- Fortführung von BGH, Urteil vom 29.06.1989 – III ZR 92/87, NJW 1990, 176, 178 und BGH, Urteil vom 19.12 2001 – VIII ZR 282/00, BGHZ 149, 311, 326[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 19.12 2001 – VIII ZR 282/00, BGHZ 149, 311, 321 f; vom 06.10.2006 – V ZR 282/05, NJW 2007, 303 Rn. 12; vom 04.07.2012 XII ZR 94/10, NJW 2012, 3582 Rn.19; und vom 03.05.2016 – II ZR 311/14, NZG 2016, 783 Rn. 33, sowie Beschluss vom 18.11.2013 AnwZ (B) 3/13, NJW-RR 2014, 377 Rn. 5[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 19.12 2001 aaO, S. 324 f – zur Unterbrechung der Verjährung nach § 209 BGB a.F.; und vom 03.05.2016, aaO Rn. 34 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 19.12 2001 aaO, S. 325; und vom 03.05.2016 aaO Rn. 35[↩]
- vgl. hierzu BGH, Urteil vom 06.04.2011 – VIII ZR 22/10, NJW-RR 2011, 997 Rn. 13 ff[↩]
- BGH, Urteil vom 29.06.1989 – III ZR 92/87, NJW 1990, 176, 178 und BGH, Urteil vom 19.12 2001 aaO S. 326[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 03.05.2016, aaO Rn. 37, 39[↩]