Verletzung der Unterhaltspflicht, rechtskräftig festgestellte Unterhaltsansprüche – und die Restschuldbefreiung

Hat der Anspruch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung einen anderen Streitgegenstand als der titulierte Anspruch, kann der Schuldner gegenüber dem Feststellungsbegehren des Gläubigers einwenden, der Anspruch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung sei verjährt1. Rechtskräftig festgestellt sind alle materiellrechtlichen Ansprüche, die vom Streitgegenstand umfasst sind, über den mit dem Titel entschieden wurde.

Verletzung der Unterhaltspflicht, rechtskräftig festgestellte Unterhaltsansprüche – und die Restschuldbefreiung

Der Anspruch aus vorsätzlicher Verletzung der Unterhaltspflicht hat einen anderen Streitgegenstand als ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch.

Ansprüche auf Unterhalt und auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher Verletzung der Unterhaltspflicht kann der Gläubiger gleichzeitig nebeneinander geltend machen; die Hemmung, die Ablaufhemmung und der erneute Beginn der Verjährung des einen Anspruchs erstreckt sich nicht auf den anderen Anspruch. Der Schadensersatzanspruch aus einer vorsätzlichen Verletzung der Unterhaltspflicht ist eine Familienstreitsache.

Es handelt sich um eine Familienstreitsache. Familienstreitsachen sind gemäß § 112 Nr. 1 FamFG Unterhaltssachen. Nach § 231 Abs. 1 FamFG zählen zu Unterhaltssachen alle Verfahren, welche die durch Verwandtschaft oder durch Ehe begründete gesetzliche Unterhaltspflicht betreffen. Hierzu gehören auch Schadensersatzansprüche, die darauf gestützt werden, dass die gesetzliche Unterhaltspflicht nicht erfüllt worden sei, sofern die Schadensersatzansprüche ihre Wurzel im unterhaltsrechtlichen Verhältnis haben2. Dies erfasst auch ein Feststellungsbegehren, dass eine Verbindlichkeit auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 170 StGB beruht3. Denn auch diese Ansprüche hängen entscheidend davon ab, ob der Schuldner eine gesetzliche Unterhaltspflicht verletzt hat. § 231 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 FamFG stellt darauf ab, ob die „Verfahren die […] gesetzliche Unterhaltspflicht betreffen“. Maßgeblich ist, ob die Pflichtverletzung auf das Unterhaltsverhältnis zurückzuführen ist4. Ist dies der Fall, macht es keinen Unterschied, ob die Parteien in persönlicher Hinsicht dem Bereich zuzurechnen sind, der dem Familiengericht grundsätzlich zugewiesen ist, oder wie im Streitfall als Sozialhilfeträger Ansprüche aus eigenem Recht geltend machen. Entscheidend ist, ob der geltend gemachte Schadensersatzanspruch darauf beruht, dass eine gesetzliche Unterhaltspflicht verletzt worden ist5. Die Beurteilung der gesetzlichen Unterhaltspflicht hat aber das Gesetz dem Familienrichter zugewiesen, um den Gedanken einer Zuständigkeitskonzentration für alle ehe- und familienbezogenen Verfahren zu verwirklichen und den Parteien einen Richter mit der als notwendig erachteten besonderen Sachkunde zur Verfügung zu stellen6.

Ob die von der Unterhaltsgläubigerin verfolgte Forderung von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist, richtet sich nach § 302 Nr. 1 InsO in der bis zum 30.06.2014 geltenden Fassung (fortan: InsO aF), weil das Insolvenzverfahren vor dem 1.07.2014 eröffnet worden ist (Art. 103h EGInsO). Es kann mithin dahinstehen, ob der Unterhaltsgläubigerin Ansprüche aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt zustehen, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat (§ 302 Nr. 1 InsO in der ab 1.07.2014 geltenden Fassung). Es kommt im Streitfall allein darauf an, ob ein Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung besteht.

