Eine Reduzierung der in § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO genannten Pauschalbeträge auf den tatsächlich geleisteten Unterhaltsbetrag kommt nur dann in Betracht, wenn sich die Inanspruchnahme dieser Freibeträge durch den Schuldner als unbillig erweist und deshalb die Verwirklichung des mit der Einführung von Pauschalbeträgen verfolgten Zwecks ausnahmsweise hinter dem Vollstreckungsinteresse des Gläubigers zurücktreten muss.

Der Gläubiger hat keinen Anspruch darauf, dass der dem Schuldner gemäß § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO pfandfrei zu belassende Pauschalbetrag auf 26 € reduziert wird, weil der Schuldner nur in dieser Höhe Unterhalt in Form eines Pflegezuschusses an seine Tochter zahlt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es für die Gewährung der gemäß § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO vorgesehenen Freibeträge ohne Belang, ob die Unterhaltsleistungen, die der Schuldner auf Grund seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht erbringt, den jeweiligen Pauschalbetrag erreichen oder übersteigen. Eine Reduzierung der in § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO genannten Pauschalbeträge auf den tatsächlich geleisteten Unterhaltsbetrag kommt danach grundsätzlich auch dann nicht in Betracht, wenn der Schuldner seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht in vollem Umfang genügt1.
Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung ausdrücklich offengelassen, ob in besonders gelagerten Fällen, in denen der Schuldner seine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung nur in geringfügigem Umfang erfüllt, ausnahmsweise unter engen Voraussetzungen eine Reduzierung der in § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO festgelegten Beträge in Betracht kommt. Jedenfalls im vorliegenden Fall ist eine solche Beschränkung des dem Schuldner zuzubilligenden Freibetrages nicht gerechtfertigt.
Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts handelt es sich bei den Pflegezuschüssen von 26 €, die der Schuldner für seine Tochter monatlich zahlt, um Unterhaltsleistungen im Sinne des § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO. Dabei ist es für die Entscheidung ohne Belang, dass der Schuldner eigenen Angaben zufolge den Wohnort seiner Tochter nicht kennt und folglich keinen Kontakt zu ihr hat. Daraus folgt weder, dass die vom Schuldner – möglicherweise an den Sozialhilfeträger – gezahlten Pflegezuschüsse keine Unterhaltsleistungen im Sinne des § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO sind, noch lassen allein diese Umstände den Schluss zu, dass der Schuldner auch in Zukunft keinen weitergehenden Unterhalt für seine Tochter erbringen wird.
Eine Reduzierung des pauschalen Freibetrages nach § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO ist nicht deshalb veranlasst, weil der Schuldner durch die Zahlung eines Pflegezuschusses von 26 € weniger als 10 % des Betrages erbringt, den er nach der Düsseldorfer Tabelle als Unterhalt für sein Kind leisten müsste. Insoweit kann dahin stehen, ob er mit Rücksicht auf die besonderen Lebensumstände seiner behinderten, in einer Pflegefamilie untergebrachten Tochter tatsächlich zu Unterhaltsleistungen in Höhe des vom Gläubiger mit 288 € ermittelten Tabellenwertes verpflichtet ist, wozu keine Feststellungen getroffen sind. Selbst wenn man von einer Unterhaltsverpflichtung in nämlicher Höhe ausgeht, führt die dann erhebliche Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem geschuldeten Unterhalt nicht zu einer Verringerung des nach § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO pfandfreien Pauschalbetrages. Der Bundesgerichtshof hat bereits darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber im Interesse einer praktikablen Gestaltung der Zwangsvollstreckung bewusst davon abgesehen hat, die Zubilligung der unterhaltsbedingten Freibeträge von einzelfallbezogenen Feststellungen zur Höhe der Unterhaltsverpflichtung abhängig zu machen2. Dieser, durch die Festlegung von Pauschalbeträgen verwirklichte Zweck der Vorschrift des § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO würde folglich auch dann verfehlt, wenn es für die Gewährung jener pauschalierten Freibeträge überhaupt darauf ankäme, in welchem Umfang der Schuldner seinen Unterhaltsverpflichtungen nachkommt. Zu einer Herabsetzung der Freibeträge kann es deshalb allenfalls in besonders gelagerten Einzelfällen kommen, in denen sich die Inanspruchnahme des dem unterhaltsverpflichteten Schuldner gemäß § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO bewusst eingeräumten Vollstreckungsfreiraums als unbillig erweist und deshalb die Verwirklichung des mit der Einführung von Pauschalbeträgen verfolgten Zwecks ausnahmsweise hinter dem Vollstreckungsinteresse des Gläubigers zurücktreten muss. Eine solche Fallkonstellation liegt nicht vor. Sie ist jedenfalls nicht bereits durch die vom Gläubiger aufgezeigte Differenz zwischen dem geschuldeten und dem tatsächlich geleisteten Unterhalt entstanden. Andere tatsächliche Umstände, nach denen die Gewährung des gesetzlich vorgesehenen Freibetrages im obigen Sinne unbillig sein könnte, sind weder festgestellt, noch vorgetragen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23. September 2010 – VII ZB 23/09
- BGH, Beschluss vom 28.03.2007 – VII ZB 94/06, NJW-RR 2007, 938 m.w.N.[↩]
- BGH, Beschluss vom 28.03.2007 – VII ZB 94/06, NJW-RR 2007, 938 Rn. 12[↩]
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