Gegenstand der Feststellungsklage ist bei einem relativen Recht die jeweilige Forderung. § 302 Nr. 1 InsO aF stellt darauf ab, ob ein materiellrechtlicher Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung besteht. Nur diese Ansprüche werden gemäß § 302 Nr. 1 InsO aF von der Restschuldbefreiung ausgenommen. Hingegen kommt es nicht darauf an, ob dem Gläubiger (auch) ein anderer, wirtschaftlich auf das gleiche gerichteter Anspruch zusteht. Entscheidend ist nicht, ob der Gläubiger den zur Tabelle festgestellten Anspruch hat, sondern ob und in welchem Umfang der Gläubiger die zur Tabelle angemeldete Forderung auch aufgrund eines Anspruchs aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Schuldners verlangen kann. Mithin ist es unerheblich, dass Unterhaltsansprüche aus den Jahren 1994 bis 1996 gemäß § 91 BSHG auf die Unterhaltsgläubigerin übergegangen und zur Tabelle festgestellt sind.

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Die im Streitfall allein in Betracht kommenden Ansprüche der Unterhaltsgläubigerin aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 170b Abs. 1 StGB aF (mit Wirkung ab 1.04.1998 wörtlich identisch § 170 Abs. 1 StGB) sind jedoch – wie das Oberlandesgericht Köln7 im vorliegenden Fall im Ergebnis zu Recht annimmt – verjährt. Ihre Verjährung richtete sich ursprünglich nach § 852 BGB aF (Art. 229 § 6 EGBGB). Die Verjährung war bereits abgelaufen, als die Unterhaltsgläubigerin die Ansprüche zur Insolvenztabelle anmeldete, so dass keine Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB eintrat.

Der Verjährungseinwand ist auch unter den Umständen des Streitfalles im Feststellungsprozess zu prüfen. Die Unterhaltsgläubigerin beruft sich zu Unrecht auf die BGH-Entscheidungen vom 02.12 20108; und vom 10.10.20139. Soweit in diesen Entscheidungen von einem Feststellungsanspruch gesprochen wird, meint dies das prozessuale Feststellungsbegehren. Es genügt für den Erfolg eines solchen Feststellungsbegehrens jedoch nicht, dass dem Unterhaltsgläubiger ein unverjährter Anspruch auf eine Leistung zusteht, vielmehr muss gerade der Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung durchsetzbar und nicht verjährt sein10.

Begehrt eine Partei gemäß § 256 ZPO die Feststellung, es handele sich bei einer Forderung um eine Verbindlichkeit aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, ist Streitgegenstand die Frage, ob ein entsprechendes Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner besteht11. Das Gericht muss dann klären, ob dem Gläubiger ein durchsetzbarer – insbesondere unverjährter – materiellrechtlicher Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung zusteht. Es kann sich nicht darauf beschränken zu prüfen, ob der Schuldner im Hinblick auf die geltend gemachte Forderung vorsätzlich gehandelt hat. Soweit der Bundesgerichtshof entschieden hat, dass ein „Feststellungsanspruch“ nicht verjährt, bezieht sich dies allein darauf, dass – solange der materiellrechtliche Anspruch nicht verjährt ist – auch die Feststellung verlangt werden kann, dass es sich um einen Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung handelt. Denn die Klage auf Feststellung, dass eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung vorliegt, ist eine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO12. Für die Frage, ob eine solche Klage Erfolg hat, ist allein erforderlich, dass der Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung hat und das behauptete Rechtsverhältnis in Wirklichkeit besteht. Das Feststellungsinteresse ergibt sich bei einem Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung aus den erweiterten Vollstreckungsmöglichkeiten des § 850f Abs. 2 ZPO oder § 302 Nr. 1 InsO. Soll – wie im Streitfall – festgestellt werden, dass eine Verbindlichkeit aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung herrührt, ist diese Klage nur begründet, wenn der Anspruch (weiter) durchsetzbar, insbesondere also nicht verjährt ist.

Die regelmäßige Verjährungsfrist für Ansprüche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung beträgt drei Jahre (§ 852 Abs. 1 BGB aF; § 195 BGB nF). Eine Verlängerung der Verjährungsfrist auf 30 Jahre gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB13 ist nicht erfolgt, weil etwaige Ansprüche der Unterhaltsgläubigerin aus einer vorsätzlichen Verletzung der Unterhaltspflicht nicht rechtskräftig festgestellt sind. Weder der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hagen vom 03.02.1995 noch das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 07.09.1995 erstrecken sich auf diese Ansprüche.

Für § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB genügt jedes die Leistungspflicht ganz allgemein feststellende Urteil14. Soweit eine zusprechende Entscheidung über den Streitgegenstand ergeht, sind die vom Streitgegenstand umfassten Ansprüche rechtskräftig festgestellt und verjähren in 30 Jahren. Die Hemmung der Verjährung durch Klageerhebung erfasst alle materiellrechtlichen Ansprüche, die zum Streitgegenstand gehören15. Dies gilt gleichermaßen für die Verjährung der mit dem Urteilsausspruch rechtskräftig festgestellten Ansprüche im Sinne des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Diese Norm meint den prozessualen Anspruch16. Die Grenzen der Verjährungshemmung sind mit denen der Rechtskraft kongruent17. Die Rechtskraft, auf die § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB abstellt, erfasst mithin den Streitgegenstand insgesamt.

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Streitgegenstand der von der Unterhaltsgläubigerin erwirkten Titel sind im vorliegenden Fall jedoch ausschließlich (wiederkehrende) Leistungen aus einem Unterhaltsverhältnis. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 170b Abs. 1 StGB aF hat einen anderen Streitgegenstand als der Unterhaltsanspruch aus § 1601 BGB oder § 1361 BGB.

Der Streitgegenstand wird bestimmt durch das Rechtsschutzbegehren (Antrag), in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Zum Anspruchsgrund sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen; vom Standpunkt der Parteien ausgehenden und den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtung zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den eine Partei zur Stützung ihres Rechtsschutzbegehrens vorträgt. Vom Streitgegenstand werden damit alle materiellrechtlichen Ansprüche erfasst, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen. Das gilt unabhängig davon, ob die einzelnen Tatsachen des Lebenssachverhalts von den Parteien vorgetragen worden sind oder nicht18.

Auch wenn Ansprüche wirtschaftlich auf das Gleiche gerichtet sind und der Kläger die Leistung nur einmal verlangen kann, können die verschiedenen materiellrechtlichen Ansprüche unterschiedliche Streitgegenstände aufweisen; dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Ansprüche sowohl in ihren materiellrechtlichen Voraussetzungen als auch in ihren Folgen verschieden sind19. Entscheidend ist, ob sich die dem jeweiligen Anspruch zugrunde liegenden Lebenssachverhalte in wesentlichen Punkten unterscheiden, oder ob es sich nur um marginale Abweichungen handelt, die bei natürlicher Betrachtung nach der Verkehrsauffassung keine Bedeutung haben. Unterschiedliche Streitgegenstände weisen daher etwa die auf einem Vergleich beruhende Zahlungspflicht und die ursprüngliche Schadensersatz- oder Entschädigungsforderung auf20. Ebenso handelt es sich bei einem abstrakten Saldoanerkenntnis im Verhältnis zur kausalen Saldoforderung um einen anderen Streitgegenstand21. Auch Schadensersatzansprüche nach § 823 BGB und der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB stellen unterschiedliche Streitgegenstände dar22. Eine auf Vertragserfüllung gestützte Klage hat einen anderen Streitgegenstand als der Schadensersatz wegen vorsätzlicher culpa in contrahendo23. Gleiches gilt im Verhältnis einer Klage auf Maklerprovision zum Schadensersatzanspruch wegen entgangener Maklerprovision24.

Nach diesen Maßstäben handelt es sich im Verhältnis zwischen Unterhaltsanspruch und deliktischem Anspruch aus einer vorsätzlichen Verletzung der Unterhaltspflicht um zwei verschiedene Streitgegenstände. Diese Ansprüche sind sowohl in ihren Voraussetzungen als auch in ihren Folgen verschieden und beruhen auf in wesentlichen Punkten unterschiedlichen Lebenssachverhalten. Die Unterhaltsgläubigerin hat die Titel gegen den Unterhaltsschuldner aus den nach § 91 Abs. 1 Satz 1 BSHG in der bis zum 31.07.1996 geltenden Fassung auf sie übergegangenen Unterhaltsansprüchen der Kinder und der Ehefrau des Unterhaltsschuldners erwirkt.

Streitgegenstand eines Unterhaltsprozesses ist das Begehren auf – im Allgemeinen – wiederkehrende Leistungen aus einem Unterhaltsverhältnis. Demgegenüber ist Kern des Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 170 StGB der aus einem bestimmten Verhalten entstandene Schaden. Während für die Ansprüche auf Unterhalt neben dem die Unterhaltspflicht begründenden Verwandtschaftsverhältnis Bedürftigkeit des Unterhaltsgläubigers und Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners entscheidend sind, setzt der Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 170 Abs. 1 StGB (oder – insoweit gleichlautend – § 170b Abs. 1 StGB aF) voraus, dass der Unterhaltsschuldner einen bestehenden Unterhaltsanspruch nicht erfüllt und dies den Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten gefährdet oder diesen ohne die Hilfe anderer gefährdete. Weiter muss der Schuldner hierbei bedingt vorsätzlich im Hinblick auf Unterhaltspflicht, Nichterfüllung und Gefährdung des Lebensbedarfs handeln und dem Gläubiger hieraus ein Schaden entstanden sein. Erst Nichterfüllung, Gefährdung des Lebensbedarfs, hierauf bezogener Vorsatz und Schadenseintritt charakterisieren den Lebenssachverhalt dieses Anspruchs. Auch in den Folgen unterscheiden sich die Ansprüche deutlich. Der Unterhaltsanspruch besteht nur – und soweit – wie der Unterhaltsschuldner bedürftig ist und kann im Allgemeinen erst für die Zukunft verlangt werden (vgl. § 1613 Abs. 1 BGB), dafür aber typischerweise regelmäßig wiederkehrend. Der Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 170 Abs. 1 StGB erstreckt sich über den Unterhaltsschaden hinaus auf alle übrigen adäquat kausal verursachten Vermögensschäden, greift jedoch nur bei einer Gefährdung des Lebensbedarfs und ist zudem beschränkt auf Schäden aus in der Vergangenheit nicht erfüllten Unterhaltsforderungen.

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Gegenstand der von der Unterhaltsgläubigerin erwirkten Vollstreckungstitel war nur ein Unterhaltsanspruch aus übergegangenem Recht. Die Unterhaltsgläubigerin hat sowohl im Vollstreckungsbescheid als auch im Unterhaltsurteil ausdrücklich Unterhaltsansprüche der Kinder und der Ehefrau des Unterhaltsschuldners geltend gemacht. Dass zugleich über Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 170b StGB aF entschieden wurde, ist nicht ersichtlich. Weder dem Urteil des Amtsgerichts – Familiengerichts – Köln vom 07.09.1995 noch dem Sachvortrag der Unterhaltsgläubigerin lässt sich entnehmen, dass die Unterhaltsgläubigerin mit den Vollstreckungstiteln auch Schadensersatzansprüche aus eigenem oder übergegangenem Recht verfolgen wollte. Denn der Kläger bestimmt durch seinen Sachvortrag den Streitgegenstand einer Klage. Soweit der Unterhaltsgläubigerin Schadensersatzansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 170 StGB aus eigenem Recht zustanden25, waren diese schon deshalb nicht Streitgegenstand des Vollstreckungsbescheids und des Unterhaltsurteils, weil die Unterhaltsgläubigerin jedenfalls nur fremde Ansprüche gerichtlich verfolgt hat. Bei der Frage, ob eine Klage auf eigene oder abgetretene Ansprüche gestützt wird, handelt es sich nicht um verschiedene rechtliche Begründungen desselben prozessualen Anspruchs, sondern um verschiedene Streitgegenstände26.

Mithin kann dahinstehen, ob die Unterhaltsgläubigerin zum Zeitpunkt der Unterhaltsprozesse etwaige Schadensersatzansprüche der Ehefrau und Kinder gegen den Unterhaltsschuldner nach § 90 Abs. 1 BSHG in der Fassung vom 23.03.1994 auf sich übergeleitet hat oder ob bereits der gesetzliche Forderungsübergang nach § 91 BSHG in der bis 31.07.1996 geltenden Fassung Schadensersatzansprüche der Ehefrau und der Kinder nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 170 StGB erfasst. Ebenso kann offenbleiben, ob insoweit nicht ein gesetzlicher Forderungsübergang nach § 116 SGB X in Betracht kommt. Denn diese Ansprüche waren weder Streitgegenstand des Vollstreckungsbescheides vom 03.02.1995 noch des Unterhaltsurteils vom 07.09.1995.

Die Anmeldung der Ansprüche zur Tabelle am 11.04.2011 war nicht geeignet, die Verjährung des Anspruchs aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB zu hemmen. Ein etwaiger Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 170b Abs. 1 StGB aF war zu diesem Zeitpunkt bereits verjährt.

Der Anspruch unterlag ursprünglich der Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB aF. Danach verjährte der Anspruch auf Ersatz des Schadens in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Schädigers Kenntnis erlangt, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung an.

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Rechtsfehlerhaft meint das Oberlandesgericht Köln27 allerdings, dass die Kenntnis schon mit der Nichtzahlung des Unterhalts im jeweiligen Monat beginne. Kenntnis von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen im Sinne des § 852 Abs. 1 BGB aF ist erst vorhanden, wenn dem Geschädigten zuzumuten ist, aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Schadensersatzklage, zumindest als Feststellungsklage zu erheben, die bei verständiger Würdigung der ihm bekannten anspruchsbegründenden Tatsachen Erfolgsaussicht hat28. Kenntnis von der Person des Ersatzpflichtigen erfordert auch die Kenntnis von Tatsachen, die auf ein schuldhaftes Verhalten des Schädigers hinweisen29. Auch insoweit genügt, dass der Geschädigte die objektiven Umstände kennt, die ihm die Schlüsse auf die subjektive Tatseite erlauben30. Der Verletzte muss bei kritischer Würdigung der für den Schaden ursächlichen Handlungen des Schädigers zu der Überzeugung gelangt sein, dieser habe schuldhaft gehandelt31. Sofern der Anspruch – wie im Streitfall – nur besteht, wenn der Schuldner vorsätzlich handelt, muss der Gläubiger mithin auch Tatsachen kennen, die einen Schluss auf vorsätzliches Handeln ermöglichen.

Die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs wegen vorsätzlich nicht erbrachter Unterhaltsleistungen aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 170 StGB beginnt daher nicht schon dann, wenn der Gläubiger weiß, dass der Schuldner den monatlichen Unterhalt nicht bezahlt. Vielmehr ist auch erforderlich, dass der Gläubiger Tatsachen kennt, aus denen eine entsprechende Leistungsfähigkeit des Schuldners folgt, weil dies Tatbestandsmerkmal des § 170 StGB ist32. Insbesondere muss der Gläubiger Tatsachen kennen, aus denen sich ergibt, dass der Schuldner hinreichende Einkünfte erzielt oder – bei ausreichenden Bemühungen – erzielen könnte und dass der Schuldner bedingt vorsätzlich handelt. Im Streitfall hat das Beschwerdegericht zur Kenntnis solcher Tatsachen bereits im Jahr 1994 nichts festgestellt. Der – für den Beginn der Verjährungsfrist darlegungs- und beweispflichtige – Unterhaltsschuldner trägt hierzu nichts vor.

Ob die Unterhaltsgläubigerin schon während der ausbleibenden Unterhaltszahlungen in den Jahren 1994 bis 1996 zu einem bestimmten Zeitpunkt hinsichtlich einzelner Unterhaltsraten Tatsachen kannte, die den für eine Feststellungsklage erforderlichen Schluss auf eine Leistungsfähigkeit und bedingten Vorsatz des Schuldners zuließen, kann jedoch im Streitfall dahinstehen. Eine entsprechende Kenntnis der Unterhaltsgläubigerin mag vorgelegen haben, sobald das Unterhaltsurteil vom 07.09.1995 rechtskräftig geworden ist und der Unterhaltsschuldner gleichwohl keinen Unterhalt zahlte. Jedenfalls hatte die Unterhaltsgläubigerin Kenntnis des gegen den Unterhaltsgläubiger eingeleiteten Strafverfahrens wegen Verletzung der Unterhaltspflicht und erfuhr noch im Jahr 1999 von der strafrechtlichen Verurteilung des Unterhaltsschuldners wegen Verletzung seiner Unterhaltspflicht. Dies genügt, um die Verjährungsfrist des § 852 BGB aF in Gang zu setzen33. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB aF lief damit spätestens am 31.12 2002 ab. Die Neuregelung des Verjährungsrechts aufgrund des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts führt zu keiner Verlängerung der Verjährung (Art. 229 § 6 Abs. 1, 3 EGBGB).

Der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides Ende 1994 und die Klageerhebung im Jahr 1995 haben die Verjährung ebensowenig gehemmt wie das gegen den Unterhaltsschuldner wegen Verletzung der Unterhaltspflicht geführte Strafverfahren. Streitgegenstand der zivilrechtlichen Verfahren war allein der Unterhaltsanspruch; dass die Unterhaltsgläubigerin in diesen Verfahren auch einen Sachverhalt zur Entscheidung unterbreitet hat, mit dem sie Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 170b StGB aF verfolgte, zeigt sie nicht auf. Es lässt sich auch den Titeln nicht entnehmen. Das Strafverfahren hat auf die zivilrechtliche Verjährung keinen Einfluss.

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Zu Recht hat das Beschwerdegericht auch eine Hemmung der Verjährung analog § 477 Abs. 3, § 639 Abs. 1 BGB aF oder gemäß § 213 BGB nF verneint.

Es besteht kein Anlass, die Sondervorschriften der § 477 Abs. 3, § 639 Abs. 1 BGB aF auf das Verhältnis zwischen einem Unterhaltsanspruch und einem Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher Verletzung der Unterhaltspflicht zu übertragen. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass bei mehreren alternativ gegebenen Ansprüchen die Hemmung der Verjährung des einen Anspruchs auch für den anderen Anspruch wirkte, bestand nicht.

Auf § 213 BGB nF kommt es nicht an. Die Unterhaltsgläubigerin zeigt nicht auf, dass nach dem Inkrafttreten des § 213 BGB nF zum 1.01.2002 ein Tatbestand verwirklicht worden ist, der zu einer Hemmung, einer Ablaufhemmung oder einem Neubeginn der Verjährung von Schadensersatzansprüchen wegen der vorsätzlichen Verletzung der Unterhaltspflicht im Zeitraum von Juni 1994 bis Juli 1996 geführt haben könnte. Unabhängig davon ist § 213 BGB nF nicht anwendbar, wenn die Ansprüche kumulativ verfolgt werden können34. So liegt der Fall bei Ansprüchen auf Unterhalt und Schadensersatz wegen Verletzung der Unterhaltspflicht, die der Gläubiger gleichzeitig nebeneinander geltend machen kann. § 213 BGB setzt aber voraus, dass das eine Begehren das andere ausschließt35.

Eine Hemmung der Verjährung nach § 207 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 a)) BGB (oder § 204 Satz 2 BGB aF) kommt nicht in Betracht. Zwar gilt dieser Hemmungstatbestand auch für Schadensersatzansprüche von Kindern gegen ihre Eltern. Im Streitfall macht die Unterhaltsgläubigerin jedoch Schadensersatzansprüche gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 170b Abs. 1 StGB aF aus eigenem Recht geltend.

Unabhängig davon wäre Verjährung selbst dann eingetreten, wenn die Unterhaltsgläubigerin Schadensersatzansprüche der Kinder verfolgen würde. Denn die Hemmung nach § 207 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 a)) BGB endet, sobald der Anspruch auf einen Dritten übergegangen ist36. Deshalb kann offen bleiben, ob der Forderungsübergang nach § 91 Abs. 1 Satz 1 BSHG in der bis zum 31.07.1996 geltenden Fassung auch Schadensersatzansprüche der Kinder nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 170b Abs. 1 StGB aF umfasst. Sollten solche Ansprüche bereits mit Zahlung der Sozialhilfe in den Jahren 1994 bis 1996 auf die Unterhaltsgläubigerin übergegangen sein, bliebe eine Hemmung ohne Auswirkungen auf den Eintritt der Verjährung, weil die Verjährung solcher übergegangener Ansprüche dann bereits spätestens 1999 zu laufen begonnen hätte cc)) (3) (a). Dass die Unterhaltsgläubigerin solche Ansprüche – sofern sie nicht bereits nach § 91 Abs. 1 Satz 1 BSHG übergegangen sein sollten – etwa gemäß § 90 BSHG oder § 93 SGB XII erst zu einem Zeitpunkt auf sich übergeleitet hat, dass eine Verjährungshemmung durch Anmeldung zur Insolvenztabelle noch möglich gewesen wäre, zeigt sie nicht auf.

Ein Neubeginn der Verjährung nach § 212 Abs. 1 BGB scheidet aus.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 3. März 2016 – IX ZB 33/14

  1. Klarstellung zu BGHZ 187, 337[]
  2. vgl. BGH, Beschluss vom 09.02.1994 – XII ARZ 1/94, NJW 1994, 1416, 1417 zu § 621 Abs. 1 Nr. 5 ZPO aF[]
  3. KG, FamRZ 2012, 138, 140; OLG Köln, FamRZ 2012, 1836, 1837; OLG Celle, FamRZ 2012, 1838, 1839; OLG Hamm, FamRZ 2013, 67; Johannsen/Henrich/Maier, Familienrecht, 6. Aufl. § 231 FamFG Rn. 11; vgl. auch OLG Hamm, FamRZ 2012, 1741, 1742; a.A. OLG Rostock, FamRZ 2011, 910, 911[]
  4. Johannsen/Henrich/Maier, aaO[]
  5. vgl. BGH, Beschluss vom 03.05.1976 – IV ARZ 26/78, BGHZ 71, 264, 274 f[]
  6. BGH, aaO S. 275[]
  7. OLG Köln, Beschluss vom 23.01.2014 – 27 UF 113/13, NZI 2014, 272 ff[]
  8. BGH, Beschluss vom 02.12.2010 – IX ZR 247/09, BGHZ 187, 337[]
  9. BGH, Beschluss vom 10.102.2013 – IX ZR 30/13, ZIP 2013, 2265[]
  10. vgl. BGH, Urteil vom 02.12 2010 aaO Rn. 12[]
  11. vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO 31. Aufl., Einl Rn. 77; § 322 Rn. 9[]
  12. vgl. BGH, Beschluss vom 26.09.2002 – IX ZB 180/02, BGHZ 152, 166, 171 f[]
  13. ebenso § 218 Abs. 1 Satz 1 BGB aF[]
  14. BGH, Urteil vom 03.11.1988 – IX ZR 203/87, ZIP 1988, 1570, 1571[]
  15. BGH, Urteil vom 22.10.2013 – XI ZR 42/12, BGHZ 198, 294 Rn. 22; Beschluss vom 21.10.2014 – XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1 Rn. 145 f; Urteil vom 18.06.2015 – III ZR 303/14, WM 2015, 1322 Rn. 10 f[]
  16. BGH, Urteil vom 02.12 2010 – IX ZR 247/09, BGHZ 187, 337 Rn. 11[]
  17. BGH, Urteil vom 02.05.2002 – III ZR 135/01, BGHZ 151, 1, 2[]
  18. ständige Rechtsprechung, jüngst etwa BGH, Urteil vom 23.10.2012 – IX ZR 207/11, WM 2012, 2242 Rn. 14; vom 22.10.2013 – XI ZR 42/12, BGHZ 198, 294 Rn. 15 mwN; vom 04.07.2014 – V ZR 298/13, NJW 2014, 3314 Rn. 12; vom 18.06.2015 – III ZR 303/14, ZIP 2015, 1442 Rn. 11; vom 23.06.2015 – II ZR 166/14, WM 2015, 1679 Rn. 14[]
  19. vgl. BGH, Urteil vom 20.04.1990 – V ZR 282/88, BGHZ 111, 158, 167; vom 27.05.1993 – III ZR 59/92, NJW 1993, 2173, insoweit in BGHZ 122, 363 nicht abgedruckt[]
  20. BGH, Urteil vom 04.07.2014 – V ZR 298/13, NJW 2014, 3314 Rn. 11[]
  21. BGH, Urteil vom 28.01.2014 – XI ZR 424/12, BGHZ 200, 121 Rn. 32[]
  22. vgl. BGH, Urteil vom 16.07.2010 – V ZR 217/09 Rn. 10, insoweit in NJW 2010, 3158 nicht abgedruckt[]
  23. BGH, Urteil vom 15.01.2001 – II ZR 48/99, NJW 2001, 1210, 1211; vgl. auch zum Schaden beim Eingehungsbetrug BGH, Urteil vom 15.11.2011 – VI ZR 4/11, WM 2012, 138 Rn. 9 f[]
  24. BGH, Urteil vom 13.06.1996 – III ZR 40/96, NJW-RR 1996, 1276, 1277 unter 5.[]
  25. vgl. BGH, Beschluss vom 11.05.2010 – IX ZB 163/09, NJW 2010, 2353 Rn. 6 mwN[]
  26. BGH, Urteil vom 23.07.2008 – XII ZR 158/06, NJW 2008, 2922 Rn.19 mwN[]
  27. OLG Köln, aaO[]
  28. ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BGH, Urteil vom 06.11.2007 – VI ZR 182/06, VersR 2008, 129 Rn. 15 mwN[]
  29. Palandt/Thomas, BGB, 61. Aufl., § 852 Rn. 11; Staudinger/Schäfer, BGB, 12. Aufl., § 852 Rn. 70 mwN[]
  30. BGH, Urteil vom 15.12 1987 – VI ZR 285/86, NJW-RR 1988, 411, 412 unter II. 2. b.[]
  31. BGH, Urteil vom 27.11.1963 – Ib ZR 49/62, NJW 1964, 493, 494[]
  32. im Ergebnis übereinstimmend Fischer, StGB, 63. Aufl., § 170 Rn. 8 mwN; Schönke/Schröder/Lenckner/Bosch, StGB, 29. Aufl., § 170 Rn.19 mwN[]
  33. vgl. BGH, Urteil vom 15.10.1991 – VI ZR 280/90, WM 1991, 2135[]
  34. Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, 2014, § 213 Rn. 7[]
  35. BGH, Urteil vom 29.04.2015 – VIII ZR 180/14, zVb in BGHZ 205, 151 Rn. 26; Staudinger/Peters/Jacoby, aaO Rn. 4, 6[]
  36. BGH, Beschluss vom 25.01.2012 – XII ZB 461/11, NJW-RR 2012, 579 Rn.20; Urteil vom 23.08.2006 – XII ZR 26/04, NJW 2006, 3561 Rn. 14[]
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